Wie breit ist ein Gehweg? Egal wie breit er tatsächlich ist, Falschparkende, Aufsteller, Baustellenbeschilderungen, Baumstandorte oder Radfahrende lassen den Fußgänger:innen nur rund siebzig Zentimeter.
Das hat Martin auf seinem Blog beobachtet. Ein zwei Meter breiter Gehweg bietet sich einzelnen Autofahrenden als Abstellfläche an. Auf Gehwege wird, wenn die Straße schmal ist, soweit hochgeparkt, dass Fußgänger:innen gerade noch vorbei kommen (manchmal auch nicht mehr). Entlang vieler gewachsener Wohnviertel sind die Gehwege kaum breiter als ein Meter und überall parken Autos am Bordstein.
Auch wenn das jetzt nicht im eigentlichen Sinn ein Fahrradthema, sondern ein Fußgängerthema ist, fällt auch mir auf, wie sehr Gehwege Verfügungsfläche für alles sind - Aufsteller, Mülltonnen, Tische und Stühle, Autos, Motorräder, E-Scooter, Radbügel, Pollerreihen, Ampel- und Schildermasten, Fahrräder -, was in den öffentlichen Raum muss oder soll. Deshalb habe ich angefangen, mit Zeichnungen sichtbar zu machen, was wir bewusst schon lange nicht mehr sehen.
Auch wenn ein Gehweg gerade mal nicht zugeparkt oder von E-Scootern oder Mopeds oder Motorrädern zugestellt ist, bleiben den zu Fuß Gehenden an sehr vielen Stellen zwischen Schildermasten, Mülltonnen oder Litfaßsäulen und Zaun oder Hauswand nur zwei Plattenreihen, egal wie breit der Gehweg an sich ist. Das reicht nicht, um bequem nebeneinander zu gehen, und Begegnungsverkehr muss einander ausweichen. Aufgefallen ist mir das, als ich im Sommer 2024 anfing, Gehwege zu zeichnen. Ich wollte und will damit sichtbar machen, was wir eigentlich alle sehen, aber was zu übersehen wir uns angewöhnt haben: diese unglaubliche Hässlichkeit der Fußgängerräume, diese Zumutungen für Menschen zu Fuß, stets ausweichen und umrunden zu müssen, diese Gleichgültigkeit der Nutzer:innen von Fahrzeugen, den Räumen von Fußgänger:innen gegenüber. (Oben: Liststraße, rechts Tübinger Straße.)Wenn ich all das Zeug zeichne, was auf Gehwegen längs und kreuz und quer an Fahrzeugen herumsteht, aber auch die vollgeklebten Masten, die mit Graffiti verzierten Mülltonnen oder Hauswände, das brüchige Pflaster, die vielen verkritzelten und zugeklebten Verteilerkästen, dann fällt auch mir selbst erst die ganze Hässlichkeit unserer Fußgänger-Umgebung unterhalb teils schöner Häuser auf, die ich zu ignorieren gelernt habe.
Es ist faszinierend, aber auch bestürzend, in was für eine verlotterte Umgebung man uns zu Fuß schickt und wie egal es der Gesellschaft und den Ordnungskräften ist, dass überall motorisierte Fahrzeuge auf Gehwegen herumstehen und manchmal auch Fahrräder, die den Leuten den Weg komplett versperren. (Bild rechts: Filderstraße am Marienplatz, wobei die Stadt hier einen Radbügel hingestellt hat, mitten auf den Gehweg.)
Ich veröffentliche diese Zeichnungen regelmäßig in sozialen Medien. Auch die Wochenzeitung Kontext hat sie in einem Interview mit mir verwendet. Eine Auswahl habe ich auch hier im Blog verlinkt. Aber so richtig viral geht das nicht, zum Thema machen möchte das niemand. Vermutlich auch aus Mutlosigkeit. Unsere Gehwege sehen halt so aus. Und man selber hat auch schon mal sein Auto auf einem Gehweg abgestellt, weil man zu faul war, einen Parkplatz zu suchen, oder das Fahrrad mal eben blöd vor einem Laden abgestellt.
Dieser Müllberg in der Bismarckstraße fand auch den Weg in die Stuttgarter Zeitung. Die Fußgänger:innen, die ich dort traf, gingen stoisch um die Ausläufer auf dem Gehweg herum. Selbstverständlich ist kein Stück Karton auf die Fahrbahn gefallen, und die Ausfahrt ist auch freigehalten worden. Vom Gehweg sind jedoch nur noch knapp die zwei Plattenreihen übrig, und die muss man in Schlangenlinien gehen, um den Müllbeutel weiter hinten und das abgestellte Moped herum, und natürlich auch um den Kühler des Autos herum, das ganz hinten in die Kreuzung rein parkt.Das hier (beim Bezirksamt Zuffenhausen, Seitenstraße) wirkt auf den ersten Blick unspektakulär, abgesehen davon dass ein Auto den Gehweg zuparkt, genau unter dem Halteverbotsschild. Und es ist ja schön, dass wir Bäume gepflanzt haben und pflegen, die aber eben auch vom Gehweg was wegnehmen (die hübsche Baumscheibe mit den Rillen ist ein Absatzkiller für Schuhe mit dünnen Absätzen) und Fußgänger:innen dazu zwingen, ständig, um etwas herum zu laufen.
Übrigens hat die "Fußgängerampel", also die noch übriggebliebene SPD-Grüne-Bundesregierung eben noch eine "Fußverkehrsstrategie" verabschiedet, über die die FAZ berichtet.
Die Stadt Stuttgart geht da mit gutem Beispiel voran und stellt diese unsinnigen Parkuhren, die praktisch nie genutzt werden, mitten in den verbleibenden Bereich. Seitdem muss man ständig slalom laufen...
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