27. August 2019

Eigentlich hat sich nichts verändert

Das Landesverkehrsministerium hat eine Bundes-Studie über unsere Mobilität veröffentlicht, die den Zeitraum von 2002 bis 2017 beschreibt.

Demnach hat sich in den fünf Jahren kaum etwas verändert. Die Zahl der im Auto zurückgelegten Wege ist gleich geblieben (59 Prozent).  Die Zahl der Fußgänger/innen nahm ein bisschen ab, die Zahl derer, die öffentlich oder mit dem Fahrrad fuhren, etwas zu.

Quelle
Im Grunde sind halt ein paar mehr Fußgänger/innen aufs Rad und auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen.

Allerdingst gibt es hier bei den Städten in Baden-Württemberg riesige Unterschiede. In Heidelberg wird geradelt, in Stuttgart mehr der öffentliche Nahverkehr genutzt, in Ulm wird auffällig viel zu Fuß gegangen (Einzelheiten hier). (Grafik: von unten nach oben: zu Fuß, Fahrrad, Auto, Auto als Mitfahrer, ÖV.)

Allerdings sagen diese Prozent-Verhältnisse nichts darüber aus, wie stark sowohl der Autoverkehr als auch der Radverkehr gleichzeitig gewachsen sind. Wir sehen in Stuttgart mehr Radfahrende, aber eben auch immer noch mehr Autos. Viele Menschen wollen oder müssen viel unterwegs sein.

Von einem generellen Umdenken keine Spur. Inzwischen sind wir im Jahr 2019, also zwei Jahre weiter und registrieren: immer mehr Autos, immer mehr Motorräder, immer mehr reine Fun-Fahrten, Posing, Rasereien, Autorennen auf Autobahnen, Autokorsos. Die deutsche Gesellschaft ist zur Hälfte autobesessen wie eh und je, eher noch mehr. Je mehr wir über Alternativen, Luftverschmutzung, Lärm, autofreie Städte reden, desto stärker die Gegenbewegung, so scheint es. Die Mehrheit der Deutschen bleibt auch recht unedeindruckt von der Dringlichkeit der fridays-for-future-Bewegung. Sieben von zehn Befragten ändern ihr Verhalten nicht, wie der ARD-Deutschlandtrend zeigt. Ich vermute, dass der Berg an Aufgaben, die wir vor uns haben, wenn wir wirklich der Klimaüberhitzung wirkungsvoll vorbeugen wollten, uns entmutigt. Das Fahrrad allein reißt's ja nicht raus. Und "bevor man das Auto verbietet, sollte man doch erst mal ..." und dann fällt uns viel ein, was man für schlimmer hält.

Es sind allerdings auch immer mehr Radfahrende unterwegs. Und zwar eher der Politik zum Trotz. Unsere Radinfrastruktur ist nur etwas besser geworden, aber noch lange nicht einladend für alle. Es immer noch sehr attraktiv, in Stuttgart mit dem Auto zu fahren, es gibt grüne Wellen ohne Ende und überall Parkplätze für kleines Geld. Vom Verkehrsinfakrt sind wir weit entfernt. Klappt doch alles irgendwie. Von einer breiten Mehrheit in Stadtgesellschaft und Stadtpolitik für autoärmere Städte haben wir in den letzten zwei Jahren nichts gemerkt, obgleich es immerhin knappe Mehrheiten für die Zielbeschlüsse "Autofreie Innenstadt" und "Fahrradstadt Stuttgart" gab. Immer noch führt der Wegfall von Parkplätzen zugunsten von Fußgänger/innen und Radfahrenden sofort zu Verwerfungen und einem partiellen Einknicken der vor Ort tätigen Lokalpolitiker/innen.

Immerhin soll jetzt mal die Eberhardstraße etwas autorfreier werden. Wenn auch eine Pressesprecherin der Stadtverwaltung mal kurz auch gleich anstelle der Fahrradstraße einen Shared Space fantasierte, was reine Fantasie war, aber zeigt, dass der Radverkehr immer noch nicht von allen in der Verwaltung ernst genommen wird.) Für den Umbau zur Fahrradstadt brauchen wir jetzt bei den Haushaltsberatungen die knappen Mehrheiten fürs Geld. Und immer wieder Mehrheiten, für die Umsetzung, wenn es auf Kosten des Autoverkehrs geht.

Sorry, dass das hier gerade etwas mutlos klingt. Aber klar: Aufgeben gilt nicht. Wir bleiben dran.




9 Kommentare:

  1. Hallo Christine, deine schonungslose Analyse trifft leider zu. In 2018 wurden gut 2 Millionen für Radinfrastruktur ausgegeben, während über 300 Millionen (=150 Jahre Fahrrad) für den Rosensteintunnel und über 6 Milliarden (=3000 Jahre Fahrrad) für den Bahnhof ausgegeben werden.
    Und hier ist der Modal Split unser Freund. Radverkehr macht 10% in Stuttgart aus, daher ist es unser gutes Recht 10% der Investition und 10% der Verkehrsfläche zu beanspruchen. Wir erhalten jedoch immer noch nur das, was durch die Ritzen fällt. Viel Glück!

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    1. Lieber Carsten, das Geld ist es ja nicht mal. Wir haben 11 Millionen für den Radverkehr vor zwei Jahren bereitgestellt, und agerufen und ausgegeben wurden gerade mal zwei mis drei Millionen. Mit den Stellenesetzungen für die viele Arbeit, die der Radverkehr macht, hinken wir immer um zehn bis zwanzig hinterher (ist auch Geld), und dann braucht es ein Jahr, bis Leute gefunden und eingearbeitet sind. Im Grunde muss die Stadt eine Taskforce Radverkehr (und Fußverkehr) einsetzen oder ein Büro beauftragen (und eines finden, das nicht schon überlastet ist), das routiniert und schnell eine Radverkehrsplanung macht, die dann das Ordnungsamt ebenso schnell prüft und genehmigt. Es soll zwar einen Projektmanager geben (mit dem neuen Haushalt, der hoffentlich dann auch eine Mehrheit bei der Schlussabstimmung findet), der die Zusammenarbeit der drei Ämter schneller macht, aber so eine radikaler Umbau in der Stadt- und Verkehrsplanung in Richtung weniger Autos und mehr moderne Mobilität, geht halt überhaupt nicht schnell. Da sind die Millionen, die wir derzeit bereitstellen können, fast nebensächlich. Sie lösen das Prolblem nicht. Sobald in irgendeinem zuständigen Amt ein personeller Engpass herrscht, ist das der Flaschenhals, durch den alles nur ganz langsam durchgeht. Und diesen Flaschenhals vorherzusehen bei den Haushaltsplanungen, ist zumindest mir kaum möglich.

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  2. Ich kann es nur immer wieder betonen: Das ist das Ergebnis langjähriger GRÜNEN Politik. In Stuttgart ist seit 2 Jahren eher die Tendenz Stillstand angesagt- an einigen Stellen findet sogar eine Art Rollback statt. 

    Und ich finde es nicht nur unverschämt sondern auch totalitär von Christine, das Kritik an den GRÜNEN, hier im Blog gelöscht wird. Schon mal was von Art. 5 unseres GG gehört?

    Ich bleibe dabei: Im Leben werde ich nie wieder die GRÜNEN wählen. In BW ist diese Partei nix anderes wie die CDU, nur grün angestrichen. Und die Bilanz von VM Hermann ist inakzeptabel schlecht. Klaus


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    1. Lieber Anonym Klaus, Du hast es scheinbar immer noch nicht kapiert, dass OB Kuhn nicht als Diktator eingesetzt wurde, sondern der Gemeinderat bestimmt, was in Stuttgart passiert - und dessen Mehrheit ist immer noch von "schwarzem Idealismus" geleitet. Von "Grüner Politik" kann deshalb in Stuttgart noch lange nicht geredet werden, da die Grünen im Gemeinderat einfach keine Mehrheit haben.
      Statt immer nur zu maulen, kannst Du ja gerne mal an der Einen oder Anderen öffentlichen Gemeinderatsitzung als Besucher teilnehmen! Das erhellt ungemein :)

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  3. Lieber Klaus,

    Nach meiner Erfahrung löscht Christine nur Kommentare, die andere beschimpfen und vor allem dazu auch noch anonym sind.

    Auch ich bin sehr enttäuscht von acht Jahren grüner Regierung in Stadt und Land. Gerade die Hauptradrouten sind ein Witz, denn gerade an den zentralen stellen z. B. von der Eberhardstraße zur Ferdinand Leitner Steg oder von Bad Cannstatt zum Leutze muss man sich als Radfahrer einfach irgendwie durchschlagen. Das ist kaum ausgeschildert, ausgeschildert, das ist einfach nur peinlich.

    Klar, manches ist in einer Koalition schwierig. Aber Behörden, die nicht einmal rechtlich zwingende Vorgaben zu Gunsten des Radverkehrs einhalten? Dabei kann ein OB die Einhaltung geltenden Rechts einfach anordnen, ohne Streit mit mit der CDU.

    Und immer noch mitten in der angeblich so überlasteten Innenstadt eine Bahnstrecken mit nur zwei Zügen am Tag.

    Viele Grüße
    Ralph

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  4. Ralph Gutschmidt29. August 2019 um 07:38

    War mein Kommentar, keine Ahnung, warum unknown.

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    1. Lieber Ralph, eigentlich haben wir im Land doch einen guten Verkehrsminister von den Grünen, der sich vehement um den RAdverkehr kümmert, in dem Rahmen wie er das in einer Koalition kann. Dass die Stadt STuttgart so langsam ist, liegt, wie ich in den vier zurückliegenden Jahren als Stadträtin habe lernen müssen, daran, dass wir im Gemeinderat nicht die Mehrheit haben, als Grüne sowieso nicht, aber eben auch zusammen mit anderen Parteien nicht, wenn es um Radweg versus Parkplätze geht. Und es kann ja nicht der OB diktatorisch regieren, wir leben in einer Demokratie. Es mag die anderen Parteien ja sogar freuen, dass es so schwierig ist, den Radverkehr zu fördern, weil das dann dem Ansehen der Grünen und dem OB schadet, weil die Leute eben immer glauben, dass ein OB regiert, nicht der Gemeinderat. Übrigens hat der OB ja eine sehr weitghehende Vorlage für den Zielbeschluss Fahrradstadt vorgelegt, in der drin steht, dass der Autoverkehr was hergeben muss für den Radverkehr, und es war sehr heikel, dafür die notwendige Mehrheit zu kriegen, aber wir haben es geschafft.

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  5. " Allerdings sagen diese Prozent-Verhältnisse nichts darüber aus, wie stark sowohl der Autoverkehr als auch der Radverkehr gleichzeitig gewachsen sind. "

    Das ist nicht so ganz richtig.
    Bezüglich der Wegezahl ist die Statistik (wenn korrekt und mit gleichbleibender Methode erhoben) durchaus aussagekräftig, da sich in aller Regel die Wegezahl nicht sonderich verändert (Wegezahlkonstanz).

    Das Problem liegt woanders.
    die Wegezahlstatistik (Einwohner-Wege-modal-split) sagt nichts zur entscheidenden Entwicklung der Fahrleistung aus.

    Genau da aber liegt aus ökologischer/kimapolitischer Sicht 'der Hase im Pfeffer'.
    Bei relativ konstanter Wegezahl und relativ konstanter Reisezeit nimmt die Fahrleistung (PKM durch Besetzungsgrad) zu.
    Wir sollten uns angewöhnen weniger auf die Wege-modal-split Werte zu schauen und stärker die Fahrleistung (speziell beim MIV) in den Blick zu nehmen.
    Was die Fahrleistung angeht ist es leider NICHT so, dass alles gleich bleibt, sondern wir eine kontinuierliche steigerung also Verschlechterung erleben (zumindet in der bundesweiten Statistik).
    Da ist Deutschland nicht besser als NL und DK: gleicher Trend zu weiter steigender MIV Fahrleistung.

    Alfons Krückmann

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  6. Politiker werden an ihren Ergebnissen gemessen. Die Bürger brauchen keinen Ankündigungsminister oder schöne Bilder in der Presse, sondern das er liefert. Nach 8 Jahren Amtszeit würde ich VM Hermann eine Schulnote 4 Minus geben. Warum? Er hat weder sein VM im Griff und schon gar nicht 'seinen verlängerten Arm' das Reg.Präsidium Stuttgart. Bsp. Kommunikation: Das VM verschanzt sich hinter eMail Kommunikation. Bürgerreferent ist nie tel. erreichbar, Zentrale wimmelt einen ab,  Bearbeitungszeit 8 Wochen von eMails und am Ende bekommt man nichtsaussagende Textbausteine. Der Tonfall ist oft arrogant und ignorant. Bürger stört.

    Beim Reg.Präsidium Stuttgart selbiges Bild. Chronisch unterbesetzt, seit Jahren Strukturen und Abläufe die nicht mehr zeitgemäß sind, Qualität des Outputs auf sehr niedrigem Niveau.

    Treppenwitz: VM Hermann hat unzählige Fördertöpfe, randvoll, das Geld fliesst nicht ab, wird seit Jahren vor sich hergeschoben. Wenn die LK'se im Auftrag des Reg.Präsidiums einspringen wollten, werden sie mit pauschal mit 8% für Organisation/Planung bei Bauprojekten (Radwege, außerorts, entlang Landesstraßen) abgespeist. Dabei zahlen sie drauf. Deswegen lassen sie zwischenzeitlich die Finger davon. Warum schichtet VM Hermann das Geld nicht um und stockt nicht auf? Will er Radwege oder Geld vor sich herschieben? Völlig unglaubwürdige Politik.

    Bisherige Performance OB Kuhn: Schulnote 5 Minus. Er hat sein Tiefbauamt und Straßenverkehrbehörde null im Griff. Und seine untergebenen BM auch nicht. Arbeiten gegeneinander, je nach politischer Einstellung. Wirkungsgrad/Effizienz seiner Ämter auf niedrigstem Niveau. Katastrophale und völlig veraltete, aufgeblähte organisatorische Strukturen/Abläufe bei der Stadt Stuttgart. Quailität des Outputs: Fachlich miserabel und erschreckend. Komplett inakzeptabel.

    Beide Politiker haben versagt und gehören ausgetauscht. Klaus









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