Immer wieder begegne ich einer völlig hanebüchen Beschilderung an Radwegen. Vor allem Durchfahrtverbotsschilder werden oft grundlos aufgestellt. Und wenn wir trotz Verbots durchradeln, stellen wir fest, der Grund für die Sperrung - eine Baustelle oder die komplette Belegung der Hauptradroute 1 vor der Oper durch Bühne und Buden - ist noch nicht oder gar nicht mehr da. Die Schilder aber stehen. Und sie gelten. Eigentlich.
Am Wochenende 21.,22 September war beispielsweise der Weg an der Oper an eine Festivität übergeben und die Hauptradroute unterbrochen. Die Umleitungsschilder waren im Vorbeiradeln schwer deutbar, alle radelten weiter. Der Platz vor der Oper war kaum noch passierbar. Und als ich am Dienstagnachmittag dort entlang Richtung Cannstatt radelte, standen die Durchfahrt-verboten-Schilder immer noch dort, die rotweißen Sperren waren aber zusammengeschoben. Der Platz vor der Oper war absolut frei, nichts behinderte unsere Durchfahrt. Warum also standen da noch die Sperrschilder?

Ende Juni gab es eine Baustelle auf dem Nackardamm zwischen der abgerissenen Rosensteinbrücke und dem Spielplatz am Sailerwasen. Umleitungsschilder wiesen rechts bergauf auf einen Weg über den Sailerwasen, den Radfahrende nicht kennen (man weiß nicht, wohin es da hingeht und müsste sich der Wegeführung anvertrauen). Es mag sein, dass die Bauarbeiter mal die ganze Breite des Weges gebraucht haben, aber die vielen Male, die ich dort entlang geradelt bin, war die Baustelle gut passierbar. Dennoch standen auf beiden Seiten Durchfahrtssperren. Klar, dass der gesamte Radverkehr auf dieser Pendelstrecke sie missachtet hat.
Ende September war Baustelle in der Urbanstraße direkt am Kernerplatz. Wer durch den Kreisverkehr radeln wollte, sah sich dieser Sperre gegenüber. Sie ging über die ganze Straßenbreite. Rechts sah ich erfreut eine extra aufgestellte Gehwegfreigabe für mich als Radlerin. Hat man also an uns gedacht. Löblich! Allerdings endete der Gehweg an sechs Stufen. Da hebe mal die Lastenradfahrerin ihr Lastenrad hoch. Auch Pedelecs sind vor allem für ältere Menschen zu schwer. Also doch nicht an uns gedacht oder sich dabei ins Fäustchen gelacht. Alle Radfahrenden benutzten den linken Gehweg, der in dieser Richtung nicht freigegeben war. Und wieder sind wir illegal unterwegs. Eine Vorwarnung an der Ecke Moserstraße gab es übrigens nicht. Man radelte hinein in die Sperre, aus der es keinen legalen Ausweg gab, es sei denn, man kehrte um oder man schiebt. Wobei Lastrenräder schwer zu schieben sind.
Anfang Oktober gab es eine Baustelle auf dem Geh- und Radweg zwischen Wolframstraße und Nordbahnhofsttraße. Der Gehweg, der auch Radweg ist, war durch Gitter versperrt, die man hier beiseite gestellt sieh. Es sind die üblichen Schilder aufgestellt: Fußgänger verboten und Radfahrer verboten. Und sie stehen auch noch so, dass man sie sieht und eigentlich befolgen müsste. Zwar stehen sie links, aber auch das Radwegschild, das noch ausgeixt ist, steht links. Der Radler sagt sich, okay, Gehweg/Radweg gesperrt, also kann ich ja nicht anders als auf der Fahrbahn der Heilbronner Straße weiter zu radeln. Aber auch das verbietet dieses Fahrrad-verboten-Schild. Es verbietet nämlich das Radeln auf dem gesamten Verkehrsraum links daneben.
Und weil alle Radfahrenden und Fußgänger:innen die Erfahrung machen, dass solche Verkehrszeichen unglaubwürdig sind, müssen Strecken, die man aus Sicherheitsgründen unbedingt für den Rad- und Fußverkehr sperren will, immer massivere physische Sperren bekommen, die man teils mit Schlössern sichern muss, damit sie nicht beiseite geschoben werden. Mit anderen Worten: Wenn wir ständig die Erfahrung machen, dass die Verkehrszeichen, die uns auf steile Umleitungsstrecken (oder an Treppenaufgänge) zwingen, grundlos da stehen, dann hören wir auf, solche Verkehrszeichen ernst zu nehmen. Wir denken: Wieder mal vergessen abzuräumen oder Radfreigabe vergessen.
Zu der Sammlung unglaubwürdiger Verkehrszeichen gehört auch dieses Schilderbündel, das 2024 zur EM am Eingang zur Fahrradstraße Eberhardstraße stand. Es verbietet dem Kraftvekehr zwischen 10 und 13:30 Uhr durchzufahren. (Dabei ist das eine Fahrradstraße, Autos und Motorräder dürfen sowieso nicht rein.) Daneben steht außerdem das allgemeine und für alle Fahrzeuge (auch Fahrräder) geltende Durchfahrtsverbotsschild für denselben Zeitraum. Aus irgendeinem Grund wurde die Straße aber für E-Scooter freigegeben. Und sie war auch durchgängig befahrbar. Da radelten Radfahrende dann mit einem großen "Hä?" im Kopf einfach weiter.
Zufällige Fahrbahnsperrungen, die wahrscheinlich irgendwie anders gemeint sind, aber laut Verkehrsregel auch für den Radverkehr gelten, kommen übrigens häufig vor,
zum Beispiel Hofener Straße oder
Lautenschlagerstraße. Der Effekt ist, dass Radfahrende gerade diese Durchfahrtsperren notorisch missachten.
Es gibt auch paradoxe Beschilderungen. An der Baustellte für den Rosensteinbrückensteg gibt es die uns bekannte Umleitung für den Radverkehr. Aber sie ist in die eine Richtung als Gehweg Rad frei ausgeschildert und in die andere als gemischter Geh- und Radweg. Das macht einen Unterschied. In die eine Richtung dürfen wir nur Schrittgeschwindigkeit radeln, in die andere in unserer, dem Fuß- und Radverkehr angemessener Geschwindigkeit. Auf dem Geh- und Radweg müssen Fußgänger:innen uns Platz einräumen, auf dem Gehweg, der für uns nur freigegeben ist, nicht, und wir dürfen sie nicht wegbimmeln.
In sich widersprüchlich ist auch diese Beschilderung an der fast fertigen Baustelle Peregrinabrücke in Degerloch. Wir sehen links von unserer Fahrbahn das Verkehrzeichen "gemeinsamer Geh- / und Radweg", darunter hängt "Radfahrer absteigen" und darunter ein Schild für Fußgänger:innen mit Pfeil nach rechts auf den Gehweg. Auf so eine Kombination muss man erst einmal kommen. Stimmig ist hier nichts, und am besten Augen zu vor dem Schild und Augen auf und auf Fußgänger:innen achten, die nicht auf den Gehweg hochgestiegen sind. An dieser Stelle hätte man überhaupt kein Verkehrszeichen aufstellen müssen. Autofahrende kommen nicht durch und für Radfahrende gilt immer die Fahrbahn als Fahrweg.
Damit wir Radfahrenden den Verkehrszeichen wieder glauben lernen, sollten sie in sich schlüssig sein und sofort entfernt werden (oder so weggedreht werden, dass sie nicht mehr gelten), sobald der Grund für die Sperrung weggefallen ist.
Übrigens: Die für die Hauptradroute 1 so wichtige Fläche vor der Oper ist leider Verfügungsfläche für diverse Veranstaltungen geworden und wird mehrmals im Jahr unterbrochen. Die dann ausgewiesene Umleitungsstrecke führt über die B14 hinweg hoch zur Urbahnstraße. Für Planer:innen, die auf den Stadtplan gucken, sieht die Umleitung nicht nach Umweg aus. Was sie aber unangenehm macht, sind die beiden längeren Anstiege, egal von welcher Seite man kommt, und die Tatsache, dass man an beiden Enden jeweils mehrzügige Ampelanlagen überwinden muss, um über die B14 zu kommen. Die Anstiege machen Pedelecradelnden vielleicht nichts aus, aber für die Leute mit Standardrädern sind sie vor allem dann ein Hindernis, wenn sie die HRR1 radeln, weil sei weitgehend eben ist.

Am oben erwähnten Wochenende im September war die Urbanstraße - die Umleitungsstrecke - überdies wegen einer Baustelle komplett gesperrt. Auf ganzer Breite. Den Radfahrenden blieb nur eine schmale Vorbeifahrt über einen Gehweg, der dafür nicht einmal freigegeben war. Die meisten Radfahrenden verstanden die Umleitungsschilder so, dass sie genau in diese Sperrung hinein fuhren.
Wer das wusste und über die Moserstraße die parallele Olgastraße ansteuerte und dann unten die Charlottenstaße überqueren wollte, stieß dann auf auf eine komplette Sperrung der Olgastraße Richtung Süden, konnte nicht geradeaus fahren, sondern musste nach links die Charlottenstraße rauf bis Alexander- und Dannecker-Straße radeln. Dass dies kein unkritischer Weg ist, weil Autofahrende hier nicht mit Radfahrenden rechnen, zeigt ein Crash, der am 23. September an der Einmündung Blumenstraße passiert ist. Ein Auto und ein Fahrrad berührten sich, der Radler stürzte. (Ob die Autofahrerin den Abstand nicht wahrte oder der Radfahrer seine Spur nicht, ist ungeklärt.)
Es ist dringend Zeit, dass die Stadt auf einer der vielen Fahrspuren der B14 dem Radverkehr eine Standard-Umleitung anbietet. Sonst könnten wir den Eindruck gewinnen, der Radverkehr sei grundsätzlich weniger wert als der Autoverkehr. Den Autoverkehr auf der B14 unterbricht man ja auch nicht mehrmals im Jahr komplett und schickt Autofahrende auf unangehme Umleitungsstrecken. Das gleiche gilt übrigens für die Tübinger Straße, die auch gern für was anderes benutzt wird. Dann müssen Radfahrende ebernfalls wieder bergauf eine Umleitung über den Heusteig fahren. Auch hier braucht es eine Standard-Umleitungsstrecke für den Radverkehr auf einer der vier Fahrspuren der Hauptstätter Straße. Denn Fahrradstraßen sind keine Reserveflächen für Stadtfeste und Festumzüge, für die man keine Autostraßen sperren will.
Stuttgarts Radfahrer stehen mit diesem Problem nicht allein da. Bei uns in Mannheim ist es genauso. Ich weiß ja nicht, ob die Anordner der Schilder oder die Ausführenden die Unfähigen sind. Die schwachsinnige Beschilderung zeiht sich allerdings auch in den Autoverkehr hinein. Und Reklamationen, die Beschilderung betreffend, werden nur zügig bearbeitet, wenn sie relevante Vorfahrtsbeziehungen betreffen, bei denen man die Stadt in Regress nehmen kann. Der Rest des Schwachsinns steht monatelang rum. Da wundert man sich nicht mehr, warum sich keiner mehr an Schilder hält. Umleitungen für Radfahrende landen gerne mal im Nirvana oder an Treppen, oder werden mit einem Gehwegschild mitten in der Strecke unterbrochen. Gerne werden sie auch über längere Strecken als Gehweg mit Radfreigabe beschildert. Ich denke dann immer an das Gerichtsurteil, bei dem, einfach ausgedrückt, jemand geurteilt hat, dass Radfahrende keine Fußgänger sind, die ein Rad dabei haben und damit Schiebestrecken in einer Umleitung auch keine adäquate Umleitung darstellen. Wenn keine Umleitung angeboten wird, kann ich auch jeden verstehen, der dann auch Absperrungen beiseite räumt. Nicht jeder Radfahrende ist auch ortskundig. Ich kenne mich doch nicht in der ganzen Großstadt im Detail aus und soll dann verkehrskonform im Pfadfindermodus eine Strecke finden, wo fast alles fürs Auto ausgelegt ist. Ich habe das schon so oft bei der Stadt reklamiert, aber es tut sich nichts. Was nutzen mir die ganzen Aktionen wie Parking Day, Radparade, Monnembike etc., wenn das Drumherum nichts taugt.
AntwortenLöschenKarin
stimmt, Stuttgart ist hier leider nichts besonderes. Auch in München gibt es ähnliche Zustände: Radhauptrouten führen durch Bereiche die mehrmals wegen Veranstaltungen gesperrt werden (z.B Olympiapark), im Regelfall werden gar keine Umleitungen ausgeschildert, also auch keine schlechten oder unbrauchbaren. Es wird wegen Baustellen gesperrt an denen man wunderbar vorbei kommt und falls es eine Umleitung gibt, bietet die keinen Vorteil gegenüber durch die Baustelle zu schieben oder mit Schritttempo zu fahren. Schiebestrecken innerhalb einer Baustelle kann ich noch irgendwie akzeptieren, aber Schiebestrecken auf einer ausgewiesenen Umleitung gehen gar nicht. Kein Mensch käme auf die Idee eine KFZ Umleitung durch eine 1,9m hohe Unterführung zu legen, und wer da nicht durch passt muss umdrehen und hat hoffentlich ein Navi dabei um sich selbst einen Weg zu suchen
LöschenIn vielen Jahren Radfahrern lernt man, dass wenn ein Weg nicht explizit auch für Fußgänger gesperrt ist, man mal probieren kann da durch zu kommen, zumindest wenn man ein Rad hat, dass man notfalls auch über Stufen tragen kann. Das ist allemal besser als sich eine Alternative zu suchen. Auf der Suche nach der richtigen Umleitung bin ich mit dem Rennrad des Öfteren auf Kraftfahrstraßen gelandet, und wenn man noch 150km zu fahren hat, dann fehlt Zeit und Energie um wegen 100m Sperrung eine halbe Stunde herumzuirren ohne weiter zu kommen.
Gehwege mit Freigabe für Radfahrer taugen eigentlich nie, weder als Umleitung noch als Alternative zur Fahrbahn, ich kennen niemanden der auf solchen Wegen wirklich Schritttempo fährt und daher ist man dort immer schon regelwidrig unterwegs. Die Existenz solcher Wege ist aber die Begründung warum nichts Besseres angeboten werden muss und warum man auf der Fahrbahn nichts verloren hat.
Radverkehr wird halt leider immer noch als Freizeitspaß wahrgenommen, die Erkenntnis, dass Radverkehr im Modalsplit (z.B München 2023) inzwischen fast zum dem MIV aufgeschlossen hat ist bei den Planern noch nicht angekommen. (Fahrten: 24% MIV, 21% Rad, Strecken: 48% zu 14%) ´
Daher wird für Radfahrer eben nicht so ausgeschildert wie für ortsunkundige Verkehrsteilnehmer die ein bestimmtes Ziel in einer planbaren Zeit erreichen wollen.