Es gibt unter Autofahrenden standardisierte Signale mit der Hand, mit Licht oder Blinker. Weniger standardisiert ist die Kommunikation zwischen Radfahrenden und Autofahrenden.
Kommunikation schafft für beide Seiten Klarheit. Vor allem eben auch für den Autofahrer oder die Fahrerin. Es gibt nämlich etliche, die nicht vorhersehen können, was Radfahrende tun werden und auch fürchten, dass sie sich nicht an eine gültige Verkehrsregel halten werden. Die meisten Autofahrenden wollen keinen Radfahrer, den sie sehen, verletzen. Sie bremsen dann plötzlich, ohne dass für mich klar ist, was sie als nächstes tun werden, wenn sie sich von der Verblüffung, dass ein Fahrrad kommt, erholt haben. Wir Radfahrende haben den Riesenvorteil gegenüber Autofahrenden, dass wir unser Gesicht und unseren Körper zeigen und mit Mimik und Gesten kommunizieren können. Wir verschwinden nicht hinter abgedunkelten Autoscheiben. Und mit Fußgänger:innen oder anderen Radfahrenden können wir sogar reden.
Ich kenne drei Standardsituationen, die ich mit Gesten oder Worten löse, bevor es zu einer Konfrontation kommt und sich beide Seiten übereinander ärgern. (Leider habe ich keine ganz passenden Fotos dazu, weil das Situationen sind, die im Fahren entstehen.)
1. Ich komme mit dem Rad (womöglich einen Berg runter) auf eine Kreuzung zu, an der Rechts vor Links gilt. Von rechts kommt ein Auto. Die meisten Autofahrenden sind unsicher, ob ich anhalte oder durchbrettere. Relativ viel halten dann sogar an. Ich halte natürlich auch an, denn der Autofahrer hat ja Vorrang. Dann stehen wir beide. Manchmal winkt mich der Autofahrer dann weiter. Ich bedeute ihm wiederum meistens, dass er doch fahren solle, denn ich stehe ja nun schon und starten ist in jedem Fall anstrengend. Manchmal hoffe ich, dass er oder sie lernt, dass man einem Radler, der schon steht, keinen Vorrang mehr geben muss. Ich finde, dass Verkehrsregeln die Berechenbarkeit erleichtern, deshalb soll, wer Vorrang hat, auch fahren. Um zu vermeiden, dass ich anhalten muss, weil ein Autofahrer sich nicht entscheiden kann, ob er seine Vorfahrt nimmt oder nicht, bremse ich deutlich sichtbar ab und ziele mit meinem Vorderrad aufs Heck des Autos, das ich hinten umfahren möchte. Das verstehen die meisten und fahren dann los, sodass ich hinten vorbeikomme. 2. Das gilt auch für Fußgänger:innen. Eigentlich sind Zebrastreifen für beide ganz einfach: Der Mensch zu Fuß geht rüber, ich bremse und fahre hinter ihm durch. Das klappt aber manchmal nicht. Dann nähere ich mich einem Zebrastreifen, während ein Mensch sich ebenfalls nähert und rüber will. Ich bremse ab. Zuweilen bleiben die Fußgänger:innen aber am Bordstein stehen, weil sie sich unsicher sind, ob ich anhalten werde, und weil sie nicht sehen, dass ich nur noch rolle und sogar bereits bremse. Wenn ich dann anhalten muss, weil sie ja Vorrang haben, winken mir manche zu, dass ich durchfahren soll. Aber ich stehe ja nun schon. Dann sage ich meistens: "Gehen Sie nur, Sie haben Vorrang. Ich stehe nun schon." Um das zu vermeiden, rufe ich zögerlichen Fußgänger:innen inzwischen oft schon im Heranradeln zu, dass sie ruhig gehen können. Oder ich winke sie mit der Hand rüber. Wenn sie dann losrennen, weil sie mich nicht aufhalten wollen, sage ich: "Keine Eile, das ist Ihr Überweg."3. In einer schmalen Straße radle ich in eine Richtung, mir entgegen kommt ein Auto. Das Auto fährt in der Mitte der schmalen Fahrbahn, und das nicht eben langsam. Wenn der Fahrer in dem Tempo und auf dieser Linie weiterfährt, bleibt mir nichts anderes übrig, als an den Bordstein, an ein geparktes Auto oder ins Gebüsch zu retten. Manchmal habe ich den Eindruck, dass manche Autofahrende Radfahrende, die ihnen am Fahrbahnrand entgegenkommen, nicht sehen. Also lenke ich in vorausschauender Entfernung mein Fahrrad etwas in die Fahrbahnmitte und tauche so in Blickrichtung des Fahrers in der Windschutzscheibe auf. Das sieht die Fahrerin oder der Fahrer immer. Und ich sehe, dass das Auto gebremst und etwas weiter an seinen rechten Fahrbahnrand gelenkt wird. Sofort lenke ich mein Fahrrad ebenfalls wieder etwas weiter nach rechts. Nun kommen wir voller gegenseitiger Aufmerksamkeit aneinander vorbei. Auf keinen Fall sollte man es auf einen Machtkampf anlegen, das versteht sich von selbst. Das ist es auch nicht. Es ist nur ein Signal ihm Rahmen der Kommunikation. Ich bewege mich nur für einen Augenblick ins Sichtfeld des Autofahrenden, der durch seine Windschutzscheibe guckt, mehr ist es nicht. Übrigens sollten Autofahrende beim Gegenverkehr mindestens einen Meter Abstand von mir auf dem Fahrrad halten, allemal aber entsprechend langsam fahren.
4. Fährt ein Autofahrer für mein Gefühl zu dicht hinter mir her, wenn ich auf einer Fahrbahn radle, muss das nicht einmal einer sein, der drängeln will. Manche Autofahrende fahren einfach dicht auf, weil wir eine so schmale Silhouette haben oder weil sie gewohnt sind, dass es nur Blechschaden gibt, wenn ein Auto vor ihnen bremst, von dem sie einen zu geringen Abstand gehalten haben. In den meisten Fällen hilft es, wenn ich mich dann mal kurz nach hinten umgucke. Ist zwar ein Akt, aber in den meisten Fällen, bremst er oder sie dann sofort ab und in vielen Fällen fährt er oder sie danach mit einem etwas größeren Abstand hinter mir her. Dass das funktioniert, erkläre ich mir so, dass ich ihm oder ihr zeige, dass ich ein Mensch bin, den etwas irritiert, aber auch, dass ich weiß, dass er oder sie hinter mir ist (ich radle zwar mit Rückspiegel, aber das nehmen wohl die wenigsten wahr). Kurzum: Ich zeige dem Autofahrenden mein Gesicht und werde damit zum Menschen. 5. Ich radle eine Straße hoch, auf der mich ein Autofahrer nicht mit dem gebotenen Abstand von 1,5 Metern Abstand überholen kann, merke aber schon, dass der Fahrer (oder die Fahrerin) unbedingt vorbei möchte. Meistens höre ich ihn schalten und den Motor röhren und er kommt mir von hinten viel zu nahe. Selbstverständlich radle ich mit gut einem Meter Abstand zu den Autotüren der geparkten Fahrzeuge, also mitten auf der Richtungsfahrbahn. Dennoch sehen manche immer noch genug Platz für sich zum Überholen. In so einem Fall strecke ich die linke Hand mit der flachen Seite nach hinten und unten aus, mache also eine bremsende Bewegung, zeige gestisch: Mach langsam! Das hilft immer. Selbst wenn die Geste dem Autofahrenden unverständlich sein sollte, bewirkt die nach links ausgestreckte Hand, dass er oder sie vermutet, dass ich irgendwas vorhabe, womöglich abbiegen will. Allerdings wirkt es bei manchen nur für zwanzig Meter, dann brausen sie lautstark doch viel zu eng an mir vorbei (nur um gleich 20 Meter weiter nach rechts abzubiegen). Die anderen haben es verstanden.7. Und, wie ich nie müde werde, zu betonen: Ich zeige anderen auch gern, wohin ich fahren will. Ich strecke die Hand raus, bevor ich abbiegen möchte, zur Not zwei Mal, wenn ich merke, dass meine Geste nicht bemerkt wurde. Dann wissen alle anderen, wohin ich fahren will, und ob sie anhalten müssen oder weiterfahren können.
Cooler Artikel. Nonverbale Kommunikation im Verkehr, intuitive Verständigung und deren Grenzen.
AntwortenLöschenÜbrigens kennen nicht nur wir Radelnden diese Signale, man denke zum Beispiel an das demonstrative Einschwenken in Parklücken als Signal an den Gegenverkehr: Fahr schnell vorbei, dann kommen wir beide aneinander vorbei, ohne stark bremsen oder gar anhalten zu müssen.
Ein Bereich, in dem nonverbale Signale gut funktionieren, ist der einspurige Kreisverkehr. Meine Fahrlinie signalisiert jedem sofort, wo ich aus dem Kreisverkehr wieder ausfahren möchte: wenn ich eng in der Mitte fahre, werde ich erst nach 3/4 rausfahren. Wenn ich mich dagegen rechts halte, fahre ich auch sofort rechts wieder raus. Das versteht jeder intuitiv, auch ohne dass ich Richtungssignale gebe, was beim Lenken im Kreisel ja nicht so einfach ist.
Liebe Christine,
AntwortenLöschenbin fast voll d'accord außer bei 6. : bei den Autos, die diese steilen Straßen hochfahren sind ~90% bekanntlicherweise dort illegal unterwegs (da Durchfahrt für KFZ verboten). Und wenn jemand da nicht fahren darf, ist die Rücksicht auf die Radies eher auch nicht da. Ein Ausweichen auf den Fußweg "aus Rücksicht" ist für mich eher ein no go. Sinnvoll wären eher Banner für die KFZler, dass die 1,50 m Abstand kein Wunschkonzert sind, sondern Pflicht.
Ad 3: der 1 m Abstand im Gegenverkehr ist auch eher ein Wunsch oder gibt es dazu eine rechtliche Handhabe? Die Erfahrung ist, dass Gegenverkehr so eng überholen darf, das es gerade nicht "dodelet", sprich der Radie es irgendwie überlebt. Selbst ein Berühren des Radies ist ja zulässig, wenn beim Radie keine länger bestehenden Schäden zurückbleiben.
Lieber Henry, ich habe ja nicht gesagt, dass man über den Gehweg ausweichen soll, passiert allerdings öfter. Und die Hochfahrt ist nur am Nachmittag nicht erlaubt, vormittags darf man. Was den Abstand zwischen Auto und Gegenverkehr betrifft, gehe ich der Frage noch mal genauer nach. Bei schneller Recherche finde ich sogar die These, dass 1,5 Meter Abstand gehalten werden müssten. Ich frage mich allerdings, wo die Quelle für das "selbst ein Berühren des Radies ist ja zulässig" her ist.
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