14. März 2019

Darf man auf dem Fahrrad ein Polizeiauto überholen?

Ich bekomme immer wieder Berichte über das Verhalten von Beamt/innen des städtischen Vollzugsdiensts, die befremdlich sind. Drei Beispiele: 

Ein Beamter des Vollzugdiensts pampt Radler an, der eine beim Einfahren in eine Straße die rote Fußgängerampel nicht beachtet. Der Fahrer eines Polizeibehördenfahrzeugs droht mit Anzeige, weil Radler die Hofener Straße nicht auf dem Gehweg entlang fahren. Und jüngst: Die Besatzung eines Fahrzeugs der Polizeibehörde droht Radlerin mit Bußgeld, weil sie ihr Auto überholte.

Anfang März filmte und schilderte Eberhard auf Twitter eine seltsame Szene in der Fahrradstraße Eberhardstraße.
Ein Fahrzeug der Polizeibehörde fährt in der Marktstraße an den vielen im Halteverbot geparkten Autos vorbei und biegt in die Eberhardstraße ein. Es ist so langsam unterwegs, dass die Radfahrerin es bald einholt, bremsen muss und sich entschließt, es zu überholen. Sie ist vorsichtig, die Straße ist frei, sie schaut sich nach dem Fahrer um, ob der sie auch sieht, und fährt schließlich vorbei. 
Standbilder aus Eberhards Video
Das findet die Besatzung des Polizeibehördenfahreugs offenbar ungehörig, startet nach einer Beratungsphase durch, fährt zwischen den beiden Einfahrt-verboten-Schildern durch Richtung Tagblattturm und stoppt die Radfahrerin. Dem Bericht zufolge drohten sie ihr mit einem Punkt in Flensburg und 150 Euro Buße. Man dürfe auch in einer Fahrradstraße ein Polizeiauto nicht überholen.

Ist das so? 
Ich habe, außer dass man Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht nicht überholen darf, in der StVO kein generelles Verbot gefunden, Polizeiautos zu überholen.

Grundätzlich gelten für die Polizei und einige weitere Berufsgruppen Ausnahmen. Sie dürfen gegen die StVO verstoßen, wenn es nötig und verhältnismäßig ist. Mit Blaulicht haben Polizeiautos (wie Krankenwagen und Feuerwehr) Wegerecht; man muss ihnen Platz machen. Ohne Blaulicht haben sie es nicht. Das regelt § 35 der StVO. Wobei ein Polizeifahrzeug bei einem Einsatz nicht unbedingt mit Blaulicht unterwegs sein muss, wie das OLG Frankfurt festgestellt hat. Wegerecht hat das Fahrzeug dann allerdings nicht. Mir fällt kein  Grund ein, warum man ein Polizeiauto, das deutlich langsamer unterwegs ist als erlaubt, nicht überholen dürfen sollte. (In Foren wird allerdings davon abgeraten, weil man dann offenbar relativ oft kontrolliert wird.) Um die Radlerin anzuhalten, musste diese Besatzung dieses Fahrzeugs gegen die Verkehrsregel des Einfahrtverbots verstoßen. Soweit so gut. Nur dass ich keine Regelverletzung durch die Radlerin erkennen kann. Ich kann hingegen gut erkennen, dass Autos im Halteverbot an der Marktstraße stehen, deren Besitzer völlig unbehelligt bleiben.  

Tatsächlich sind die Beamten des städtischen Vollzugsdients nur für den ruhenden Verkehr zuständig. Sie hätten die Rafahrerin nicht maßregeln düren. Und es wäre schön, sie hätten diese Zuständigkeit erkannt und die Falschparker mit Bußgeldern versehen oder abschleppen lassen, statt eine Radfahrerin in Polizeimanier mit Bußgeldern zu bedrohen.

Ich weiß nicht, wie viele Fußgänger/innen Maßregelungen erleben, ich weiß aber, dass Radfahrende sich immer wieder Bemerkungen oder Zurechtweisungen von Angehöringen des städtischen Vollzugsdiensts anhören müssen.
Etwa, weil sie in der Cottastraße auf den Sperrstreifen an der Ampel warten (was in der Tat regelwidrig ist, aber Straßenmalerei passt ja nur selten zum Radverkehr). Im Dezember 2018 erzählte mir ein Radler, dass er von einem Vollzugsbeamten unfreundlich angesprochen wurde, als er am Ende der Alexanderstaße über den freigegebenen Fußgängerbereich nach links in die Neue Weinsteige/Olgastraße einbog, ohne auf die rote Fußgängerampel zu achten (so wie das auch Autofahrer machen, die dort von legalen und illegalen Stellplätzen runterfahren). Dem Beamten war offensichtlich nicht bekannt, dass Fußgängerampeln nicht für Radfahrende gelten. Er drohte mit einem Punkt in Flensburg.
Im Juni 2016 erklärte ein Beamter aus einem Wagen der Stuttgarter Polizeibehörde Radfahrenden der Naturfreunde auf unfreundliche und drohende Weise, sie dürften nicht auf der Fahrbahn radeln, sonern müssten den Gehweg nehmen. Der Beamte war der Meinung, der nur fregegebene Gehweg sei ein Radweg. Er drohte mit Anzeige.




13 Kommentare:

  1. Ist das übel. Absolute Willkür. Nicht nur, dass die Mitarbeiter des Ordnungsamts offenbar ihren Job nicht machen und die potenziell illegal stehenden Autos nicht kontrolliert. Nein, sie jagen und gängeln auch noch eine sich korrekt verhaltende Radfahrerin — und brechen dafür auch noch Verkehrsregeln. Da wirds mir echt übel.

    Aber es fasst die Situation in dieser Stadt gut zusammen. Solche Vorkommnisse sind ein gutes Indiz dafür, dass die Stadt mit dem Fahrrad weiter fremdelt. Die (ja, es gibt nur eine, muhahaha) Fahrradstraße ist ein Scherz, Fahrradwege werden zugeparkt, man wird knapp und knapper überholt (ist mir erst gestern wieder in Degerloch auf dem Radweg/Busspur passiert) Von einer Verkehrswende oder ähnlichem sind wir weit entfernt. Allen Sonntagsreden zum Trotz.

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    1. Die Stadtpolitiker gängeln alle: Fußgänger mit immer schlechter benutzbaren Wegen, Radfahrer mit immer mehr Gefahrenstreifen (genannt "Schutzstreifen"), Autofahrer mit unsinnigen 40-km/h-Strecken und ÖPNV-Nutzer mit übervollen Zügen und Bussen.

      Nur für die Presse hört sich das alles sehr rosig an...

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  2. Ich erinnere mich noch, einmal von einem städtischen Büttel verfolgt worden zu sein, als ich freihändig durch die (leeren) unteren Anlagen fuhr. Der Wahnsinnige hätte mich fast vom Rad gefahren.

    Die städtischen Büttel haben in ihrem Verhalten nach noch ein Rollenverständnis aus vor-bundesrepublikanischen Zeiten.
    Die katastrophale Radverkehrsinfrastruktur übrigens auch:
    Du darfst auf der schönen Bank nicht sitzen, dafür haben wir Dir eine hässliche, unbrauchbare an einen Platz gestellt, wo Du nicht sitzen willst.
    Und wage ja nicht, Dich woanders hinzusetzen...

    Und wenn Schnee liegt, ist niemand zuständig: "Das macht das Land / die Stadt" (ad lib wahlweise zu ergänzen)

    Mir ist gerade entfallen, wer dort das Heft in der Hand hat.

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  3. Falls ihr noch Beispiele habt, erzählt sie hier. Aber bitte, denkt daran, wenn wir schimpfen, was uns ja erlaubt ist, dann tun wir das in Maßen und ohne zu beleidigen.

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  4. Ich fand das Verhalten der Polizeibehörde mir gegenüber stehts fair. Aber ich stimme zu, das in Stuttgart zuwenig gegen Falschparker getan wird. Ich würde mir wünschen, dort würde man die Arbeitszeit auf diese Aufgabe fokussieren. Und die brauchen mehr Personal.

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  5. Ganz dumme Frage:

    "Ich habe, außer dass man Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht nicht überholen darf, in der StVO kein generelles Verbot gefunden, Polizeiautos zu überholen."

    Wo steht, dass man Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht nicht überholen darf?

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  6. auf der Autobahn zwischen Walsrode und Bremen fahren häufiger Krankenwagen mit Blaulicht, in denen Patienten transportiert. Um diese zu schonen, sind die Krankenwagen häufig mit ca. 80 km/h unterwegs. Wenn man solche Wagen nicht überholen dürfte wäre auf der Straße nach kurzer Zeit Chaos.

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  7. Ich wurde schon zweimal aus dem fahrenden Polizeiauto darauf hingewiesen, dass ich nicht auf der Bundesstrasse fahren dürfe. Lustigerweise hat es geholfen, einfach weiterzufahren und sie freundlich zu verspotten. Nach kurzer Rücksprache mit dem Kollegen haben sie sich getrollt - natürlich nicht ohne den Hinweis immer vorsichtig zu fahren auf einer Bundesstrasse 😄

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  8. Mir wurde auch schon sehr rüde von zwei Polizisten der Fahrradstaffel verboten, eine Massnahme gegen einen anderen Radler mit dem Handy zu fotografieren. Sie haben mich sogar genötigt die Fotos zu löschen trotz meines darauf Beharrens darauf, dass sie kein Recht dazu hätten unter Androhung mich auf die Wache mitzunehmen. Was machst du da, wenn du keine Zeit hast für so einen Quatsch? Und leider sind das keine seltenen Erfahrungen, sondern die Regel. Wer bei den S21 Protesten dabei war, kann einige Lieder singen von Polizisten, die sich an keinerlei Gesetze halten.

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  9. Da sagt man, man schaffe objektive Beweismittel, es sei denn, der "Bemaßnahmte"selbst möchte das nicht. Die Bilder kann man demonstrativ löschen und - so die "gelöschten" Bilder Aussagekraft haben - wiederherstellen.
    Dann schaut man, ob man "im Recht" ist und lässt diesen Sachverhalt an geeigneter Stelle zustellen.

    Allgemein kann man davon ausgehen: Je planloser und bzgl. seines Selbstwertgefühls mickriger ein Bulle o. ä. ist, desto drohender und präpotenter tritt er auf.

    Als intellektuell Überlegener muss man in dieser Situation zweierlei schaffen: Den schäumenden Hund nicht weiter provozieren und diesem aber gleichzeitig zu verstehen geben, dass wir nicht in Russland, Bagdad oder ehem. Jugoslawien sind.

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  10. Da hat sich der Vollzugsdienst keinen Gefallen getan, der darf den fließenden Verkehr wirklich nicht kontrollieren.
    Aber gilt nicht ein Überholverbot an Zebrastreifen?

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    1. Die überholt nicht auf dem Zebrastreifen, so wie ich das gesehen habe. Aber, stimmt, vor und auf einem Zebrastreifen darf man nicht überholen.

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