15. April 2020

Jetzt Straßen pandemietauglich organisieren!

Zahlreiche Radentschiede und Mobilitätsinitiativen Deutschlands fordern in einem offenen Brief an den Bundesverkehrsminister, eine Infrastruktur zu ermöglichen, die pandemitauglich ist. 

Die Gehwege sind zu eng und es fehlt an einladender Radinfrastruktur. Es lassen sich auf den Gehwegen keine Sicherheitsabstände einhalten, Menschen weichen auf Fahrbahnen aus. Auf Verkehrsinseln sammeln sich Fußgänger:innen und Radfahrende für Minuten, ohne Chance, Abstand halten zu können. Auf Gehwegen sind Radler:innen unterwegs, die sich nicht ausgekennen und Angst vor dem Autoverkehr auf den Fahrbahnen haben. Wir sehen jeden Tag, wie sehr unsere Verkehrsinfratruktur Platz fürs Auto vorhält, aber nicht für den Rad- und Fußverkehr Raum schafft, die jetzt Platz brauchen.

Und gerade jetzt nehmen - wie auch die Zählstellen zeigen -  immer Menchen das Fahrrad, weil sie nicht öffentliche Verkehrsmittel nutzen wollen.
Nicht alle  finden sich sich auf unserer weder durchgängigen noch leicht verständlichen Radinfrastruktur zurecht. Andere ziehen sich in Autos zurück, weil sie glauben, in Stuttgart könne man gar nicht Fahrrad fahren, denn sie sehen die Radstrecken nicht, die sie nehmen könnten. Zu Fuß gehen und Radfahren sind aber die gesündesten Fortbewegungsformen in Zeiten, in denen es darauf ankommt, körperlich fit und mental positiv gestimmt zu bleiben.

Für provisorische Radstreifen und das Ausweisen von Tempo-30-Straßen als Räume für Fußgänger:innen und Radler:innen mit Vorrang vor Autos fehlen bundeseinheitliche gesetzliche Grundlagen. In Berlin Kreuzberg soll mit vier provisorischen Radfahrstreifen eine Blaupause für andere Städte entwickelt werden. Allerdings kann Berlin als Land agieren, während Stuttgart als Stadt agieren muss, die von der Landesregierung Hilfen bei der gesetzlichen Absicherung bräuchte.

Hier der Link zum offenen Brief an Bundesverkehrsminister Scheuer.

Die Hauptforderungen sind:
  • Gehwege temporär verbreitern: Wo Fußwegezu schmal sind, sollten sie durch Abmarkierungen auf den Fahrbahnen erweitert werden. Auch das Verlegen von Hochbordradwegen und Parkplätzen von den Fußwegen auf die Fahrbahnen hilft schnell und einfach, um Fußwege zu verbreitern.
  • Verlegung von Radverkehr auf die Fahrbahn: Wo Radverkehr derzeit über Gehwege geführt wird, kann er auf die Fahrbahn verlegt werden, damit Platz auf Fußwegen geschaffen wird. Dazu eignen sich sowohl temporäre Radstreifen als auch die Einrichtung von temporären Fahrradstraßen.
  • Temporäre Radfahrstreifen auf der Fahrbahn: Breite und gut erkennbare temporäre Radstreifen (Pop Up Bike Lanes)helfen auch Neu-Radfahrenden, sichere Wege durch die Stadt zu finden.•Straßen für den Rad- und Fußverkehr öffnen: Die Umwandlung ausgewählter Straßen in Zonen ohne Autoverkehr bzw. mit stark reduziertem motorisierten Verkehr schafft zusätzlichen Platz und Verkehrssicherheit.
  • Temporäre verkehrsberuhigte Straßen: Maßnahmen wie der Einsatz modaler Filter oder Verengungen der Fahrbahn können kurzfristig Wirkung zeigen. So können sich Radverkehr und zu Fuß gehende Menschen bestmöglich auf der Straße verteilen und Bewegung vor der Tür in ausreichendem Abstand zu anderen Menschen wird möglich. Provisorische Verkehrsberuhigung hilft auch bei der Entlastung von Parks und zurErmöglichung von Bewegung ohne Ansteckungsgefahr.
  • „Bettelampeln“ umprogrammieren: Durch eine Vorrangschaltung für Rad- und Fußverkehr wird das Berühren des Ampelknopfes sowie das Bilden von Gruppen, die auf Grün warten, vermieden.
  • Grünphasen für nicht-motorisierten Verkehr verlängern: Da aktuell deutlich mehr Menschen auf Fahrrädern und zu Fuß unterwegs sind, braucht es für sichere Kreuzungssituationen mehr Zeit in den Grünphasen. Kurze Grünphasen sind kontraproduktiv, da viele Menschen sich eng zusammendrängen müssen, um die Straße rechtzeitig überqueren zu können.
  • Temporäre Geschwindigkeitsreduktion: Korridore mit Tempo 30 reduzieren die Unfallgefahr und bewirken dadurch auch Entlastung von Krankenhäusern.
  • Märkten unter freiem Himmel mehr Platz geben: Wochenmärkte sollten auf angrenzende Flächen wie Straßen oder Parkplätze erweitert werden, um genügend Raum für Warteschlangen mit Abstand zu schaffen.
Ich hätte noch diese Forderung: Beseitigt bitte alle Autos von den Gehwegen, vor allem, wenn sie dort unerlaubt den Platz belegen, den Fußgänger:innen jetzt dringend brauchen! Polizei ist ja gerade genügend unterwegs, um Menschen zu kontrollieren, die sich zu nahe kommen.

8 Kommentare:

  1. Liebe Christine,

    "Beseitigt bitte alle Autos von den Gehwegen" - und auch von den Radwegen, Schutzstreifen und was sonst noch so an "Radinfrastruktur" existiert.

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  2. Liebe Christiene

    Bitte gebe alle Straßen in Stuttgart für den Radverkehr frei! (Kraftfahrstraßen) So das der Radverkehr ungehindert fahren kann!
    Hochachtungsvoll
    Der Straßenradler

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  3. Ich möchte an dieser Stelle als Zwischenbemerkung mal an einen Artikel von Monheim (Verkehrswissenschaftler von Beruf) erinnern, in welchem er in einer Replik auf einen der neuen Radwegedogmatiker (Sozialarbeiter von Beruf) sachlich korrekt unter anderem auf das Mengenproblem hingewiesen hat.
    Wurde ja damals von Leuten Wie Stork (beruflich Theologe) und anderen Laien aus der Radentscheid-szene verrissen, nach dem Motto: der will kleine Kinder zwischen die LKW schicken usw usw usw
    http://www.urbanophil.net/urbane-mobilitat/radverkehr-fortsetzung-der-infrastruktur-debatte-eine-reaktion-von-heiner-monheim/
    Natürlich haben Leute wie Monheim da recht, ebenso die Analysen von Knoflacher und anderen, die - meist vergeblich - auf die Implikationen induzierter Verkehre hinweisen, auf die Perspektive von Fahrbahn als Raum für die Abwicklung von Rad, ÖPV und Rest-MIV aber nun ...

    Ich fürchte allerdings, dass dieselben Leute, die heute der Not gehorchend und natürlich zu recht das 'verpönte' Fahrbahnfahren einfordern nach Abklingen des Virus unbeirrt fortfahren das Fahrbahnnetz mittels benutzungspflichtiger Radwege und Radweglchen nach niederländischem Vorbild dem Alleingebrauch der Autos zu übereignen.
    Alfons Krückmann

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    1. Sie waren nie in den Niederlanden, oder.
      Hinfahren ost natürloch aktuell schwierig, altetnativ können Sie sich aber auf diesem Blog informieren (am besten am Computer - ausgiebig -lesen):
      http://www.aviewfromthecyclepath.com/?m=1

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    2. Da irren Sie.
      Im Übrigen können Sie sich gern über die stetigen Steigerungen des Atuoverkehrs aus niederländischen Quellen informieren.
      Z.B. hier:
      https://www.kimnet.nl/mobiliteitsbeeld/kerncijfers-mobiliteit-2018
      (Abb. 1, Zeilen 1+3)
      Auch der Blog von Hembrow ist mir seit Jahren bekannt.
      Immerhin hat er letztes Jahr - nach langer Verleugnung des steigenden Autoverkehrs in NL - selbst einen, dies einräumenden, Artikel verfsst.

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    3. "nach langer Verleugnung des steigenden Autoverkehrs in NL"
      Sie haben anscheinend nicht nur das falsch verstanden.

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    4. Cool, jemand der mich nicht kennt aber genau weiss was ich 'falsch verstanden' hätte.
      Beeindruckend wie schnell Menschen aus der 'lets go dutch' Fraktion, da stecke ich Sie aufgrund ihrer Kommentare erstmal hin, auf die Ebene von Diffamierung wechseln ohne auch nur ansatzweise Argumentation oder Fakten zu bringen.
      Wo geht denn z.B. Hembrow auf die zentralen Aspekte von induzierten Verkehren ein, die aus der Anticongestion-Wirkung separierter 'Radinfra' resultieren?
      Wo wird reflektiert inwieweit und warum mit welchen Randbedingungen 'Infra' wie der 'Hovenring' zur Optimierung des MIV gebaut wurden, etc.

      Ohne halbwegs fundierte Kenntnis zu den Themenbreichen 'konstantes Reisezeitbudget' und 'induzierter Verkehr' ist dann tatsächlich nur die Schlussfolgerung ziehbar, dass in NL beim Radverkehr alles im Lot sei und lediglich zusätzlich stattfindendende direkte Autoförderungen (Autobahnbau, Kostenstrukturen etc.) für das NL-Dilemma stetig steigenden Autoverkehrs verantwortlich seien.
      Das stimmt zwar in Teilen, greift aber in Bezug auf den Radverkehr erheblich zu kurz, es verkennt zentrale verkehrswissensch. Erkennnisse und steht zudem nicht in Übereinstimmung mit der bislang vorliegenden Empirie zum Reisezeitshift des MIV (Beschleunigung, also Senkung des Raumwiderstands, was zur Erhöhung der Erreichbarkeitsradien führt mit nachfolgend steigender Zersiedelung, etc....) durch den NL-Typus der autogerechten Radverkehrsseparation.
      Bezüglich der Wirkung des Aufbaus separierter 'Radinfra' mehren sich die Befunde von Kausalbeziehungen zwischen Radseparation in den Städten (nebst Steigerung des Rad-Einwohnerwegemodalsplit) und Ausweitung der ökologisch besonders schädlichen mittleren/längeren MIV-Distanzen.
      Das ist sowohl theoretisch schlüssig herleitbar, als auch empirisch belegbar, wobei natürlich immer die jeweiligen örtlichen Bedingungen zu berücksichtigen sind. Es mag also auch Ausnahmen geben, was aber nichts an Tendenz/Wirkzusammenhang ändert.
      International ist BESTENS bestätigt, dass der Zusammenhang von Kapazitätsausweitung und MIV-Wachstum linear ist.
      "Wer Straßen sät wird Verkehr ernten" kann als gültig betrachtet werden.
      Die verkehrsinduzierende Wirkung des "Strassen Säens" ist dabei stets die Reisezeitoptimierung durch Kapazitätsausweitung.
      Zusammenhänge des Gesamtverkehrs zu begreifen erfordert ein wenig mehr (nämlich die Motivation der Durchdringung der Materie und die Bereitschaft von Perspektivwechseln) als die (in Teilen durchaus verständliche) naive Begeisterung über die oft recht guten NL-Radwege.

      Kern der NL Radverkehrs- und Autoverkehrspolitik ist es den Radverkehr als kostengünstige Optimierung der mittleren und längeren MIV Distanzen in Dienst zu stellen und dabei zugleich den Vorteil von Quartiersaufwertungen mitzunehmen.
      In NL Planungsbüros wird das übrigens ziemlich gut begriffen, was allerdings auf Exportmärkten wie D, aber auch in der Öffentlichkeit des eigenen Landes nicht gern kommuniziert wird. Radwegplanung mit Markenkern 'lets go dutch' ist ja mittlerw. ein wirtschaftlich relevanter ÖPP-organisierter Exportartikel geworden, der sich mit geschickter PR ein 'grünes' Image erarbeitet hat, das allerdings einer empirischen Überprüfung nicht standhält.
      Wahrer Kern bei Hembrow:
      Es braucht Restriktionen gegen den Autoverkehr.
      Nicht begriffen bei Hembrow:
      Die Separation des Radverkehrs stellt in NL einen integralen Bestandteil der Autoförderung und der anticongestion-Zielvorgaben dar.
      Wenn Sie mal ein wenig Zeit haben recherchieren Sie mal exemplarisch z.B. die Genese und Wirkung des 'Hovenrings'. Vielleicht hilft das zu erkennen, dass Verkehrsplanung / Raumplanung ein wenig komplexer ist als es die gegenwärtige Separationsdogmatik vorspiegelt.
      Falls Ihnen die Thematik gänzlich neu ist, was ich aufgrund ihrer Reaktionen vermute, hier mal ein kleiner kompakter Einstieg in die Materie:
      http://www.verkehrswissenschaftler.de/pdfs/Pfleiderer%20-%20Das%20Phaenomen%20Verkehr.PDF

      Alfons Krückmann

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  4. Entschuldigung, Namen vergessen anzugeben.
    Alfons Krückmann

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