12. März 2018

Wir lieben unser Fahrradstraße und möchten sie behalten.

Wir wollen sie nicht dem Autoverkehr überlassen, auch und gerade nicht im Sommer, wenn Eltern mit ihren Kindern mal in die Stadt radeln können. 

Die Tübinger Straße ist erst seit knapp zwei Jahren zur Fahrradstraße umgewidmet worden, zunächst zur Probe, seit Herbst vergangenen Jahres dauerhaft.

Sie hat sich schön entwickelt. Es fahren weniger Autos durch, dafür hat der Radverkehr deutlich zugenommen. Denn man kann nebeneinander radeln, Räder haben Vorrang, Autos sind dort nur zu Gast. Das hat der Straße insgesamt gut getan, Cafés eröffnen, viele Fußgänger sind unterwegs. Diese 750 Meter lange Fahrradstraße ist Teil der Hauptradroute 1, der zentralen Tallängsstrecke für Stuttgart, die Vaihingen, Dachswalt, Kaltental, Heslach und Stuttgart Süd mit der Innenstadt verbindet. Wir lieben sie, trotz ihrer kleinen Schwächen. Und wir wollen sie behalten! Dafür haben wir am Samstag demonstriert.
Es ist die einzige Straße von nennenswerter Länge, auf der wir nebeneinander radeln können und ein Dritter Radfahrer uns dann sogar noch überholen kann. (Für Autofahrer eine Selbstverständlichkeit, zwei- oder dreispurige Fahrbahnen in einer einzigen Richting , wo sie einander überholen können.) Und dieses kleine Stuttgarter Wunder für Radfahrende ist in Gefahr. Nicht auf ganzer Länge, aber doch auf knapp 300 Metern, nämlich zwischen Feinstraße und Kottastraße. (Sachverhalt: siehe unten.)

Dagen haben  am Samstagnachmittag bei Nieselregen zwischen 98 und 105 Radfahrende demonstriert, mit Liegerädern, mit Rennrädern, Pedelecs, Trekkingrädern und einem Lastenrad, auf dem ein Sarg stand. Mit dem haben wir - damit wir nicht die Fahrradstraße begraben müssen - die Pläne der Stadt begraben, die Autosperre an der Feinstraße wieder aufzumachen und den Verkehr von der Paulinenbrücke über die Fahrradstraße zu leiten, wenn auch nur für sechs Wochen im Sommer, das aber drei Sommer lang. Mit dabei unter anderem Thijs Lucas vom Zweirat, Frank Zühlke vom ADFC, ich von Radfahren in Stuttgart und Thomas Adler von SÖS-Linke-Plus.

Hier das Video:



Der Sachverhalt.

Weil der Österreichische Platz für den Autoverkehr saniert werden muss, sollen die Autos, die über ihn nach rechts auf die Hauptstätterstraße abbiegen wollen, über die Silberburgstraße auf die Tübingerstraße und durch die Cottastraße dorthin umgeleitet werden. Eine Bundesstraße fährt über die Fahrradstraße. Auf dem Abschnitt werden die Radler an den Rand auf Radfahrstreifen gedrängt. Die Fahrrastraße muss damit aufgehoben werden. Weil die Autos zweispurig über die Cottastraße geführt werden, fallen dort die Parkplätze weg und für Radfahrende wird ein roter Radfahrstreifen von der Hauptstätter Straße Richtung Tübinger Straße gelegt (in umgekehrter Richtung allerdings nicht, das stehen Radler dann im Autostau.)
Weil der Abschnitt der Fahrradstraße dann außerdem Einbahnstraße Richtung Cottastraße wird, müssen alle Autos, die vom Marienplatz her kommen an der Schleuse bei Dinkelacker nach rechts in die Cottastraße abbbiegen.

Außerdem, und das tut uns Radfahrenden wirklich weh, soll die Autosperre an der Feinstraße wieder aufgemacht werden. Dann können Autos von der Fangelsbachstraße Richtung Gerber durchfahren. Und wer von der Silberburgstraße kommt, kann auch wieder durchrollen. 2014 durften Autofahrer nur rechts abbiegen, und der Radfahrstreifen lag auf der linken Seite. Jetzt dürfen Autofahrer geradeausfahren und rechts abbiegen, und der Radfahrstreifen liegt auf der rechten Seite. Rechtsabbiegende Autofahrer "übersehen" leider gern immer mal wieder Radfahrende auf rechten Radfahrstreifen.

Ampelanlagen "zum Schutz der Radfahrer" soll es übrigens auch noch geben. Das heißt auch: Warten für Radfahrende, damit Autos rollen können. 

Das konterkariert das Prinzip der Fahrradstraße (die hier ja auch aufgeboben werden muss). Hier ein Video aus Hamburg, das erklärt, was eine Fahrradstraße ist und für Radfahrende bedeutet.

Ich habe bereits Umleitungs-Alternativen vorgeschlagen. So könnte man den Verkehr von der Paulinenbrücke über die Marien- und Hohenstaufenstraße zum Marienplatz umleiten. Und wenn das Argument zu stark erscheint, dass da ein Bus fährt und dann im Stau stünde, dann gibt es noch eine viel einfachere Möglichkeit:
Man lässt alle Autos, die noch über die Paulinenbrücke zum Östserreichischen Platz kommen, dort links auf die Hauptstätterstraße abbiege und am Wilhelmsplatz einen U-Turn machen (dafür ist eine Stelle vorgesehen). Wer zum Heslacher Tunnel will, fährt geradeaus zurück, wer zu den Parkhäusern in der Feinstraße und am Gerber will, wird über die Sophien-, Gerber- und Paulinenstraße in die Tübingerstraße zur Feinstraße geführt. Das dürfte das Verkehrsaufkommen nicht nennenswert verändern, weil die Autos bisher über die Feinstraße auch kamen.

Die Silberburgstraße allerdings, darauf hat der ADFC hingewiesen, muss man während der Zeit mechanisch sperren, damit die Autofahrer nicht trotzdem dort runter fahren.

Diese Umleitungsmaßnahmen sind nach Aussagen der Stadt immer nur in den Sommerferien geplant. Erste Umbauten sollen in den Pfingstferien beginnen. Wenn man sich die Fahrbahnmalerei - da kommen entweder ganz rote oder teils rote Radfahrstreifen hin - so anschaut, kann man sich schwer vorstellen, dass sie nach den sechs Wochen wieder entfernt und im kommenden Sommer wieder angebracht werden. Diese Fragen werden wir aber im UTA (Ausschuss für Umwelt und Verkehr des Gemeinderats) stellen können, wenn das Tiefbauamt dort die Pläne mündlich vorstellt. Ein Termin dafür ist mir noch nicht bekannt, aber ich werde ihn mitteilen, denn Sitzungen der Ausschüsse sind öffentlich.

Übrigens allen, die uns in den letzten Wochen und Tagen verspottet haben und sicherlich auch künftig noch  verspotten, weil wir uns so anstellen wegen sechs Wochen sei gesagt: Die Tübinger Straße ist für uns als Fahrradstraße das, was für den Autoverkehr die parallele Hauptstätter Straße ist: unsere Hauptstraße. Und wir haben nur diese eine. Uns ausgerechnet in den Sommerferien, wo der Papa mit der Tochter mal in die Stadt radeln könnte, dieseln da Autos überall lang. Aber auch andere, die im Sommer das Fahrrad ausprobieren und beginnen, es für sich zu entdecken, sind wieder weg, sobald sie auf der Hauptradroute mit Autos um den Platz rangeln müssen.  Das wirft nicht nur diese Fahrradstraße, sondern auch den Radverkehr in Stuttgart um drei Jahre zurück. Das ist Politik gegen das Fahrrad als Alternative zum Auto.

Und, liebe Autofahrer/innen bedenkt: Autos haben viele große breite Straßen, wo sie nebeneinander fahren und oft sogar einander sogar noch auf einer dritten Spur überholen können. Wir haben nur diese eine, knapp 800 Meter lange Straße, wo wir das können. Wenn wir als Ausweichstrecke mal eine Spur eurer Hauptstätter Straße bräuchten, würdet ihr sie uns Radfahrern dann überlassen, auch nur für sechs Wochen im Sommer? Nur wer diese Frage mit Ja beantwortet, mag uns verspotten.

Wir bleiben dran: Zweirat, ADFC, VCD, Greenpeace, Radfahren in Stuttgart und im Gemeinderat Grüne und SÖSLi-Plus.




2 Kommentare:

  1. Rainer Dobrinkat12. März 2018 um 14:08

    Liebe Christine, Danke an Zweirat, ADFC, VCD, Greenpeace, Radfahren in Stuttgart und die Gemeinderäte von Grüne und SÖSLi-Plus für Ihren Einsatz für die Fahrradstr. Ich denke, es muss ein Umdenken in den Köpfen der Mitarbeiter des Tiefbauamts gegeben. Ich habe die Zustände an der Heilbronnerstraße während des U12 Tunnelbaus erlebt. Dort wurden ohne Genehmigung der Straßenverkehrsbehörde Radwegschilder entfernt und Radwege gesperrt. Die Verstöße führten dazu, dass das Ordnungsamt einschreiten musste um das Tiefbauamt aufzufordern, sich an die Anweisungen der Straßenverkehrsbehörde zu halten. Verrückte Situation! Aber selbst danach wurde es nicht besser. Es fehlt bei den Mitarbeitern einfach das Bewusstsein, dass es außer Kraftfahrzeugverkehr noch andere Verkehre gibt. Z.b. Radverkehr. Dieser wird leider nur als Verfügungsmasse angesehen. Als Verkehrsteilnehmer 2. Klasse. Stört er nicht zu sehr, bekommt er eine Fahrradstr. zugesprochen. Sobald es aber zu Einschränkungen wegen Baustellen für den MIV kommt, hat der Radverkehr zurückzuweichen und dem MIV Platz zu machen. Das führt dazu, dass man als Innenstadtbewohner manchmal auf das Auto zurückgreift, weil es mit dem Fahrrad einfach zu kompliziert wird. Obwohl im konkreten Einzelfall das Fahrrad das richtige Verkehrsmittel gewesen wäre. Manchmal fühle ich mich da wirklich auch in meiner mobilen Freiheit eingeengt, nicht frei wählen zu dürfen. Dem Fußverkehr ergeht es übrigens keineswegs besser. Ich finde den Vergleich mit der Hauptstätterstr. sehr schön, zeigt er doch auf, welche Bedeutung die Fahrradstr. hat. Im Übrigen habe ich bisher nicht verstanden und auch nirgendwo gelesen, warum die Alternativvorschläge vom Tiefbauamt abgelehnt werden?

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    1. Vielleicht werden sie ja letztlich gar nicht abgelehnt. Mal sehen. Aber mir haben schon einige gesagt, Autoumleitung über die Hohenstaufenstraße und Marienplatz gehe nicht, weil dann der Bus im Stau stünde. Ob die Busse da allerdings auch 3.000 Passagiere transportieren?) Deshalb auch der Vorschlag, die Autos dann eben alle über den U-Turn am Wilhelmsplatz zu schicken. Da stehen sie dann zwar auch im Stau, aber so ist das halt. Sie müssen sich jedenfalls nicht auf der Fahrradstraße stauen.

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