Wenn wir, wie Teresa Bücker es in ihrem Artikel tut, die Stadt aus weiblicher Perspektive betrachten, dann ändern sich unsere Ansprüche an sie.
Über die Frage, warum unsere Städte autofrei ein Gewinn für uns sind (leise, ungefährlicher, mehr Platz, mehr Bäume, mehr Sozialkontakte) habe ich schon oft geschrieben, und das kann man in dem Artikel auch alles noch mal lesen. Bücker wirft aber noch eine zweite Frage auf: Benachteiligen autofreie Städte Frauen? Ist die Vision sexistisch? Huch! Das müssen wir uns genauer anschauen.
Eines möchte ich voranschicken: Aufs Auto ausgerichtete und fürs Auto konzipierte Städte benachteiligen Frauen. Vor allem die, die zu Fuß gehen und Kinder dabei haben. Viele, die Autos fahren (hier Lieferanten, männlich), stellen sie überall ab, sehr oft auch auf Gehwegen. So wie hier vor dem Rewe am Marienplatz. Der Sprinter stand da so lange, dass die Frau mit Kinderwagen in der Collage oben zum Einkaufen ging und, als sie zurückkam, wieder über dem Grünfläche an ihm vorbei musste. Auch eine zweite Frau mit Kinderwagen musste übers Grün. Alle anderen Fußgänger:innen natürlich auch. Auch die Radler:innen, die hier fahren dürfen. Ein Mensch im Rollstuhl hat hier überhaupft keine Chance. Die Ordungskräfte interessiert es nicht sonderlich, solche Situationen zu bereinigen.
Autofrei wäre also besser. Allerdings ist nach Einschätzung der britischen Professorin Clara Greed die Stadtplanung auch die Vision von grüneren Städten stark von einem männlichen Blick geprägt. Radfahren ist vielleicht für den männlichen Berufspendler eine optimale Lösung, aber nicht unebdingt auch für die Frau, die ihre Kinder zum Kindergarten bringt, arbeiten fährt, dann einkauft und die Kinder abholt und mit einem vielleicht noch zur Zahnärztin muss. "Von Autos zu Fahrrädern wechseln, mag grüner sein, aber es ist nicht zwangsläufig weniger sexistisch", schreibt Clara Greed in ihrem bereits vor dreißig Jahren erschienenen Buch, "Women and Planning - kreating Gendered Realities" (zitiert nach Bücker).
Auch bei uns hier im Blog ihaben wir uns schon verächtlich über die Öko-Mutter geäußert, die ihre Kinder im SUV zur Schule fährt. Auch in dieser Verachtung steckt Sexismus. Sie tut das nämlich wahrscheinlich nicht, weil sie das toll findet, sondern weil sie noch ein halbes Dutzend anderer Wege vor sich hat. Die Mobilität von Frauen ist tendenziell anders als die von Männern, auch darüber habe ich bereits geschrieben. Aber jetzt spitzen wir das noch ein bisschen zu.
Autofreie, also grüne Städte
stellen wir uns so vor, dass Mütter mit Kindern ungefährdet unterwegs
sein und Kinder auf der Straße spielen können. Aber: Es genügt nicht, das Auto durchs Fahrrad zu ersetzen.
Natürlich kann man/frau mit dem Fahrrad viel machen, auch einen Großeinkauf tätigen (siehe Foto ganz oben). Man kann auch viele Wege hinternander damit absolvieren. Aber Menschen, die Kinder, Einkäufe und ab und zu Oma oder Opa transportieren sollen, kommen mit dem Fahrrad an ihre Grenzen. Während Männer (und kinderlose berufstätige Frauen) oft von zu Hause zur Arbeit fahren (vielleicht danach noch zum Sport und eine Kleinigkeit einkaufen), haben sehr viele Frauen kleinteiligere Wege vor sich, oder anders gesagt: Es gibt viele Menschen, deren Leben und Mobilitätsanforderungen sehr vom dem Mobilitätsverhalten eines gesunden, finanziell gut gestellten, berufstätigen Durchschnittsmann abweichen. Leider fehlen die Daten dazu, vor allem die zu weiblichem Mobilitätsverhalten und weiblichen Lebensbedürfnissen, weil sie von den Minsiterien nicht erhoben werden.
Für den berufstätigen Mann mit wenig Familienpflichten ist es leicht,
auf öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad umzusteigen. Denn er legt meist am Tag nur ein und dieselbe Strecke zurück, was auch für berufstätige Frauen ohne Kinder gilt. Kein Auto haben ist aber für etliche Frauen ein Nachteil, es macht ihr Leben mit komplexen Bewegungsmustern komplizierter, es kostet mehr Zeit, es ist umständlicher oder geht gar nicht. (Und sie muss ja zu bestimmten Zeiten auch daheim sein, um zu kochen.) Die Idee autofreier Städte berücksicht nicht das Leben und die Lebensaufgaben von Frauen, die wir - unsere Gesellschaft - ihnen zuteilen. Sie hätten es schwerer als ohnehin schon. Denn der öffentliche Nahverkehr ist nicht gut genug.
Der Öffentliche Nahverkehr wird den Bedürfnissen von Familien (und Frauen) überhaupt nicht gerecht. Bahnen decken nur wenige große Strecken ab, aber nicht die Verästelungen in den Stadtvierteln (auf Busse muss man noch mal warten), sie machen die Mitnahme von Kinderwagen nicht leich: Treppen, Umwege zu Fahrstühlen, Wartezeiten an Fahrstühlen, wenn sie nicht überhaupt defekt sind, Stufen in den Bus oder die Zahnradbahn hinein. Und sich zur Stoßzeit mit kleinen Kindern in eine Straßenbahn quetschen, ist auch nicht lustig. Kleine Menschen sind im Gedrängel gefährdet. Unsere Kommunen haben bisher noch nirgendwo eine Verkehrinsfrastruktur hingebekommen, die das Radfahren und das Bus und Bahn Fahren für komplexe Wegeketten und Transporte so bequem und sicher macht wie das Auto oder gar bequemer und sicherer. Man kann zwar in Stuttgart mit dem Rad leicht komplexe Wegeketten zu Terminen absolvieren, aber die Oma oder den Opa kriegt man damit auch nicht zur Ärztin transportiert. In der Stadtbahn fällt der Opa aber um, weil er sich nicht schnell genug hinsetzen kann, und fürs Taxifahren ist die Oma zu geizig, und die Tochter will die Taxifahrt auch nicht immer spendieren.
Viele Frauen, vor allem jene, die ohnehin wenig verdienen, würden sich am liebsten gar kein Auto anschaffen - es kostet ja richtig Geld -, tun es aber, weil sie damit zur Arbeit fahren müssen. Zu Extremschichtzeiten, wie sie Krankenpfleger:innen (aber auch Nachrichtenredakteur:innen, generell Schichtarbeitende) haben, fahren gar keine Bahnen. Diese Schichtarbeiten sind meist nicht die hochdotierten Jobs. Kein Auto finanzieren zu müssen, wünschen sich da viele. Dazu brauchen wir aber Bahnen, die immer fahren, und in denen man sich immer als Frau wohl fühlt.
Das Auto ist auch ein sozialer Schutzpanzer, für den Frauen oft ganz dankbar sind. Die Krankenpflegerin oder Nachrichtenredatkeurin möchte sich auf ihrem Weg zur oder von der Schicht ja auch sicher fühlen und nicht von Männern belästigt oder bedrängt werden. Die Lage vor allem junger Frauen ist im öffentlichen Raum viel komplizierter als für junge Männer. Ich bin als junge Frau oft in Stadtbahnen von Männern belästigt worden oder musste mich sehr umsichtig verhalten. Endhaltestellen sind oft einsam, die Wege von ihnen weg schlecht beleuchtet. Je weiter eine Stadtbahn- oder Busfahrt hinaus in die Peripherie geht, desto unangenehmer und unheimlicher wird das für Frauen, die Bahn, der Bus wird immer leerer, am Ende steigt sie alleine aus, und - Hilfe!- auch noch der Mann, der sie die ganze Zeit angestarrt hat. Der öffentliche Raum fühlt sich für Frauen nicht sicher an und ist es auch nicht. Wenn ein Mann sich entscheidet, eine Frau anzusprechen, anzubaggern oder gar anzugrabschen (oder vor ihr in der Stadtbahn zu onanieren), dann kann er das einfach so tun, der Frau bleibt nur Abwehr und Weggehen als Reaktion. Es sind nur wenige Männer, die ihre Dominanz im öffentlichen Raum gegen Frauen ausspielen, aber es reicht, wenn ich als junge Frau das ein oder zwei Mal erlebe, um mich nach einem Auto zu sehnen, das mich durch die Nacht bringt. (Auch das Fahrrad ist da schon mal besser.)
Männer dominieren den öffentlichen Raum. Grundsätzlich können sich Frauen überall auf der Welt, auch in unseren Städtenm nur dort mit guten Gefühlen aufhalten, wo Männer dies zulassen. Sie sind immer abhängig davon, dass Männer sich nicht entscheiden, sie zu verfolgen, anzusprechen oder anzugrabschen. Was das für das Wohlbefinden in öffentlichen Räumen, Bahnen und Bussen oder auf Bahnhöfen beduetet, kann sich kein Mann auch nur ansatzweise vorstellen. Unsere Städte bieten Frauen tatsächlich keine öffentlichen Räume, in denen sie unbefangen und entspannt unter sich sein können. (Viele Frauen merken das gar nicht mehr, entweder, weil sie mit Männern unterwegs sind oder weil sie schon lange nicht mehr dort unterwegs sind, wo sie sich als allein als Frau unsicher fühlen würden.) Die Angst von Frauen im öffentlichen Raum ist so weit verbreitet und tief verankert, dass viele Frauen sie als selbstverständlichen Lebensunmstand betrachten, schreibt Rachel Hewitt in diesem Artikel (Englisch). Die meisten Frauen haben schon erlebt, dass Männer, die ihnen auf dem Gehweg entgegenkommen, gar nicht daran denken, Platz zu machen, sie erwarten, dass die Frau ausweicht. Ich habe früher bewusst ordentliche Ellbogenzusammenstöße provoziert, weil ich auch nicht von meinem geraden Weg abgewichen bin.
Eine Frau nachts allein ist im Auto sicherer und stressfreier unterwegs als per Fahrrad oder in einer halbleeren Straßenbahn mit einem Betrunkenen. Eine 16-Jährige holt man besser mit dem Auto von der Party ab, als sie mit dem letzten Bus zu einer finsteren Endhaltestelle fahren zu lassen, von der sie noch fünf Minuten durch leere Straßen laufen muss.
Das Sicherheitsgefühl (und die objektive Sicherheit) von Frauen wird aber in der Stadtplanung kaum je mitbedacht. Man hat jetzt gerade mal gelernt, dass Fußgängerunterführungen und finstere Parks Angsträume sind. Wie unsicher sich Mädchen und Frauen in unseren Städten fühlen, zeigt sich in dieser Umfrage, über die FAZ berichtet, auch die Umfrage des Jugendrats Stuttgart hat kürzlich einige Leute mal kurz aufgeweckt. Deshalb muss Stadt- und Verkehrsplanung eigentlich künftig von mehrheitlich und federführend Frauen für Frauen gemacht werden. Davon haben dann alle was, auch die Männer.
Die Stadt der kurzen Wege ist in utopischer Ferne. Die meisten Visionen einer lebenswerten Stadt schlagen vor, dass alles, was für Familien wichtig ist, sich in Laufentfernung befindet: Läden, Ärzte, Apotheken, Kindergarten, Schulen, Sportvereine, Banken, Optiker etc. Unsere Städte (allemal Wohnviertel) sind aber nicht so, und sie so aufzumöbeln, erfordert einen grundlegenden Umbau all unserer Stadtviertel, der in absehbarer Zeit gar nicht leistbar ist. Man kann die Privatwirtschaft auch gar zwingen, sich irgendwo mit Läden anzusiedeln. Die Viertel-Stunden-Stadt ist eine gute und auch gendergerechte Vision, aber auch eine irreale, was nicht heißt, dass wir sie nicht anstreben sollten. Das sollten wir unbedingt, aber es dauert eben noch mindestens eine Generation, bis wir sie haben. Neue Stadtviertel könnte man so anlegen, aber wir in Stuttgart wollen keine Satelitenvorstädte auf der grünen Wiese mehr errichten. Die Idee, dass wir dort arbeiten, wo wir wohnen, ist auch hübsch, aber völlig utopisch: und was ist, wenn Frau und Mann berufstätig sind, und das in verschiedenen Betrieben oder Firmen? Auch diese Idee geht davon aus, dass der arbeitende Mann (kann auch mal eine Frau als Hautpverdienerin sein) die Norm ist, und die Frau (kann auch ein Mann sein) daheim die Kinder groß zieht.
Weniger Autoverkehr ist für alle gut und keineswegs sexisistisch. Ohne Auto kommen derzeit und bei unseren futuristischen Konzepten nur diejenigen gut durch die Stadt, die einfache Wege haben und nicht viel mitnehmen müssen. Alle anderen müssten noch Auto fahren dürfen (und nur die). Und es sind eben nicht nur die Handwerker (wobei auch mehr von denen mit Lastenrädern fahren könnten), sondern auch die Menschen, die Familienarbeit machen. Und sicher hätten es all diese Leute prinzipiell schon mal deutlich einfacher mit ihren komplexen Wegen per Auto, wenn alle anderen, die gut aufs Auto verzichten könnten, dies auch täten und das Fahrrad oder die eigenen Füße nähmen. In einer Stadt, in der weniger Autos fahren, haben auch Krankenwagen, Pflegedienste und Handwerker:innen Vorteile.
Wir müssen die anderen Fortbewegungsarten stärken und schützen, bevor wir die Autos ganz verbannen. Und wir müssen von unserem Ist-Zustand der Städte aus sozial gerechter und geschlechtergerechter in die Zukunft planen, denn mit einem Schlag ummodeln können wir sie nicht. Der gesunde Mann mit gutem Einkommen und Beruf darf nicht mehr der Maßstab unserer Stadtplanung sein. Diejenigen, die jetzt schon ohne Auto unterwegs sind, brauchen mehr sichere Fußgwege und Straßenquerungen, und die mit komplexer Mobilität brauchen Gehör, damit man praktische Lösungen findet. Die Mütter (manchmal auch Väter) mit den komplexen Wegstrecken brauchen schnell getaktete Bahnen und Busse, auf die man nicht eine Viertelstunde oder halbe Stunde warten muss. Die Zugänge müssen barrierefrei sein und für Kinderwagen und Einkaufsgepäck muss es reservierte Plätze geben, und zwar viele, denn es wären ja viele so unterwegs. Außerdem müssen wir Fußgänger:innen besser als bisher schützen, vor allem die, die keine jungen Männer sind, sondern Senior:innen. Über die Hälfte derer, die durch Autofahrende getötet werden, sind über 64 Jahre alt. Was nur zeigt, dass unser Straßenverkehr nichts für Menschen ist, die weniger agil sind. Und ganz wichtig: Frauen müssen sich zu jeder Uhrzeit im öffentlichen Raum sicher fühlen können und auch sicher sein.
Was man tun könnte:
Wenn wir die Wegeketten von Frauen mit Kindern verkürzen wollen, müssen Kindergärten und Schulen nebeneinander liegen und Ärzt:innen, Läden, Bankautomaten und Poststationen im Viertel liegen. Und es muss kurz getaktete öffentliche Verkehrsmittel überall in 300 Meter Entfernung geben.
Wenn wir nachts die Sicherheit von Frauen und jungen Frauen in öffentlichen Verkehrsmitteln verbessern wollen, müssen wir Frauenwagen einführen oder Wachpersonal haben, das mitfährt. Die Haltestellen müssen sämtlich gut ausgeleuchtet sein, genauso wie die Straßen, des Heimwegs. Und wir müssen bereit sein, einer Frau zu Hilfe zu kommen, die um Hilfe ruft.
Wenn wir Fußgänger:innen und Kinder von jung bis alt schützen wollen, muss der Autoverkehr in der Stadt auf Tempo 30 verlangsamt werden und Fußgängerüberwege müssen schnell Grün bekommen und lang genug Grün zeigen, damit eine Mutter mit einem kleinen Kind an der Hand oder die Seniorin mit Rollator rüber kommt.
Wenn wir die Sicherheit junger Frauen im öffentlichen Raum verbessern wollen, müssen unsere Schulen, Eltern und alle gesellschaftliche relevanten Institutionen den Männern beibringen, dass ihr dominantes Verhalten unerwünscht ist und nicht toleriert wird. Und bis es soweit ist, dass alle Männer das verstanden haben, müssen wir Frauen im öffentlichen Raum zum Beispiel Calestenic-Anlagen, Kletterparks, Bolzplätze und Jogging-Routen anbieten, wo keine Männer Zugang (und auch keinen Einblick) haben.
Und es wäre gut, wenn Arbeitgeber:innen ihre Mitarbeiter:innen, für die das kein Problem ist, auffordern und unterstützen, nicht mit dem Auto zu kommen, dann haben es diejenigen, die auf Autos angewiesen sind, leichter.
Und wir brauchen Frauen in leitenden Positionen, als Verkehrsministerin, als Bürgermeisterinnen und Amtsleiterinnen für Verkehr und Städtebau und im Orndungsamt.
Übrigens: Der Artikel in der Süddeutchen stellt die Frage, ob die Idee autofreier Innenstädte radikal ist. Es scheint ja so. Aber eigentlich ist es das nicht, weil kein radikales Umdenken stattfindet. Nur Autos weg, heißt, es ändert sich nichts daran, dass unsere Städte und unsere Mobilität von Männern für Männer gedacht wird und viele Frauen (nicht alle) dabei den Kürzeren ziehen. Tatsächlich denkt niemand in Deutschland an völlig autofreie Städte. Wenn wir so was denken, dann denken wir meistens an Innenstädte oder Stadtkerne, die Shopping- und Touristenzentren. Da dürfen dann keine Autos mehr reinfahren, sie müssen in die Parkhäuser drum herum, kein Auto darf mehr am Straßenrand parken. Und das ist auch völlig unproblematisch, denn die Kitas und Schulen, Altenheime und Supermärkte liegen nicht dort, in sie fährt man nur um Klamotten zu kaufen, in Kneipen zu gehen oder zu feiern, und man läuft vom Parkaus auch nur ein paar hundert Meter zu den Zielen. Jedenfalls müssen die jungen Männer nicht Samstag Nacht auf der Theo posen und damit einen gigantischen Stau produzieren.
Feindbild Mann sticht Feindbild Auto.
AntwortenLöschenIch verstehe diese Bedenken, vor allem in dem Ausmaß in dem sie hier vorgetragen werden, ehrlich gesagt nicht. Die Frage ist, so wie sie gestellt ist, von einer völlig aufs Auto fixierten Geselkschaft her gedacht und daher im Ansatz eigentlich falsch.
AntwortenLöschenAutofreie Städte und Dörfer (!) sind natürlich kein Allheilmittel, aber wer behauptet das schon? Und niemand behauptet auch, dass man nur jede Autofahrt durch Fahrräder ersetzen soll. Viel wichtiger sind doch die 'Neben'effekte die durch das Wegfallen eines Großteils des innerstädtischen/dörflichen Autoverkehrs (fahrend und ruhend), die dann vor allem die Mobilität der jetzt benachteiligten Gruppen verbessern, Senioren, Eltern mit Kindern und vor allem Kinder alleine ...
Wenn keine Autos mehr fahren und parken, dann ist viel viel mehr Platz. Ein Fahrrad ist immer langsamer als ein Auto und das Überqueren wird einfacher. Und vor allem, Kinder können viele Wege allein bewältigen. Ein sechsjähriges Kind kann allein in die Schule gehen und zurück, es kann allein zum Sport, zum Musikunterricht. Es kann auch Einkäufe erledigen. Das entlastet Mütter/Eltern ungeheuer. Woher ich das weiß? Ich war in den 70ern Kind...
Und auch die Stadtstruktur würde sich dadurch viel schneller ändern, als der Artikel glauben machen will. Nicht über Nacht, aber innerhalb von Monaten bzw. wenigen Jahren. Wie lange dauert es etwa einen Laden, ein Café, eine Werkstatt zu eröffnen? Öffentliche Dienste sind ein anderes Thema, aber wenn in der
Politik in Bezug auf den Verkehr ein wirkliches Umdenken stattfinden würde, dann sicher auch in den anderen Bereichen.
Alles Andere, was gutes Zusammenleben ermöglicht, wäre ebenfalls auf einen Schlag verbessert, wenn es nicht mehr möglich ist, quasi anonym, von Allen und Allem abgekapselt, mit riesiger Kraft unter dem Gaspedal zu schnell durch zu enge Straßen zu fahren. Den anderren als Menschen wahrnehmen, sozial zu interagieren, Rücksicht zu nehmen, all das fände automatisch wieder statt, man sieht es ja, da wo es bereits verwirklicht ist.
Ich bin allerdings auch mit dem Grundtenor dieses Artikels und der aktuellen Diskussion über die Geschlechterverhältnisse nicht immer einverstanden. Vieles, was als Pobleme einer von Männern dominierten Gesellschaft angesprochen wird, sind in Wahrheit Probleme systemischer Gewalt, wie sie z.B. im Straßenverkehr sichtbar wird, und an der Frauen zu 50% beteiligt sind. Jetzt kann man natürlich diskutieren, ob die systemische Gewalt ursächlich von Männern verursacht wird, aber ich denke das ist in vieler Hinsicht zu kurz gedacht. Frauen sind nicht automatisch die besseren Menschen. Unbestreitbar verstärkt eine gewaltätige Gesellschaft aber Tendenzen zur Gewalt. Aber Gewalt nimmt auch rapide ab, wenn man die Instrumente der Gewalt wegnimmt, seien es Waffen, oder eben Autos.
Äh, warum nochmal wird völlig selbstverständlich davon ausgegangen, dass Frauen die Einkäufe machen und die Kinder von A nach B bringen? Ist das gottgegeben oder einfach nur der gerade existierende Zustand? Dass die meisten Menschen mit dem Auto unterwegs sind, ist ja auch der gerade existierende Zustand. Ich dachte, wir beschäftigen und hier mit der Frage, wie die Dinge sein könnten...
AntwortenLöschenVielleicht ist es ratsam,
AntwortenLöschen-nicht in absoluten Kategorien zu denken. (Keine Autos, nur noch Fahrräder, die Frauen, die Männer,...)
-zuerst Ziele zu definieren. "Wir verbieten Autos in den Städten" ist kein Ziel, sondern eine Maßnahme.
Eine Maßnahme, um was zu erreichen? Dieses "was" beschreibt ein Ziel.
Es sind ja zwei ganz verschiedene Punkte, die hier aus Frauen-Sicht gegen die autofreie Innenstadt angesprochen werden:
AntwortenLöschenErstens, dass manche Mütter kleiner Kinder ihre komplizierten Wege nicht sinnvoll ohne Auto zurücklegen können. Als Hausmann und Vater ohne Auto kenne ich die Probleme, die vielen Wege zusammen mit den Kleinen zu Fuß oder mit Rad brauchen Zeit und manchmal Nerven. Und obwohl es bei uns eigentlich sehr gut funktioniert, kenne ich im Umfeld auch andere Stimmen. Da muss dann z.B. die Tochter nachmittags an den Stadtrand zum Reiten und der Sohn in einen entfernten Stadtteil zum Flötenunterricht. Klar, das geht ohne Auto nur schwer. Andererseits zeigt sich dahinter auch schon mal die nicht hinterfragte Einstellung, dass eben die Hobbies der Kinder wichtiger sind als ein nachhaltiges Leben.
Der zweite, ganz andere Punkt des Beitrags ist, dass Frauen im Auto sicherer im öffentlichen Raum unterwegs sind als zu Fuß. Das ist leider so. Das betrifft allerdings wohl mehr den Fußverkehr bzw. die öffentlichen Verkehrsmittel als das Radfahren. In diesen Bereichen müsste viel mehr für die Sicherheit von Frauen getan werden. Mit dem Rad sind Frauen dagegen vermutlich relativ sicher unterwegs, auch wenn es natürlich auch auf Radwegen abends dunkle Ecken gibt. Gegenüber dem Auto hat das Rad allerdings auch einen Vorteil: es kann im Unterschied zum Auto oft direkt vor dem Laden, Kino, Kneipe usw. abgestellt werden, so dass der unsicherere Fußweg zum Auto entfällt. Mein Fazit: manchmal mag das Auto für Frauen notwendig bzw. das sicherste Verkehrsmittel sein, aber das steht einer echten Mobilitätswende nicht wirklich im Weg.
Zusammengefaßt: Sauerstoff ist frauenbenachteiligend.
AntwortenLöschenUnd bitte richtig gendern: der Begriff "Bürgermeisterinnen" unterstellt, daß sich diese nur um Bedürfnisse männlicher Bürger kümmerten. Natürlich gibt es aber auch Bürgerinnenmeister und Bürgerinnenmeisterinnen.
Jörg
AntwortenLöschenEs gibt Dinge über die wundert man sich immer wieder. Die meisten sagen familienfreundliche Quartiere haben große Parkplätze direkt vor den Häusern. Familien möchte direkt vor/ ins Schwimmbad fahren usw. und so fort.
Seit Jahren wundert es mich was mit dem Sicherheitsgefühl von Frauen alles begründet werden kann. Es erscheint teilweise willkürlich. Es geht ja zum Teil zu weit. Denn selbst ich werde, so ich denn ich abend im Ommnibus sitze, schon als Gefährdung und nicht nur als latente Bedrohung gesehen. Lustig ist noch der Irrglaube wenn ich mit dem Auto unterwegs bin würde ich eher jemanden helfen würde, als wenn ich auf dem Radle daher komme.
Die Frauen und Männer Diskussion ist in geselliger Runde lustig. Außer zur Unterhaltung führt sie zu nichts.
In Zuffenhausen, Stammheim, Rot und Freiberg können Opa und Oma nicht nur zur Ärztin mit dem Rad gefahren werden, sondern danach noch zum einkaufen. Wenn sie wollen sogar zusammen. Und wenn sie kein Geld haben, auch umsonst.Die Zuffka macht es möglich. Die Rikscha von Zuffenhausen. Geht also doch in Stuttgart. Wenn auch (noch) nicht überall. :-)
AntwortenLöschenAutos mögen ihre Berechtigung haben, aber darauf zu verzichten ist auch als Familie mit Kindern möglich. Sicher in der Stadt. Das ist für mich keine Geschlechter Frage, das ist eine Frage der Organisation.
In Zuffenhausen, Stammheim, Rot und Freiberg können Opa und Oma nicht nur zur Ärztin mit dem Rad gefahren werden, sondern danach noch zum einkaufen. Wenn sie wollen sogar zusammen. Und wenn sie kein Geld haben, auch umsonst.Die Zuffka macht es möglich. Die Rikscha von Zuffenhausen. Geht also doch in Stuttgart. Wenn auch (noch) nicht überall. :-)
AntwortenLöschenAutos mögen ihre Berechtigung haben, aber darauf zu verzichten ist auch als Familie mit Kindern möglich. Sicher in der Stadt. Das ist für mich keine Geschlechter Frage, das ist eine Frage der Organisation.
Der Begriff "autofrei" bedeutet natürlich immer "autoarm". Selbst eine Reduzierung um 30 %, die noch völlig ohne Einschränkungen vonstatten ginge, wäre kaum durchsetzbar. Daher ist die Frage derzeit noch nichts relevant.
AntwortenLöschenKlasse, das empfinde ich schon als Sexismus....ich habe als MANN zwei Kinder ausnahmslos mit dem Rad die letzten 10 Jahre durchs Leben gebracht, und soll nun Mitleid mit den SUV - Müttern haben? Ich glaube, ich spinne......
AntwortenLöschenVielleicht kannst du aber auch so großzügig sein, und anerkennen, dass es immer noch die Mehrheit an Frauen ist, die das macht, was du als Vater machst. Ich begegne erstaunlicherweise dem Sexismusvorwurf immer nur dann, wenn ich mal Radlerinnen oder Frauen in den Mittelpunkt eines Posts stelle und benenne, was die für Probleme haben, umgekehrt passiert das nie. Warum ist das eigentlich so, dass sich manche Männer, zu denen du vermutlich gar nicht gehörst, angegriffen und diskriminiert fühlen, wenn man ausspricht, dass Frauen Nachteile in unserem Verkehrssystem und auch in den Visionen eines anderen Verkehrssystems haben, wenn man das nicht von Anfang mitbedenkt? Du sollst nicht Mitleid haben mit Frauen, die SUV fahren, aber ich habe es immer nützlich gefunden, zu verstehen, warum Menschen etwas tun, auch wenn ich es selbst nicht tue und auch nicht gut finde. Denn wenn man die Gründe versteht, kann man die Ursachen beseitigen. Ohnehin mag ich es nicht so gern, wenn wir Menschen verdammen, weil sie etwas tun, was in unserer Gesellschaft erlaubt ist.
LöschenDie Gründe sind einfach: die SUV fahrenden Mütter - und natürlich auch Väter - sind zu faul, sonst würden sie ja auch nicht mit Gefährdung anderer direkt vor dem Schuleingang parken, oder es ist der Firmenwagen und der Sprit umsonst, oder Fahrrad fahren oder laufen macht man halt nicht....
AntwortenLöschenund zum letzten Satz: dann ist ja alles gut, dann brauchts ja keine Veränderung, denn es ist ja erlaubt, dass alle mit dem Auto fahren
Hallo Christine Lehmann,
AntwortenLöschenden Beitrag habe ich ja auf Twitter spontan und heftig gelobt. Es ist ganz, ganz wichtig, die Verkehrswende nicht nur technisch, sondern auch sozial zu betrachten, und da haben Sie den Finger in einige Wunden gelegt.
Nicht zum Mäkeln und Besserwissen, sondern nur als Anregung ein Hinweis zu einem Satz im Text: "Leider fehlen die Daten dazu, vor allem die zu weiblichem Mobilitätsverhalten und weiblichen Lebensbedürfnissen, weil sie von den Minsiterien nicht erhoben werden." Doch, es gibt viele Daten auf der Auswertungsseite von MID: https://mobilitaet-in-tabellen.dlr.de/mit/login.html?brd Da kann man im Auswahlmenü unter "Merkmale der Person" das Geschlecht eingeben und das mit anderen Merkmalen kombinieren. Manches auf der Seite ist etwas tricky; falls Sie wollen gern mehr Austausch dazu. roland.stimpel@fuss-ev.de