16. Oktober 2019

Wenn Radfahrer mit Autos verwechselt werden

Wie fühlt sich ein Radfahrer, und wie sieht er für andere aus? Das sind zwei Fragen, die sich der Verkehrsökologe, Jochen Eckart, in Karlsruhe stellt. 

Wie die Klimarreporter berichten, wurde dafür das Sensorbike erntwickelt. Es erfasst beispielsweise Längsneigung, Windgeschwindigkeit, Fahrbahnoberfläche, Seitenabstände, Bremsbeschleunigunge, aber auch Luftschadstoffe, Lärm und Wetter. Damit wollen die Karlsruher Forscher(innen?) herausfinden, wie viel Energie ein Radfahrer aufbringt und wie stressig seine Fahrt verläuft, kurz: wie sich Radfahrende fühlen. Das Sensorbike nimmt gewissermaßen die Perspektive der Radfahrerin ein. Mit den Erkenntnissen könnte man Radwege bequemer und stressfreier gestalten, wenn man das will.  

Aber noch spannender ist eine andere Frage, um die es den Forschern geht.
Mir passiert es immer wieder, dass ich an eine Rechts-vor-Links-Kreuzung heranradle und der Autofahrer, der von rechts kommt und Vorfahrt hat, komplett anhält, statt weiter zu fahren. Er scheint davon auszugehen, dass ich ihm vor den Kühler fahre. Nun stehen wir beide da und gucken uns an. Manchmal winkt der Fahrer (die Fahrerin) schließlich hetkisch, damit ich endlich fahre. Ich bleibe dann allerdings immer wie angewurzelt stehen und winke dem Autofahrer, dass er (sie) fährt. Es ärgert mich, dass er mich zum Absteigen gezwungen hat, was er nicht getan hätte, wäre er einfach gefahren, so wie er durfte. Dann hätte ich nur etwas Schwung rausnehmen müssen und keine zwei Sekunden später hinter ihm durchradeln können. Es wäre so einfach gewesen. Wieso funktioniert das bei etlichen solcher Begegnungen nicht? Genau diese Frage hat sich Eckart auch gestellt:  

Wieso eigentlich sehen Radfahrende oft so aus, als ob sie die Rechts-vor-Links-Regel "großzügig auslegen"? Wieso sehen Autofahrende dem Radfahrer nicht an, dass er vorausschauend fährt und sieht, was vor ihm quert (Fußgänger/innen sehen das auch nicht und glauben oft, wir würden sie an Zebrastreifen ungebremst über den Haufen fahren). Offensichtlich sehen andere nicht, ob ein Radfahrer Kraft rausnimmt, sogar aufhört zu treppeln und bremsbereit ist.

Das ist echt kurios, denn einem Auto sieht man von der Seite oder von vorn ja auch nicht an, ob der Fahrer bremst und gewillt ist, mir Vorfahrt einzuräumen. Allerdings sehe ich meist deutlich, dass es langsamer wird. Je höher die Geschwindigkeit vorher, desto deutlicher sehe ich, dass der Fahrer abbremst und halten will.

Offenbar sehen viele Autofahrende genau das bei uns Radfahrenden nicht. Sie sehen nicht, dass wir langsamer werden, wenn ein Auto von rechts kommt und Vorrang hat. Was auch daran liegen mag, dass wir (vor allem bergauf) nicht so schnell unterwegs sind wie ein Auto und deshalb nur geringfügig langsamer werden. Und anders als Autofahrende, wollen und müssen wir sehr oft gar nicht anhalten. Wir können, weil wir so schmal sind, hinter dem von rechts nach links über die Kreuzung fahrenden Auto sogleich antreten und weiterfahren. Einen solchen Roling-Stop mit wenig oder gar keiner Bremsverzögerung sehen Autofahrende nicht.

Ich bin gespannt, was die Karulsruher Forscher in diesem Punkt herausfinden.

Rolling Stop der Radfahrenden
Die Missverständnisse, die wir bei Fußgänger/innen und Autofahrenden auslösen, sind jedenfalls offensichtlich. Während wir sehr genau abschätzen können, wie sich Autos und Zufußgehende bewegen (wie schnell und wohin), können diese es bei uns nicht. Wir versuchen immer, hinter dem Querverkehr durchzurollen (weil zum Stehen bremsen und wieder antreten die meiste Kraft kostet), während Autofahrende und zu Fuß Gehende an das Arrangement gewöhnt sind, dass die fast zwei Meter breiten Autos immer komplett anhalten, wenn Fußgänger queren wollen oder ein Auto Vorfahrt hat. Und das erwarten sie von Radfahrenden auch. Wenn Radler nur langsamer tun, sieht das für sie so aus, als hätten wir nicht vor, ihren Vorrang zu achten, sondern wollten in sie hinein krachen. Sie können sich dabei nicht einmal vorstellen, dass wir uns bei so einer Kollision selbst viel zu schwer verletzen würden, als dass wir so ein Risiko eingingen.

Mir scheint: Wir Radfahrende werden viel zu sehr als Auto gedacht und am Auto gemessen und lösen Irritationen aus, wenn wir uns anders bewegen als ein Auto.

10 Kommentare:

  1. Ich handhabe das relativ radikal. Ich nehme mir die Vorfahrt und bedanke mich gleichzeitig mit einem Handgruß. Keiner muss stehen bleiben und der Autofahrer bekommt ein Dank ohne Zutun. Als Radfahrer ist man so flott- bis der Andere überhaupt kapiert hat, wo rechts und wo links liegen, ist der Radler schon wieder weg. Geht natürlich nur bei mäßigem Autotempo, besonders beim Überqueren einer Fahrbahn. Und Fußgänger haben sowieso immer Angst. Das ist Evolutionär bedingt. Kommen sie unter die Räder, lässt man sie im Stich.

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  2. Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich freue mich, wenn mir ein Autofahrer die Vorfahrt schenkt - oft genug ist es genau anders rum: Sie wird uns genommen, und wir werden geschnitten. Da finde ich es sehr angenehm, wenn mir mal ein netter Autofahrer begegnet und mich durchwinkt, damit ich nicht absteigen und wieder anhalten muss. Ich bedanke mich dann auch freundlich. Es reicht eben nicht immer, einfach nur langsamer zu treten.

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    1. Das gibt es auch, aber ich erlebe dieses Anhalten eher als Angst vor Radlern. Sie winken nämlich nicht, sie gucken mit großen Augen. Und ich möchte nicht weiterradeln, damit sich nicht der Eindruck festsetzt, Radler hielten sich an keine Regeln. Ich finde, es vereinfacht das Miteinander, wenn man sich auf Regeln verlässt, statt z.B. an jeder Kreuzung neu auszuhandeln, wer fährt.

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  3. Als Fußgänger, der zügig läuft, erlebe sich auch immer mal wieder, das ein Autofahrer aus einer Querstraße kommend anhält. obwohl er Vorrang hätte.

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  4. Treffend beschrieben. Ich erlebe das auch oft. Wenn man sich regelkonform verhält sind andere meistens irritiert und wissen nicht was sie machen sollen. Wenn man sich hingegen die Vorfahrt einfach nimmt wird man oft angehupt, auch wenn eigentlich keine Gefahr bestand oder irgendein Nachteil für den Autofahrer entstanden ist.

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  5. Meiner Meinung nach verhalten sich aber Autofahrer bei rechts vor links deutlich regelkonformer als wirklich viele Radfahrer. Leider erzwingt sich ein nicht unerheblicher Teil der Radfahrer die Vorfahrt bei rechts vor links. Deswegen vermute ich das Verhalten bei den Autofahrern, dass sie einfach resigniert haben.

    Insbesondere in der Burgstallstraße bergab rasen viele Radfahrer über die teilweise arg uneinsichtigen Kreuzungen, ohne meiner Meinung nach auch nur den Hauch einer Chance zu haben, noch Vorfahrt zu gewähren. Ich fahre ja selber sehr schnell bergab, bilde mir aber ein, noch vor der Kreuzung zum Stehen kommen zu können. Ich habe aber auch gute Bremsen und kann diese halbwegs bedienen.

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    1. Während alle anderen die Burgstallstraße bergab rasenden Radfahrer weder gute Bremsen haben noch diese halbwegs bedienen können.


      Im Ernst, es sieht von außen häufig schlimmer aus als wenn man selbst hinterm Lenker oder dem Steuer sitzt.

      Das ist ein Problem, da Autofahrende und Radfahrende oft bedrohlicher wirken als sie es sind. Man weiß eben nicht, ob der- oder diejenige aufmerksam oder unaufmerksam rast.

      Ich wurde neulich in der Burgstallstraße - wohlgemerkt nicht an einer Kreuzung - von einem Fussgänger mit "Langsamer!" angepöbelt, da er zwischen den parkenden Autos die Straße überqueren wollte. Ich hatte 30,3 km/h auf dem Tacho.

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    2. Es ist schon komisch, dass wir der Fähigkeit von Radfahrenden, zu sehen, was vor ihnen auf der Straße passiert und bremsen zu können, so oft misstrauen. Es gibt verschiedene Erklärungen, warum das so ist, die eine lautet, dass Radler lautlos unterwegs sind, was in unserer Genetik als gefährlich verankert ist, denn lautlos nähert sich nur das Raubtier, alle anderen Tiere machen krach. Autos hören wir (was sich mit Elektroautos ändern wird), weshalb wir die Gefahr durch Autos kleinreden. Radfahrende werden von Menschen, die nie oder nur selten auf dem Fahrrad sitzen, oft als Gesichtslose Krokodile empfunden, die plötzlich zuschnappen. Tatsächlich sind solche Unfälle eher selten. Auf der Burgstallstaße hat es mal einen Kreuzungsunfall mit einem Radler gegeben, da war aber nciht der Radler Schuld, sondern der Autofahrer, der von links kam. Und es ist mal ein Fußgänger angefahren worden, der blicklos über die Straße ging und zwischen Autos hervorkam. Bei solchen Unfällen vergessen viele Fußgänger gern, dass sie viel schlimmer ausgegangen wären, wäre der Gegner ein Auto gewesen und nicht ein Fahrrad. Und ja, auch ich sehe Radfahrende zu schnell an Rechts-vor-Linkskreuzungen vorbeibrausen.

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    3. Na gut, das war vielleicht nicht ganz eindeutig: meine Vermutung geht davon aus, dass ich schon am Limit meiner Bremsen bremsen muss, um überhaupt noch die Kreuzung einsehen zu können und noch reagieren zu können. Trotzdem ziehen mir die Leute im Kreuzungsbereich davon.

      Ich bezweifele nicht, dass auch andere Radfahrer bremsen können und ordentliche Bremsen haben, aber a nicht alle und b gibt es bei 30km/h bei einer ständig zugeparkten Kreuzung, die man erst 5m vorher überhaupt eine Autolänge einsehen kann, schon von der Reaktionszeit (ca. 8m) keine Möglichkeit mehr zu bremsen. Ich verringere meine Geschwindigkeit schon vor der Kreuzug, weil ich einfach im Zweifelsfalle Vorfahrt gewähren muss.

      @Christine: Es gibt erstaunlich wenige Unfälle auf der Burgstallstraße, knapp ist es dort aber häufiger. Generell gebe ich Dir aber mit dem hinter jemanden durchfahren recht. Das funktioniert gut und hält den Verkehrsfluss aufrecht.

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    4. @KaivK: Versteh Dich schon. Du hast da schon einen Punkt.
      Es kommen ja selten Verkehrsteilnehmer von rechts in der Burgstallstraße. Daher wird so manche verleitet, da etwas zu zügig durchzuradeln. Durch die Zuparkung entstehen unzählige uneinsichtige Stellen. Die sind ähnlich uneinsichtig, wie die Zuparkenden selbst.

      Wenn man allerdings eine Radlerin vor sich hat, die anbremst um dann weiter über die Kreuzung zufahren, geht die Hintermann davon aus, dass diese frei ist und kann dann überholen, da man er im Gegensatz zur Vorausfahrenden Schwung mitnimmt.

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