3. November 2018

Ein schönes Ampel-Rätsel

Blogleser Michael aus Gablenberg hat der Sammlung von kuriosen Ampeln für Radfahrende noch eine hinzugefügt. Jeden Tag, wenn er die Aspergstraße hochfährt und an die Planckstraße kommt, fragt er sich, wie er sich verhalten muss. 

Die Autos haben eine Haltelinie,  von der aus sie auf die Autoampel schauen. Der Radler sieht hinter dem Fußgängerüberweg (und damit knapp hinter der Autoampel) aber einen Aufstellplatz für Radler. Soll er nun dorthin fahren, an der roten Autoampel vorbei? Vor allem aber durch die Fußgänger hindurch, die gerade grün haben? Tut er das, sieht er rechts (weißer Pfeil auf dem Foto) auf dem Gehweg eine kleine Radlerampel. Aha. Also ist er richtig. Beide Ampeln werden gleichzeitig grün.

Michael hält jedoch vorsichtshalber an der roten Autoampel, also an der Haltelinie für Autos. Muss er das?
StuttgartMaps
Wozu hat man denn den Aufstgellplatz für Radler hinter dem Fußgänerüberweg direkt an der Querstraße geschaffen, wenn nicht dafür, dass die Radler vorne stehen und zuerst wegkommen? Aber eine rote Autoampel missachten, um an die Haltelinie der roten Radlerampel zu gelangen? Darf man das?

Das ist wieder ein sehr schönes Rätsel für uns Radler. 
Denn eigentlich müssen sich Radfahrende immer und ausschließlich nach Radlerampeln richten. Nur wenn die nicht vorhanden sind, müssen sie die Autoampeln beachten. (Fußgängerampeln gelten nie.) Hier ist nun ausnahmsweise mal eine Radlerampel, also muss  der Radler die Autoampel nicht beachten.

Vorgezogene Aufstellplätze für Radler, also hinter der Haltelinie für Autos, sind durchaus üblich. Allerdings wird das auf der Fahrbahn dadurch angezeigt, dass die Haltelinie für Autos durch einen Radstreifen unterbrochen (oder aufgelöst) wird, etwa so, wie auf dem Foto von der Neckarstraße.

Das ist an der Gablenberger Ampel  nicht der Fall. Die Haltelinie ist über die ganze Fahrbahnbreite durchgezogen. In der Anlage zu §  41 der StVO steht unter Punkt 67, der Haltelinie (bei einem Stoppzeichen): "Wer ein Fahrzeug führt, muss hier anhalten. Erforderlichenfalls ist an der Stelle, wo die Straße eingesehen werden kann, in die eingefahren werden soll (Sichtlinie), erneut anzuhalten." Fahrräder sind Fahrzeuge, also müssen sie an der Haltelinie für Autos anhalten.

Allerdings ist das Überfahren einer Haltelinie noch kein Rotlichtverstoß (Siehe auch Anmerkung ganz unten*). Allemal hier nicht, weil die Autoampel ja hinter der Fußgängerfurt aufgestellt ist. Bis dort heran kann man also radeln, ohne dass die Polizei einen wegen eines Rotlichtverstoßes belangen kann. (Was für Autofahrer gilt, sollte auch für Radler gelten). Und sobald man die rote Ampel erreicht hat, ist man mit dem Vorderrad ja schon auf dem erweiterten Aufstellplatz für Radler mit Radlerampel. Also alles gut.

Aber so einfach ist es doch nicht. Man passiert nämlich einen Fußgängerüberweg, auf dem die Fußgänger gerade Grün haben. Also hat man durchaus "den eigentlichen Schutzbereich" passiert,  vor dem die Autoampel Rot zeigt, nämlich querende  Fußgänger. Also könnte das womögtlich eben doch als Rotlichtverstoß gewertet werden. Das käme letztlich auf einen Gerichtsprozess an.

Übrigens, schlecht finde ich diese lustige Ampelkonstruktion nicht, eigentlich sogar ganz gut. Mit querenden Fußgängern können wir Radler gut umgehen, sie werden durch uns auch nicht gefährdet. Und wir stehen vorn und sind weg, bevor die Autos ihren Massenstart beginnen. Nur eindeutig ist das Ganze eben nicht. Radfahrende müssen hier eine von zwei Regeln verletzen: 1. An Haltelinien muss man halten. 2. Radfahrer müssen sich nach Fahrradampeln richten, wenn es welche gibt. Das Gespräch  Polizei würde ich gern führen, wenn die mich rauszöge, weil ich die Haltelinie überfahren habe, um an der Fahrradhaltelinie zu halten. Vielleicht wüssten die Beamten eine klare Antwort.

Und damit Feuer frei für eure/unsere Schwarmintelligenz. Ich bin gespannt, was ihr schreibt. Michael ist auch gespannt. 

Ein Vorschlag in den Kommentaren: Es könnte sich um eine indirekte Linksabbiegefläche für alle, die von der Schwarenbergstraße kommen, handeln. Auf der Karte oben sieht man, dass Radler dort rechts eine Radspur mit vorgezogener Aufstellfläche haben. Wer nach links abbiegen will, muss diese Radspur verlassen. Wer sich das nicht traut, könnte sich in der Tat auf der Fläche in der Aspergstraße aufstellen. Allerdings zeigen die Pfeile dort auf Geradeaus und Rechtsabbiegen. Und dieser Rechtsabbiegepfeil hätte dann keinen Sinn.

* Zitat aus anwalt.de: Ein Rotlichtverstoß liegt nach §§ 49 Abs. 3 Nr. 2, 37 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 StVO vor, sobald der Kraftfahrer das Rotlicht einer Lichtzeichenanlage missachtet hat. Ein Rotlichtverstoß ist jedoch nicht gegeben, wenn der Kraftfahrer die Ampel zwar bei Rotlicht passiert hat, er aber noch vor dem eigentlichen Schutzbereich, z. B. der Kreuzung, anhält (BGH NZV 98, 119, 120; OLG Celle zfs 97, 355). In diesem Fall handelt es sich nur um einen Verstoß gegen §§ 41 Abs. 3 Nr. 2 (Zeichen 294), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO (Haltelinienverstoß).

Es gibt noch ein für unseren Fall eher  untaugliches Urteil zu Radfahrern und Haltelinien, in dem es heißt, dass Haltelinien für Radfahrende nicht zwingend geboten sind. Damit ist gemeint, dass die Ordnungsbehörden keine aufmalen müssen. Das Urteil bezieht sich auf diese Geschichte, die der ADFC Hamburg erzählt. Das hilft uns hier aber nicht weiter, fürchte ich.


11 Kommentare:

  1. Das sind zwei separate Ampelanlagen, deren Sinn sich mir in dieser Aneinanderreihung allerdings auch nicht erschließt. Schalten die überhaupt zu unterschiedlichen Zeiten?

    Die erste der beiden ist auch keine "Autoampel", sondern eine Fahrbahnampel, die für alle Fahrzeuge(!) gilt. Und da dort keine "Radverkehrsführung" vorliegt, müssen Radfahrer auch dort gem. § 37 (2) Nr. 6 StVO bei Rot halten, da sie eben ansonsten den querenden Fußgängerverkehr gefährden würden. Das dürfen sie dann ggf. gleich nochmal an der zweiten "Fahrradampel".

    Nebenbei: Verstöße gegen das Urheberrecht von google können sehr teuer werden. Und auch bei der Nutzung von OSM-Kartenausschnitten gelten Nutzungsbedingungen. Nur mal so am Rande...!

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  2. Solche Aufstellflächen sind hier oft fur Linksabbiegende Radler, die dann rechts von ihrer Geradeaus Furt a7f grün warten können . In diesem Fall also für die Radler von links. Bei roter Ampel durch die Fußgänger zu fahren geht jedenfalls gar nicht.

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    1. Aus dieser Perspektive für die von links unten kommenden Radler aus der Plankstraße, die nach links abbiegen wollen, kann das durchaus Sinn machen.
      Aber wozu dann der Rechtsabbiegepfeil auf der Aufstellfläche? Dann könnten sie ja direkt weiter fahren, ohne sich hier aufstellen zu müssen. Von der Plankstraße links unten kommend beginnt der Radstreifen übrigens ca. 20 Meter von der Ampel entfernt, ohne einen Hinweis, wie man links abzubiegen hat. Ich gehe mal davon aus, dass kein Radler, der von unten kommt und links abbiegen will, sich da aufstellt. Die werden mangels Hinweis sich alle brav auf die (Auto-)Linksabbiegespur stellen.

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    2. Darüber habe ich auch gegrübelt. Gute Idee. Aber der Rechtsabbiegepfeil hat dann keinen Sinn, wie du sagst, Michael. Das ganze bleibt rätselhaft.

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    3. Bei roter Ampel durch Fußgänger fahren geht wunderbar. Mit Rücksicht/wenn kein Fußgänger da ist. Es geschieht überall dort, wo Rad- und Fußverkehr sich ohne Autoverkehr kreuzen (zumindest habe ich auf diesem Planeten noch keine Ampel gesehen, die Rad- und Fußverkehr regelt) und das recht problemlos.

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  3. Vorwort: Ich bin kein Verkehrsexperte.

    Wenn die erste Ampel auf gelb wechselt können Radfahrer schwächer bremsen und an der zweiten Ampel halten, oder? Vielleicht eine gute Idee für manche Kreuzungen.

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  4. Wir Radler können gut mit Fussgängern umgehen. Absolut richtig.
    Umgekehrt ist das aber nicht zwingend der Fall. Bitte nicht vergessen, dass vieleoder manche Fussgänger keine lust haben, dass ihnen Radler auf ihrem Weg begegnen.

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  5. Wenn man den "Linksabbiegen-in-zwei Zügen"-Ansatz mal als Hypothese nimmt, ist die Kreuzung ampelmäßig ja wirklich vorbildlich ausgestattet:
    Der Linksabbieger sieht die Grünphase für den zweiten Zug, ohne dass er die Fußgängerfurt queren oder sich sonst irgendwie verrenken muss. Die Beschilderung und die Fahrbahnmarkierungen haben halt noch etwas Luft nach oben...

    Grüße
    TOK

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  6. Ich sehe eine Ampel, die zeigt Rot. Im Unterschied zu einem Autofahrer habe ich als Radfahrer freundlicherweise zwei Möglichkeiten mich aufzustellen: Entweder mit den Autos an der Haltelinie oder vor den Autos auf dem separaten Fahrradfeld. Ist doch in Ordnung. Das miniaturisierte Ämpelchen aus dem Lego-Baukasten der örtlichen Kita sehe ich nicht und ist mir im Zweifel auch egal.

    Ich weiß nicht, was an dieser Kreuzung so kompliziert sein sollte. Wenn es denn immer so einfach wäre wie an dieser Stelle. Selbstverständlich überfahre ich den Fußgängerüberweg falls ich Lust dazu habe und sofern keine Fußgänger kreuzen sollten. Denn das stört weder Fußgänger, noch Autofahrer, noch mich und erst recht nicht die Polizei.

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  7. So eine kuriose Fahrrad-Ampel gibt es auch am Charlottenplatz, am dieMEdia-Haus, Bergauf. Ich nenne sie "Nursoda-Ampel" ;)

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  8. So allmählich bin ich verwirrt. Klar, Christine hat die die 2 Sätze aus der StVO verkehrt herum abgeschrieben, aber DS-pektiven hat den Fehler ja klargestellt, dass grundsätzlich die Fahrampel gilt und die Radampel - wenn vorhanden - nur unter bestimmten Bedingungen. Diese "bestimmten Bedingungen" sind so eine Sache für sich.

    Was mir nämlich nicht bewusst war: es gibt einen subtilen Unterschied zwischen "Radverkehrsanlage" und "Radverkehrsführung". Den muss der geneigte Verkehrsteilnehmer kennen, um sich für die richtige Ampel zu entscheiden. Da kann es um Leben und Tod gehen, das sollte man schon richtig drauf haben.
    Hier die schon etwas ältere Diskussion zwischen den Fachleuten. Das ist was für Hartgesottene (teilweise mit leicht sarkastischen Nebentönen):

    https://de.rec.fahrrad.narkive.com/yRSWxDuk/was-ist-eine-radverkehrsfuhrung

    Interessant jedenfalls auch dieser Ausschnitt, in dem kurz zusammengefasst steht, dass Radfahrer zuerst grün bekommen MÜSSEN:

    "Alleine schon die RiLSA macht die Selbstverständlichkeit auch den
    verständnisbeeinträchtigten Stadtbediensteten deutlich:

    2.6.6 Zeitvorsprung an der Konfliktfläche

    Wird ein bedingt verträglich abbiegender Fahrzeugstrom zusammen mit
    dem bevorrechtigten Fußgänger- oder Radfahrerstrom freigegeben, so ist
    der Beginn der Freigabezeiten beider Verkehrsströme zeitlich so
    gegeneinander zu versetzen, daß sich die Fußgänger oder Radfahrer 1
    bis 2 s früher auf der Furt befinden, bevor ein abbiegendes Fahrzeug
    an der Furt ankommt."

    Also, an allen Ampelanlagen, die handwerklich nicht richtig gestaltet sind, heißt das für mich: wähle die Ampel nach Gutdünken aus, nach der du dich richten willst, und sei vorsichtig, weil sich die Autofahrer sowieso nicht um deine Gesundheit scheren. Wenn es dann doch einen Punkt in Flensburg kostet, Pech gehabt.

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