17. Januar 2025

Ein schwäbischer Radschnellweg löst Kritik und Spott aus

Stuttgarter Zeitung, 8. Januar 25
Das ist gründlich schief gegangen. Der Abschnitt des Radschnellwegs 14 zwischen Eislingen und Süßen geistert seit Wochen durch die Medien. 

Vor allem wegen einer Treppe, aber auch wegen falscher Beschilderung oder einem Kreisverkehr an einer Zweirichtungsradwegführung, den die Radler:innen in Gegenrichtung ganz außen herum fahren müssen. Der ADFC Göppingen hat bereits im November die Mängel aufgelistet. Auch  die Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten haben tüchtig gespottet. Ein FDP-Politker nutzt die Schwächen, um sich aufzumanteln, in der Presse Radschnellwege infrage zu stellen und gegen den baden-württembergischen Verkehrsminister zu wettern. Kritik und Unmut waren wohl so vehement, dass sich vor ein paar Tagen das Regierungspräsidium mit einer Pressemitteilung darum bemüht hat, in die überregionalen Medien zu kommen und die glücklose Umsetzung bundesweit bekannt zu machen. Die Süddeutsche Zeitung hat schon reagiert, die dpa-Meldung übernommen und zeigt die Treppe in einem Video

Wobei diese Treppe eben einer von drei Zugängen zum Radschnellweg darstellt, zwei andere Treppen wurden in Rampen verwandelt. Ist man an dieser Treppe gelandet, gibt es allerdings keinen Ausweg, man muss sie nehmen. Sie soll noch Metallschienen bekommen, damit man das Rad hoch- und runterschieben kann. Das ist halt ein Witz. Zum Kopfschütteln gibt auch eine Bodenmarkierung für links Fußgänger und rechts Radfahrer Anlass, obgleich Fußgänger:innen hier rechts auf einem schmalen Gehweg gehen sollen, die Radler:innen aber links auf einen sogenannten Schutzstreifen auf der Fahrbahn runter müssen. Das mag rechtlich in Ordnung sein, erzeugt aber halt Gelächter. 

Das Grundproblem ist, wie mir scheint, eine lieblose Sachzwang-Planung, wie man sie für Autofahrende niemals machen würde. Für eine Radschnellwegspur in jeweils eine Fahrrichtung hat der Platz nicht gereicht, deshalb wurde ein Zweirichtungsradweg daraus. Der Platz hat deshalb nicht gereicht, weil nach dem Bau der neuen B10 (mehr Straße für den Autoverkehr) die alte B10 bis zu einem bestimmten Maß entsiegelt werden musste, man aber Autospuren erhalten wollte. Menschen zu Fuß haben gar keine Fläche zum Gehen bekommen. Also wie üblich: Autoverkehr kriegt mehr, der Radverkehr nur die Hälfte und der Fußverkehr nichts. Hm ja. 

Das führt dazu, dass die Radler linksseitig auf den Kreisverkehr in Süßen zuradeln, dort aber nicht nach links Richtung Ortszentrum abbiegen dürfen, sondern eben  - wie üblich - gegen den Uhrzeigersinn um den ganzen Kreisverkehr herum radeln müssen, samt der Gefahrenstellen, die die Kreisverkehrsausfahrten des Autoverkehrs immer für den Radverkehr darstellen (illegales Abkürzen wird damit provoziert). Am Kreisverkehr kurz vor Salach (außerorts) haben die Radfahrende wiederum keinen Vorrang, sie müssen an jeder Zu- und Abfahrt warten. Das schreibt die StVO nach Angaben des RP vor. Daraus ergeben sich aber Verzögerungen und Zeitverluste, die es auf einem Radschnellweg eigentlich nicht geben sollte. (Es ist als würde man eine Autobahn mit Kreuzungen unterbrechen.) Die Verkehrsinseln scheinen außerdem zu schmal zu sein, um sich mit Rädern dort aufzustellen. 

Bei dem ganzen Ungemach geht verloren, dass der Radweg trotzdem auf ein paar Kilometern eine gewisse Erleichterung für Radfahrende bietet. Der Rest ist Lücke. Der Radschnellweg 14 soll Ebersbach an der Fils über Uhingen und Göppingen mit Eislingen an der Fils verbinden. Uhingen macht aber schon mal nicht mit. Der Gemeinderat hat die Trasse 2023 abgelehnt. Seit 2021 fertig ist ein Abschnitt zwischen Reichenbach d.F. und Ebersbach. Bis wir über einen Radschnellwg dann mal nach Esslingen und umgekehrt nach Göppingen kommen, wird noch viel Wasser die Fils hinunter fließen, fürchte ich. 

Nachtrag: Der ADFC Göppingen scheint nicht sonderlich glücklich zu sein mit dem Medienecho, das der Radschnellweg ausgelöst hat. Das geht aus diesem Artikel (Stand 21.Jan. 25) hervor, der derzeit auch immer wieder geändert wird. Mein Blogartikel wird in der Auflistung der Medien nicht erwähnt. Der ist zu unbedeutend. 


14 Kommentare:

  1. Noch brennt Stuttgart nicht. Es kann also nicht so schlimm sein.
    Um wieder zu den Ausländern zu kommen... (/Sarkasmus)

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  2. Es sollte jedem klar sein, dass eine solch sorgfältige Planung kein Versehen, sondern Vorsatz ist.
    Thomas

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  3. Ich finde das wirklich nicht mehr witzig. Ich bin es leid, dass so ein Murks auch noch als Errungenschaft verkauft wird. Der Planer sollte erstmal seinen Job lernen. Wenn wir im Maschinenbau so einen Murks abliefern würden, würden wir rausfliegen, als Person und auch als Firma. Aber Verkerhsplaner brauchen sich nur eine abstruse Begründung auszudenken und -alles gut-. Ich will und kann aber mein Fahrrad nicht rumschleppen und auch keine Trailstrecke hochschieben. Treppe ist nicht für Radfahren geeegnet. Das sollte eigentlich jedem klar sein.
    Hier gibt es auch so ein Beispiel: Weiterführung des Radschnellwegs vom Buga-Gelände zur neuen Radbrücke. Schön breit, gut asphaltiert, bis auf 100m, die nur halb so breit sind und aus Schotter bestehen. Laut Anfrage an die Buga sollte das Stück im letzten November gemacht werden ("Steht so im Asphaltierungsplan"). Vor zwei Wochen bin ich da vorbeigekommen, und? Natürlich nix, immer noch Schotter. Ich hake da jetzt nochmal nach. Vielleicht wird das ja auch so ein Fall für den "Hammer der Woche" wie der Radschnellweg in Göppingen. Frei nach dem Motto "Wir können alles, außer Radweg".
    Karin

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  4. Wir sollten aber auch berücksichtigen, dass es Politik und Verwaltung/Planung in solchen Bereichen ziemlich schwer haben.
    Einerseits braucht es eine Mindesterfüllung von Symbolen im Rahmen der Klimaschutznarrative (wir tun was ...) und der Befriedigung des Klientels der 'auch-radfahrenden' Autofahrer:innen, andererseits fordern Selbstverständnis, starke Lobbys und Staatsräson der kränkelnden Autoindustrie wieder mal kräftig unter die Arme zu greifen, die Absätze noch oben zu drücken, sowie die Mengen des MIV und Straßengüterverkehrs - immer noch Ausweis wirtschaftlicher Potenz - planungskonform immer weiter auszubauen.
    Dass es dabei immer wieder mal zu Widersprüchen kommt, die nicht gut kaschiert unter der Bettecke bleiben, sondern in aller Peinlichkeit offen zu Tage treten ist wohl kaum zu vermeiden. Potemkin lässt grüßen.
    Wir leben halt in einer Gesellschaft, in der selbst die Chefetagen der 'Grünen' Partei der stark gestiegenden Armut unter Kindern und Jugendlichen jetzt mit staatlicher Subvention des Autoführerscheins begegnen will, statt für Armutsbekämpfung, Bildungsgerechtigkeit und kulturelle Teilhabe zu sorgen, wobei .... ?
    Vermutlich ist es ja längst breiter Konsens, dass grundlegend die Gleichung gilt:
    'Teilhabe = Führerschein' ?
    Alfons Krückmann

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    1. Reicht für "Teilhabe" nur der Führerschein ? Da ist doch auch noch ein Fahrzeug erforderlich.

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  5. Ein Teil des Problems ist, dass Radschnellwege nicht wie Autobahnen überregional geplant und realisiert werden. D.h jede Gemeinde kann hier ein Projekt zum Scheitern bringen. Wenn eine zentrale Planungsstelle das Planen würde und dann, wenn einmal beschlossen es auch komplett umsetzt,dann wäre schon viel gewonnen, sicher auch eine Verbesserungen bei Knotenpunkten wie dem angesprochenen Kreisel.
    Außerdem zeigt das Beispiel sehr gut was passiert wenn man die KFZ Infrastruktur unabhängig vom Rest plant. Eigentlich sollte Verkehrswegeplaung immer alle Verkehrsmittel berücksichtigen, und das nicht erst wenn es ins Detail geht, sondern ganz am Anfang. Wenn das nicht geschieht, dann leidet der Teil am stärksten unter Sachzwängen, der als letztes geplant und realisiert wird. Das ist als ob man einer Schülermannschaft im Schullandheim Eis zum Nachtisch gibt, und jeder darf sich so viel nehmen wie er will, und wer hinten in der Schlange steht hat halt Pech gehabt. Bei dem banalen Beispiel ist allen klar, dass bevor der erste etwas bekommt, die richtige Portionsgöße ermittelt werden muss und dann darauf geachtet werden muss, dass jeder nur das bekommt was vorher als richtig ermittelt wurde.
    Verkehrsfläche ist ein noch beschränkteres Gut als Eis im Schullandheim, also sollte man da noch viel sorgsamer damit umgehen, da kann man nicht einfach was nachkaufen!

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  6. Ich höre hier viel über Fehlplanung, aber kann auch durchaus an der Umsetzung liegen. Wenn die Fachfirma keine fähigen Mitarbeiter hat die Pläne lesen können kann der Plan noch so gut sein.

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  7. die uns wollen können es nicht.
    die es können wollen uns nicht.

    karl g. fahr

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  8. Was mich bei solchen Sachen immer wundert: Es gibt doch in den meisten Gemeinden Radverkehrsbeauftragte. Die haben doch bestimmt vorher mal einen Blick auf die Planung und speziell auf die Ausführungsplanung bekommen. Das mit der Treppe müsste doch jedem sofort auffallen.
    Auf dem Neckartalradweg zwischen Kirchentellinsfurt und Tübingen ist kürzlich auch so einen seltsame Sache gelaufen: Im Zuge einer Brückenerneuerung der Bahn wurde neben dem Radweg die Wiese entfernt, dann ein Vlies aufgelegt und anschließend mit Schotter auf das Radwegniveau aufgefüllt. Ich habe mich gefreut, denn dadurch endlich weniger Matsch auf dem Radweg.
    Nun am nach Ende der Bahnbaustelle wird auf den Schotter Erde aufgetragen (ohne den Schotter oder das Vlies drunter zu entfernen). Dadurch ist der Radweg nun super matschig bei Regen. Ich frage mich da echt wieso vom Planer bis zum Baggerfahrer da niemand diesen Unsinn bemerkt geschweige denn stoppt.
    Habe überlegt, ob ich das melden soll. Aber in der Vergangenheit kamen auf Mails von mir nicht mal eine Empfangsbestätigung.

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    1. Liebe:r Anoymus/a, wo auch immer deine Stadt ist, eine Mail schreiben wäre nicht schlecht. Auf eine Antwort kommt es nicht an, nur darauf, ob der Missstand behoben wird. Sonst schick mir Fotos und ich schreibe darüber.

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  9. Apropos Radverkehrsbeauftragte: Ist es ein Zufall, das dies überwiegend Frauen in den Kommunen sind? Weil die Männer dominierten, autozentrierten Verwaltungen Frauen besser 'klein halten' werden können? Bestes Beispiel ist Stuttgart. Hat ja bis heute keinen Nachfolger gesucht. Und am Radschnellweg RS4/RS5 hat BM Pätzold/Oehler noch gar nicht angefangen- warum eigentlich nicht? Dafür gabs den ersten Stuttgarter-Autogipfel. Unter Dino-Nopper. Stuttgart schafft sich selber ab, mit seinem Autowahn. Klaus

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    1. Mag sein, lässt sich aber auch anders sehen:
      Stuttgart folgt lediglich den Maximen des grünen BW Ministerpräsidenten:
      "Deutschland muss Autoland bleiben"
      Ähnlich wie in den Niederlanden bleibt der Radverkehr im günstigen Fall ein geduldetes 'nice to have' Parallelverkehrsmittel, in der Regel aber ist es der 'Job' des Radverkehrs als billige Anti-Stau Maßnahme im Rahmen der forcierten Autoförderung zu fungieren.
      Wäre das bei anderen politischen Mehrheiten besser?
      Wohl nicht.
      Es braucht wirksamen zivilgesellschaftlichen Widerstand, wenn sich da was bewegen soll.
      Alfons Krückmann

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    2. Es geht hier nicht um Stuttgart. Und dass es mit dem Ministerpräsidenten zu tun hat, bezweifle ich. Der Verkehrsminister ist ein Grüner, und der kämpft für den Radverkehr, der Koalitionspartner ist aber halt die CDU. Ich denke eher, dass in den Köpfen der Oberbürgermeister und der Gemeinderäte der Städte tief verankert ist, dass der Autoverkehr rollen muss und der Radverkehr ein eher ungeliebtes Beiwerk ist. Das Regierungspräsidium ist auch nicht so richtig auf Radverkehr gepolt. Es ist eine Politik und Umsetzung dicht entlang der noch geltenden allgemeinen gesellschaftlichen Übereinkunft, dass der Radverkehr nicht ernst genommen werden muss, sondern ein nettes Beiwerk ist, wenn die räumlichen Verhältnisse es erlauben.

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  10. Das 2021 fertig gestellte "Teilstück" (ca. 1 km) bei Reichenbach bin ich durch Zufall mal gefahren. Das ist reine Verarsche: Ein bisher straßenbegleiteter Feldweg wurde bemalt und mit einer Leitplanke ausgestattet. Vielleicht auch neu geteert; der Belag davor war aber gut.

    Direkt im Anschluss (Richtung Stuttgart) hat man übelste Schotterpiste. Der Abschnitt wäre eine echte Verbesserung gewesen. Aber es ging offensichtlich nur um schöne Politikerfotos, ohne dass es jemandem weh tut...

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