1. September 2025

Der lange Kampf des Radlers um ein richtiges Verkehrszeichen

Blogleser Stefan pendelt mit dem Fahrrad zwischen Tübingen und Reutlingen. Dabei muss er durch Wannweil.  Zweieinhalb Jahre lang versuchte er, die Gemeinde dazu zu bewegen, dass sie eine falsche Beschilderung ändert. Nun hat er es geschafft. 

Die Ausgangssituation bis vor wenigen Tagen: Man radelt in Wannweil Richtung Tübingen auf der Fahrbahn der Hauptstraße durch einen Kreisverkehr und soll dann auf der Kirchentellinsfurter Straße fünfzig Meter nach der Ausfahrt aus dem Kreisverkehr auf den Gehweg hoch fahren, weil da das Verkehrszeichen "gemischter Geh- und Radweg" steht, der zudem als Zweirichtungsradweg ausgewiesen ist. Das Schild steht vor der Stelle, wo der Gehweg durch ein Baumbeet verengt wird. Allein das ist ärgerlich, würde Stefan doch lieber auf der Fahrbahn weiter radeln. 

Doch nun wird es wild.

30. August 2025

Das Fahrrad weist in die Zukunft - technisch und sozial

Wenn wir das Wort "Radfahrer" ausstoßen, mal neutral, mal wutschnaubend, denken wir an den Mann mittleren Alters in Radklamotten auf einem Rennrad oder Trekking-Pedelec, der sich zwischen Autos durchschlängelt und Fußgänger:innen schneidet. 

Vor gut fünfundzwanzig Jahren waren hauptsächlich diese Radler unterwegs, erprobt, unerschrocken, sportlich, jedem Wetter trotzend, beispielsweise als Radkuriere oder als seltene Exemplare, die ihre Wege zur Arbeit mit dem Rad zurücklegten. Dann kamen die Pedelecs und brachten zuerst die Frauen aufs Fahrrad, die sich die Bergfahrt mit dem Normalrad nach oder zur Arbeit nicht vorstellen konnten. Alsbald entdeckten auch jugendliche Mounteinbiker den Elektroantrieb für sich, denn man muss ja hoch kommen, bevor man down hill fährt. Dann liehen sich Männer von ihren Ehefrauen mal das Pedelec aus, wenn sie eine weitere und steilere Strecke vor sich hatten, und kauften sich nach kurzer Zeit selber eines, weil man damit halt auch im Alter öfter und weiter radelt. Gleichzeitig kamen die E-Lastenräder auf, mit denen man Kinder (und Einkäufe) transportieren kann. Sie wurden und werden immer noch subventioniert, weil sich manche Familien damit ein Auto oder das Zweitauto sparen. Hochaktuell sind inzwischen große zweispurige Lastenräder (für Lieferdienste) und Spezialräder (alle mit E-Antrieb) für Menschen mit körperlichen Behinderungen. Tandems sind nicht mehr nur einspurig, sodass man hintereinander sitzt, sondern mittlerweile auch zweispurig fürs nebeneinander sitzen. Es gibt Rikschas, in denen man auf einer Bank vor sich zwei Erwachsene tranportieren kann, und Räder, mit denen man einen Menschen im Rollstuhl durch die Stadt fährt. Bald wird es vermehrt wettergeschützte Pedelecs geben, die aussehen wir kleine Autos.

Es gibt keinen Mobilitätssektor, in dem in kurzer Zeit so viele Innovationen hervorgebracht wurden, wie der E-Radsektor.

28. August 2025

Warum verstoßen wir gegen Vekehrsregeln?

Der Straßenverkehr ist komplex, und wir dürften uns alle einig sein, dass es Regeln braucht, damit alle irgendwie unbeschadet vorankommen. Zugleich ist kaum etwas so normiert wie der Straßenverkehr. Wenn wir uns in ihm bewegen, müssen wir etliche Regeln beachten. 

Wir machen aber alle die Erfahrung, dass sich nicht nicht alle - auch wir selbst nicht - an alle Regeln halten, die der Gesetzgeber aufstellt. Manche Regeln werden grundsätzlich anerkannt, aber dennoch missachtet, wenn man für sich eine gute Begründung dafür hat, etwa fürs Parken im Parkverbot oder schneller fahren als erlaubt. Radfahrende und Gehende wiederum überqueren eine Straße immer mal wieder bei Rot, wenn sie für sich keine Gefahr sehen. Eine Diplomarbeit von Fabian Kühne von 2007 (hinter Bezahlschranke) geht der Frage nach, wie es dazu kommt, dass Verkehrsteilnehmer:innen sich mehr oder weniger an Verkehrsregeln halten und was notwendig wäre, damit sie sich regelkonform verhalten. Menschen halten Regeln besser ein, wenn sie eine Belohnung dafür kriegen, das ist aber im Straßenverkehr nicht der Fall. Folglich wirkt vor allem die Angst vor der Härte einer Strafe.

Ein erster Grund für Regelverletzungen, der für alle gilt, ist, dass wir nicht am Straßenverkehr teilnehmen, weil wir unbedingt Teil dieses Spiels und seiner Spielregeln sein wollen, sondern weil wir von A  nach B wollen und keine andere Wahl haben. Dabei lernen wir: Das Sanktionsrisiko bei den meiten Verstößen ist gering, sie bleiben in der Regel folgenlos. Der Gewinn durch einen Regelverstoß erscheint uns höher als das Risiko einer Verlusterfahrung durch Strafe. Das kann eine Präferenz für regelwidriges Verhalten erzeugen. Hinzu kommt, dass die Sozialkontrolle im Straßenverkehr fast völlig fehlt. Man agiert allein und weitgehend anonym. Und mit Moral verbinden wir die Beachtung von Verkehrsregeln auch nicht. 

26. August 2025

Keine Gnade für den Fußverkehr

Ich stand mal eine Weile an der Gablenberger Hauptstraße vor dem Bioladen gegenüber dem  Aldi. Und ständig überquerten Leute genau hier die Gablenberger Hauptstraße. Weil hier eine Einfahrt ist und keine Autos parken.

Sie müssen schauen und warten, weil viele Autos fahren. Da fehlt ein Zebrastreifen, sagte ich zu der Radlerin, mit der ich dort unterwegs war. Den habe die Stadt abgelehnt, antwortete sie, weil man zwischen zwei so dicht beieinander stehenden Ampeln mit Fußgängerfurten keine Zebrastreifen lege, dann müssten die Autos ja ständig anhalten. 

Ich habe mir das auf dem Stadtplan Stuttgart angeschaut und ausgemessen. Die beiden beampelten Fußgängerfurten liegen ziemlich genau 200 Meter auseinander, je hundert Meter in die eine oder andere Richtung von dem Punkt aus gesehen, wo die Leute gerne rübergehen wollen.  

24. August 2025

Warum fahren so viele Radler:innen falsch?

Für Autofahrende ist die Verkehrswelt in dem Punkt einfach, als sie immer für sie asphaltierte und mit Seitenbegrenzung versehene Fahrbahnen vor sich sehen. Sie wissen immer, welche Flächen für sie dem Fahren dienen. 

Das gilt für Radfahrende nicht. Einfach wäre die Welt auch für sie, wenn sie wüssten, dass sie immer auf der Fahrbahn radeln und, wenn sich dort Radfahrstreifen vorfinden, diese hinter Kreuzungen und Einmündungen auch weitergehen. Wenn also die Radinfrastruktur immer gleich und durchgängig wäre so wie die Autoinfrastruktur. Aber so ist es nicht. Radwege sind kurz, sie hören plötzlich auf und werfen uns in den Autoverkehr, schicken uns zu Fußgängerampeln oder locken uns auf freigegebene Gehwege. Mal beginnt fünfzig Meter hinter der Kreuzung wieder ein Radfahrstreifen, und manchmal ist nicht erkennbar, wo es für uns weitergeht, allemal dann nicht, wenn wir rollen und nicht anhalten können, um zu gucken. 

Die Radinfrastruktur ist auch in Stuttgart alles andere als intuitiv erkennbar und erfassbar. Ein Beispiel: 

22. August 2025

Das große Leuzekreuz

Von Autobahnkreuzen inspiriert scheint mir die Organisation der Radwege beim Leuze an der König-Karls-Brücke. 

Es hat durchaus was: viel Asphaltfläche, sich in die Ferne schlängelnde Radfahrspuren mit Pfeilen, durchgezogene Mittellinien, gestrichelte Seitenlinien, Zu- und Abfahrten, eine auf den ersten Blick nicht erfassbare Führung zu und von Abzweigen und eine extra Abfahrt zum Rastplatz (Vierbild rechts unten), also zu Radparkplätzen. Alles großzügig angelegt, wenn auch auch im Kleinformat, ein bisschen wie in einer Verkehrsschule. Was das Ganze von einer Verkehrsschule unterscheidet - in der Fahrräder die Autos symbolisieren - ist das völlige Fehlen von Verkehrszeichen und großem Wegweisern. 

20. August 2025

Die Münchner Posse - Wenn ein Radschnellweg massenhaft benutzt wird.

In Oberhaching hat man in einem Wald eine Geradausstrecke asphaltiert und als Radschnellweg ausgewiesen, jedenfalls an einigen Stellen. Er wird gern und viel genutzt, auch von vielen Rennrädern. Zoff gibt es von Anfang an. 

Er ist absichtlich so schlecht geplant, dass er an einem Biergaren vorbeiführt, wo die Parkplätze auf der anderen Straßenseite liegen und deshalb Menschen zu Fuß rüberschusseln.  Ein hausgemachtes Problem, weil man dachte, die Radler sollten dich am Biergarten entlanggeführt werden, damit sie einkehren. Ich habe über die Posse schon mal geschrieben. Wobei die Bilder, die die Süddeutsche Zeitung zeigt (siehe Foto oben), kein höheres Radverkehrsaufkommen zeigt als wir beispielsweise an einem schönen Samstag im Schlossgarten haben. Mich beeindruckt die Situation nicht, das können wir alles in Stuttgart schon lange. Und dass ein extra asphalttierter schnur gerader Weg durch den Wald für Radfahrende auch von Radfahrenden genutzt wird, gern und häufig, sollte ja nicht erstaunen. Was man halt vom Autoverkehr nicht kennt: Im Radverkehr gibt es immer unterschiedliche Geschwindigkeiten je nach Radtyp und Radfahrtyp (Normalrad, Rennrad, Pedelec, Familienausflug oder Rennradgruppe).

Für alle - auch Radfahrende - ist am Biergarten Tempo 10 angeordnet, und Bodenschwellen sollen die Radler rabiat runterbremsen. Vermutlich beschleunigen sie nach den Schwellen wieder, jedenfalls werden vor allem die Rennradler:innen als zu schnell empfunden. Und darüber beschweren sich auch viele, was die Süddeutsche Zeitung dankbar aufnimmt. Der Bürgermeiser ist genervt und fantasiert in der Zeitung, dass man den "radenden Radlern" zu Strafe dann halt mal das Fahrrad wegnimmt. 

Das ist durch kein Recht gedeckt.