28. April 2023

Fahrrad vom Pkw her gedacht

Decatlon meint, Autofahrende verstünden das Radfahren nicht und stellt ein E-Rad für diese Leute vor. 

Der französische Sportantikelanbieter versucht nach eigenen Angaben, das Fahrrad vom Pkw her neu zu denken. Hintergrund der Überlegungen sind die bekannten Fakten, dass auch in Frankreich die Meisten ins Auto steigen, auch wenn die Strecke kürzer ist als 5 km. E-Räder wären eine Möglichkeit, sehr bequem solche Strecken zurückzulegen, aber Autofahrende zögern. 

Vielleicht kennen sie das Fahrradfahren noch aus ihrer Kindheit und Jugend und erinnern sich an Ketten, platte Reifen, quietschende Felgenbremsen und Gefummel beim Abschließen. Für ihr Erwachsenenleben erscheint ihnen das Fahrrad zu - sagen wir mal - robust und körperlich herausfordernd. Decathlon hat nach eigenen Angaben ein Magic Bike gebaut, das den Gewohnheiten von Autofahrenden näher kommen will. Es gibt aber auch noch weitere Vorschläge. 

Tatsächlich ist das Fahrrad ein Verkehrsmittel, dem man Mechanik und Statik noch ansieht: Kurbel, ölige Kette, Kabel für Bremszüge, Rahmen. Reinfassen kann man überall und Hosenbeine können hängen bleiben. Während Autos unisex sind, kommen Räder als Damen- und Herrenrad zusätzlich mit unterschiedlichen Rahmengrößen daher. Wenn ein gewohnheitsmäßiger Autofahrer (oder eine Fahrerin) auf ein Fahrrad (auch Pedelec) steigt, begibt er/sie sich in eine andere Mobilitätswelt, die ziemlich umständlich erscheint. Während er/sie das Auto mit einem Druck auf den Funkschlüssel zu- und aufschließt, muss er/sie beim Fahrrad extra schwere Ketten-, Kabel- oder Bügelschlösser dazukaufen und irgendwie mitnehmen und sich beim Ab- und Aufschließen immer bücken und mit zwei Händen fummeln. Die Nachtbeleuchtung ist eine Funzel, ein Fernlicht für dunkle Feldwege gibt es nicht. Vorm Abbiegen muss er/sie den Lenker samt Bremse loslassen und die Hand rausstrecken. Und vor Regen geschützt ist er/sie auch nicht. Damit das Fahrrad was transportieren kann, muss er/sie sich über Taschen, Boxen und Spanngurte und Regenschutz Gedanken machen. Und mal schnell jemanden auf dem Rad mitnehmen, geht auch nicht. 

Das Magic Bike ist ein Prototyp, der Ideen liefern soll, wie man das Radfahren den Erwartungen von Menschen anpasst, die die bequeme Funktionalität von Autos gewohnt sind. Aber ist das wirklich so?  

Decatlon wirbt mit 
  • einem Tiefeinstieg: Autofahrende sind nicht unbedingt die Verrenkungen gewöhnt, die wir machen, um auf das Diamantrad zu kommen. Dank der E-Technik sind die Rahmen genauso stabil wie Diamantrahmen eines klassischen Herrenrades.  Okay, passt.
  • anderen Bremsen: Es gibt - analog zum Bremspedal - nur einen Bremshebel, der beide Bremsen, hinten und vorn, aktiviert. Von einem ABS-System ist hier nicht die Rede wie es Bosch anbietet. Es könnte aber sein, dass Decathlon es eingebaut hat. Die Bremszüge sind übrigens versteckt. Sehe ich kritisch: Wir bremsen ja gezielt mit dem Vorderrad oder gezielt mit dem Hinterrad, wenn es glatt ist. Und wenn die rechte Hand beschäftigt ist (Abbiegen anzeigen, verbotene Aktionen mit dem Handy), dann ist der Weg zur Bremse weit. 
  • einem geschlossenen Getriebe: Das Rad hat Automatikgetriebe, Antrieb und Zahnriemen sind komplett abgedeckt. Da bleiben keine Hosenbeine oder Mantelschöße in den Zahnrädern hängen. Ein in den Lenker integriertes Display, also ein wohltuend cleanes Cockpit, liefert die Daten zur Fahrt. Klingt gut, allerdings ist die Frage, wie gut die Automatik zu meinem Fahrstil passt. 
  • Licht:
     Es gibt ein starkes Frontlicht und ein Bremslicht hinten. Allerdings, wenn schon, dann hätte man ein Fern- und Abblendlicht für finstere Waldfahrten oder Stadtverkehr einbauen können. (Solche Lichtanlagen gibt es für Fahrräder, aber bisher nicht fest installiert.
  • Es gibt Blinker an den Lenkerenden. Sie sind zwar nach derzeitiger Rechtslage in Deutschland nicht erlaubt (man muss immer noch Handzeichen geben), aber ich finde, da könnten wir endlich mal per Gesetzgebung aus dem verstaubten Prinzip der Handzeichen herauskommen. Also: gut. Es erfordert nämlich fahrerisches Können, auf einer Bergabstrecke (wo man beide Hände an den Bremsen hat) die Hand vom Lenker zu nehmen und einen Richtungswechsel anzuzeigen. Bei einem Rad mit nur einem Bremshebel geht das beim Rechtsabbiegen gar nicht. Deshalb ist ein Blinker hier notwendig.)
  • einem variablen Akku mit integriertem Landegerät:
    Der Akku steckt im Unterohr, kann aber rausgenommen werden. Das Ladegerät ist in den Akku integriert, sodass man ihn überall aufladen kann, ohne ein Ladegerät mitgenommen haben zu müssen. Darüber, wo das Kabel untergebracht ist, das man zur Steckdose legt, habe ich nichts gelesen. Der Akku besteht außerdem aus drei Modulen, die für je 30 km Reichweite Strom liefern. Wer weniger Reichweite braucht oder will, spart sich ein oder zwei Module und damit Geld und Gewicht. Gute Idee, denn auch viele Radstrecken sind nicht länger als 10 km und man braucht gar keinen so großen Akku. 
  • automatischer Entriegelung: Das Rad erkennt durch die Verbindung mit dem Smartphone automatisch, wenn der Besitzer sich nähert und entsperrt dann den elektrischen Antrieb. Klappt man den Fahrradständer nach der Fahrt aus, schaltet sich die Sperre wieder ein. Das klingt gut, vorausgesetzt es funktioniert pannenfrei. Ein externes Schloss scheint allerdings immer noch vonnöten, wenn man das Rad anschließen möchte und auch muss, damit die Versicherung bei Diebstahl zahlt. Wobei die Idee einer smarten Entriegelung so neu nicht ist. Smarte Schlösser mit Fingerabdrucköffner und Bluetooth-Verbindung zu Handy-Apps gibt es inzwischen einige. Fingerabdrucksensoren funktionieren bei Regen aber nur unzuverlässig. Dann sollte man eine Alternative fürs Öffnen haben (Code, Schlüssel oder Bluetooth-App). Aufladen muss man die Schlösser immer extern, sie sind nicht an die Elektrik der Pedelecs angeschlossen. Das ilockit-Rahmenschloss schließt und öffnet sich per Bluetooth übers Handy, per Chip am Schlüsselbund oder mit einem Code. Man kann einstellen, ab welcher Entfernung vom Rad es sich schließen und wieder öffnen soll. Der Akku soll ein halbes Jahr reichen, die App und das Schloss selber warnen vor niedrigem Ladestand. Aufladen muss man es mit Powerbank am Fahrrad, weil man es dafür ja nicht einfach abschrauben kann. Alles zusammen kostet 180 Euro.  
  • einfachem Klicksystem für die Gepräckträger vorn und hinten (Kindersitz, Taschen etc).  (Dazu noch ein Video mit viel Gequatsche. Nun ja. 

Ich finde, man hätte konsequenter sein können. Vielleicht fehlt den Herren Entwicklern noch der weibliche Blick auf die Alltagstauglichkeit und technische Bequemlichkeit von Fahrrädern. Ich vermisse echte Innovationen. Zum Beispiel: 

Wo ist die Funkverriegelung? Autofahrende verriegeln ihr Fahrzeuge mit nur einer Hand und per Knopfdruck auf einen Funkschlüssel, den man zur Not mechanisch einsetzen kann. Die Batterie hält jahrelang. (Am Handy ist nämlich kein Schlüssel, der noch mechanisch funktioniert, wenn das Handy entladen oder verloren ist.) Ich frage mich schon lange, warum beim Fahrrad nicht geht, was beim Auto problemlos möglich ist. Pedelecs haben eine Elektronik, die man für eine Lenkersperre und -entsperrung (eine Hinterrad oder Rahmensperre etc.) mit Funkschlüssel einsetzen könnte. So kann man das Rad schnell abschließen, wenn man nur kurz in einen Laden geht. Schlimm genug, dass man das Rad für lange Nächte immer noch anschließen muss, und echt kurios, dass wir Radfahrende unsere Schlösser extern mitschleppen, um Rohre wickeln, an den Rahmen klemmen, in Taschen tragen, um den Leib schlingen. Könnte man sich nicht mal Gedanken machen über serienmäßig mitgelieferte sichere integrierte Fahrradschlösser, mit denen man Räder anschließen kann?  


Wo ist der Kofferraum? Schließlich ist der Kofferraum das Hauptargument, wenn Autofahrende die Bequemlichkeit des Autos herausstreichen wollen. 
Autofahrende wollen außerdem weder Regenklamotten noch Helm mit sich herumschleppen. Es muss also einen abschließbaren Behälter am Rad geben, der Handtasche (Computertasche), Regenkittel und Helm fasst. Und wenn dieser "Kofferraum" auch noch so gestaltet ist, das man darauf etwas Sperriges transportieren kann, beispielsweise ein Paket oder die Packung Klopapier, dann wäre das wirklich alltagstauglich. Die nach oben gebauchten Helmboxen für den Gepäckträger, die es im Handel gibt, sind es nur begrenzt. Variable Gepäckträger könnten beispielsweise auch eine verbreiterbare Fläche samt Fixierung für Sprudelkisten haben. 
Manche wollen auch einen Hund mitnehmen, in einer Hundebox, oder die Katze zum Tierarzt fahren, auch in einer Box. Das muss alles blitzschnell drauf und wieder runtergenommen werden können. 

Und wie ist das mit dem Beifahrersitz? Autofahrende können immer mal schnell jemanden mitnehmen. Ich kann das nicht. Dabei wäre das durchaus eine Option. Gesehen habe ich einen Gepäckträgersitz schon mal auf einem Rad. Er hat einen Anschnallgurt und ausklappbare Pedale. Geht also. 

Es gibt ein Fahrrad, das Kofferraum und Beifahrersitz kombiniert
nämlich dieses von Civilized. Derzeit ist es aber wohl nur aus den USA zu beziehen. Mit dem kann man nicht nur jemanden mitnehmen, sondern auch ordentlich was transportieren. Es ist ein echtes Stadtrad mit zahlreichen Features. Es hat einen tiefen Einstieg, ebenfalls eine versteckte Kurbel, versteckte Akkus, einen Gepäckträgersitz und zu beiden Seiten zwei Hartschalentaschen, die man ausziehen, aber auch wieder anlegen kann. Es ist stark gefedert, man kann Bordsteine runter fahren, ohne dass es den Beifahrer vom Sitz katapultiert. Gefällt mir wesentlich besser als das die Decathlon-Studie, aber das ist Geschmacks- und Bedarfssache. Mit seiner Optik entfernt es sich deutlich von unseren Sehgewohnheiten, was ich gut finde, und was auch Autofahrende eher überzeugen könnte. 

Aber liebe Designer: 

Wo ist der Rückspiegel?
Gerade Autofahrende sind gewöhnt, den Verkehr hinter sich im Blick zu behalten, damit sie sich nicht umdrehen müssen. Dass man nicht mit einem schnellen Blick in den Spiegel sehen kann, was sich hinter einem tut, dürfte Umsteiger:innen aufs Fahrrad irritieren. Rückspiegel kann man sich natürlich nachträglich an den Lenker schrauben, aber diese Dinger stören das edle Design eines Fahrrads und sollten mitdesignt werden (übrigens nicht wie dieser, meiner auf dem Foto, mit konvexem Spiegel, der einen glauben macht, das Auto oder Fahrrad, das von hinten kommt, sei noch ganz weit weg, sondern mit einem planen Spiegel). Rückspiegel sind ein echter Sicherheitsgewinn für Radfahrende. Dann radelt man nicht mehr ganz so, als könne hinter einem nichts mehr kommen, das schneller ist als man selbst, und nietet beim handzeichenlosen Abbiegen nicht einen Überholer um. 

Wieso müssen Ampelstopps so unbequem sein?
 Autofahrende sitzen am Ampeln bequem in ihren Sesseln. Radfahrende nicht. Eigentlich würde ich als Radlerin gerne an roten Ampeln nicht vom Rad hüpfen oder mich mit einem Bein auf Zehenspitzen abstützen müssen. Ich bin einmal einen Cruiser geradelt, der den Vorteil hatte, dass man nach vorne tritt also tiefer sitzt und bei Ampelstopps mit beiden Füßen auf den Boden kommt. Da haben mir die Wartereien an Ampeln sehr viel weniger ausgemacht. Für das Stadt-Stopp-and-go-Radeln wäre ein tieferer Sitz günstiger und würde Mopedfahrernde bei ihren Erfahrungen und Gewohnheiten abholen. Auch unverhoffte Schnee- und Eisfahrten sind dann leichter zu bewältigen. 

Was ist mit sicheren Reifen! Unplattbare Reifen gibt es, und ich vermute, die sind an solchen Bikes dran. Denn das ist der Alptraum eines Umsteigers: Am Straßrenrand mit Flickwerkzeug Reifen flicken. Oder das schwere E-Rad heimschieben. Radreifen müssen so zuverlässig sein wie Autoreifen. Sicherheit geht aber noch weiter: Ich finde, Fahrräder für Autofahrende müssen serienmäßig so breite Reifen haben, dass niemand mit dem Vorderrad in Straßenbahnschienen gerät und stürzt. Ohnehin sind Autofahrende es nicht gewohnt, so auf den Untergrund zu achten, wie wir Radfahrende das tun. In den ersten Monaten des Umstiegs gibt es bei forschen Radler:innen deshalb oft eine Reihe von Stürzen, etwa wegen Bordsteinkanten, Schienen, Schlaglöchern oder Eisglätte. Und wenn wir schon bei Eis sind: Ein Vorderrad mit Spikes - leicht zu montieren - könnte man mitliefern. Ich suche aber auch regelmäßig im Netz nach Schneeketten für Fahrräder und habe noch keine gefunden. Und vielleicht wär der Rutsch-Schutz für Fahrradreifen eigentlich auch etwas weniger voluminös hinzukriegen. 

Und WAS IST BEI REGEN?
Ein Problem, das fast alle Autofahrenden beim Umstieg aufs Fahrrad sehen, ist das schlechte Wetter. Wer länger Rad fährt, weiß, dass es nicht so problematisch ist. Doch diesen Schrecken könnten und müssten künftige E-Räder den Menschen, die das Radfahren für eine exotische Tätigkeit von Eingeweihten halten, nehmen, zumindest in Luxus-Varianten mit einem integrierten Dach. Fahrraddächer (Radregenschirme) gibt es natürlich schon im Handel, man kann sie an Fahrräder anschrauben. Schnell ab- und anmontiert sind sie nicht. Im Grunde braucht das Fahrrad wie das Kabrio ein Dach, das sich mit einem Handgriff (oder Knopfdruck) aufspannen lässt. Oder es ist von vorn herein mit Dach gebaut. BMW entwickelt offenbar wieder einen Roller mit Dach, nachdem das erste Modell sich nich durchgesetzt hat, vermutlich, weil es ungewohnt aussieht. Die Entwicklung wird höchstwahrscheinlich auch zu dreirädrigen E-Rädern mit Kabine gehen. Da wird gerade ganz viel erfunden

Ich finde durchaus, das Fahrrad muss sich emanzipieren.  Was sich an Innovationen durchsetzt, wird sich zeigen. Das hängt auch damit zusammen, ob sich das Radfahren noch einmal technisch und gestalterisch emanzipiert. Die Pedelecs haben es Anfang des Jahrtausends aus der Nische der Unerschütterlichen herausgeholt und für weniger Sportliche attraktiv gemacht. Inzwischen ist fast jedes zweite verkaufte Rad ein E-Rad. Jetzt muss es sich noch einmal von Kettenöl, Sattelpacktaschen, Hosenklammern, nur zweihändig zu bedienenden Schlössern und Regenkitteln emanzipieren.  

An die Elektronik in Autos haben sich die meisten Menschen gewöhnt (elektrische Fensterheber, Funkschlösser, eingebauter Navi, Freisprechanlage, Fahrassistenzsysteme etc.), das Fahrrad fahren wir - und sicher viele von euch, die ihr diesen Artikel lest, sogar gerne - noch ein bisschen so, wie man früher Auto gefahren ist (mit Werkzeugkasten), als man selber den Keilriemen durch einen Nylonstrumpf ersetzen konnte. Am Fahrrad können wir noch selber rumschrauben, an Autos längst nicht mehr. Und ich kann mir vorstellen, dass viele den Gedanken an reine Werkstatt-Räder nicht gut finden. Aber der Gedanke an dreckige Schrauber-Finger und ölverschmerte Hosenbeine befremdet Autofahrende durchaus, wenn sie umsteigen aufs Rad, genauso wie das Rumgefummel an den Schlössern, und die Frage, wie sie normale Einkäufe und Handtaschen regensicher transportieren sollen. Als Radler:in erarbeitet man sich im Lauf der Zeit Lösungen für die eigenen Bedürfnisse. Aber man muss viel zu viel dazukaufen, und was man dazukaufen kann, finde ich persönlich im höchsten Maß unperfekt. 

Während langjärhige Radler:innen oft innovative Räder ablehnen (übrigens der Handel noch viel mehr, der ist sehr konservativ), weil sie anders aussehen als ein klassischer Göppel, könnten Autofahrende womöglich damit gewonnen werden, dass Fahrräder nicht mehr nach Kette, Kurbel und Öl aussehen und beim Abstellen leicht zu sichern sind. Wenn sie sich dann noch so fahren, dass nicht jede Bodenwelle, direkt über die Wirbelsäule ins Genick durchschlägt oder Gleise zu Todesfallen werden, könnte auch das ungemein helfen. Auch wenn Autofahrende auf dem Fahrrad vermutlich sehr schnell begreifen, warum Radfahrende es nicht sinnvoll finden, an jeder roten Ampel anzuhalten, wäre es vielleicht besser, diese Versuchung dadurch zu unterbinden, dass man beim Halten und Warten beide Füße auf den Boden stellen kann. Wenn Zürich (und andere Städte) sich wirklich eines Tages darauf einlassen sollte, die Hälfte des Verkehrsraums für Fahrräder bereitzustellen, werden dort sicher E-Rad-Fahrzeuge rollen, die jede Menge Features haben, die Autofahrenden das Radfahren weniger fremd machen als derzeit. Und dann kann auch die Geschäftsfrau Rad fahren



12 Kommentare:

  1. Ja, kann man alles machen. Damit gehen dann aber so ziemlich alle Vorteile des Fahrrades im Bezug auf Resourcenschonung bei Herstellung und Betrieb verloren. Wenn man Zweiradautos baut vermeidet man konsequent eine Diskussion über die eigentlichen Ursachen unserer Welt, die Sucht nach grenzenlosem Komfort und die Unfähigkeit falsche Verhaltensmuster zu verändern.

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  2. Mein erster Gedanke beim Lesen wurde schon von meinem Vorposter ausgedrückt. Auf französisch könnte man sagen, "Nous sommes divorcés du monde physique", wir haben uns aus der physischen Welt verabschiedet. Wir können, wir wollen nicht mehr wahrhaben, dass wir Teil dieser Welt sind, mit allen Vor- und Nachteilen, und dass wir aich nur als integrativer Teil, als eine Art unter vielen und nicht irgendwie was besonderes, in dieser Welt überleben können.

    Nicht das Fahrrad muss sich emanzipieren, wir müssen uns emanzipieren, von einer Ideologie, die aus völliger Eigennützigkeit heraus unsere wahre Natur als physische und soziale Wesen leugnet. Das richtige französische Vorbild ist nicht Decathlon, sondern Pierre Rabhi und seine "sobriété heureus", seine glückliche Genügsamkeit".

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  3. Dass ich Elektronisierung des Radfahrenes kritisch sehe, wisst ihr vermutlich, und es geht auch aus dem Artikel hervor. Ich fahre allerdings eben ein Pedelec, das ich für die typischen Alltags- und Erledigungsfahrten durch die Stadt so nutze wie andere Leute ein Auto. Und Pedelecs gehen ohne Elektronik nicht. Es hat sich bereits vom ursprünglichen Fahrrad entfernt. Niemand würde heute sagen, wir müssten noch mit dem Dreigangrad meiner Jugend fahren, weil das ehrlicher und technisch weniger aufwändig sei. Ich finde schon, dass sich Fahrräder den Bedürfnissen anpassen dürfen. Gerade die Pedelecs helfen vielen, aufs Fahrrad umzusteigen, besonders in Stuttgart mit seinen Steilstrecken. Und ich mag es ja nicht, wenn etwas umständlich ist, wenn es auch einfacher ginge, etwa bei den vielen Handgriffen, die man zum Abschließen eines Rades machen muss. Oder der schlechte Werkstattservice für Fahrräder oder die schlechten Sortimente bei Fahrradkleidung insbesondere für Frauen und Regen etc. oder die Frage, wie man Menschen, Gegenstände oder Einkäufe unkompliziert und ohne Zusatzausrüstung transportiert. Fahrräder sind technisch einfacher als Autos und sollen es auch bleibe, keine Frage. Je mehr Menschen auf Räder umsteigen wollen, desto vielfältiger muss aber auch das Angebot werden, finde ich.

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  4. Vieles von dem, was der Artikel als erstrebenswert darstellt, widerspricht einfach dem, was das Fahrrad als energieffizientestes Fahrzeug ausmacht.
    Ich will nur zwei Beispiele herausgreifen, zuerst die geforderten pannensicheren Reifen. Pannenchutzschichten u. dgl. erhöhen den Rollwiderstand enorm, das kann bis zu 20% (!)ausmachen. Eine der einfachsten Verbesserungen an einem neuen Fahrrad kann es sein, die steifen Originalreifen durch geschmeidige Reifen (im Aufbau wie eine Rennradreifen) zu ersetzen. Ich fahre solche Reifen in Breite 38 seit vielen Jahren, auf allen möglichen Untergründen, ohne dass sich die Pannenhäufigkeit irgendwie erhöht hätte. Ein-, zweimal im Jahr eine Reifenpanne zu beheben ist jederfrau/mann in 10 Minuten möglich. Dass in Deutschland Reifen wie der Schwalbe Marathon so populär sind, scheint an einer Art Vollkaskomentalität zu liegen, die das Risiko einer Reifenpanne völlig überschätzt.
    Zweitens die Idee, beim Anhalten mit beiden Beinen auf dem Boden stehen zu wollen. Das passt eben mit einem effizienten Pedalieren einfach nicht zusammen. Man muss halt beim Anhalten wie schon neulich hier beschrieben, aus dem Sattel gehen, ein Bein auf die Erde setzen, das andere Pedal nach vorne oben drehen, und sich beim Anfahren wieder in den Sattel heben. Ein wahrlich geringfügiger Aufwand für einen enormen Gewinn an Effizienz.
    Man könnte noch vieles anderes annführen, eine komplett wasserdichte Kleidung etwa führt unweigerlich zum Schwitzen etc. pp.
    Natürlich kann man das alles mit 250W glattbügeln, und dann noch alles Mögliche an das Rad bauen, bis es 30 Kilo wiegt, aber das ist dann halt eine anderes Verkehrsmittel...
    Ganz grundsätzlich ist der Ansatz, in unserer Gesellschaft irgendetwas von unseren aktuellen Gewohnheiten her zu denken, der völlig falsche.

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    1. Lieber marmotte27, du sprichst mir aus dem Herzen!

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    2. Ich hatte schon vermutetet, dass diejenigen, die es super einfach finden, eine Reifenpanne zu beheben, auf das klassische Fahrrad schwören. Interessanterweise sind es nur Männer, die das hier erklären. Es gibt aber wirklich viele andere Sorten von Radfahrenden, die man genau damit aufs Fahrrad kriegt, dass sie nicht mit einem platten Reifen irgendwo herumstehen und keine öligen Hosenbeine kriegen und so weiter. Und die meisten stehen tatsächlich mit einem Bein auf dem Boden und bleiben im Sattel sitzen. Und sie finden das weniger stressig, als erneut aufsteigen. Es gibt eben Vielfalt. Was für den einen passt, passt für die andere nicht.

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    3. Ich glaube es ist ein bisschen sexistisch, Frauen die Fähigkeit abzusprechen, einen Platten zu reparieren. Ich kenne eine Reihe, die das sehr gut können, und die gerne einen vernünftig eingestellten Sattel haben.

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    4. Und nochmal: es darf also nicht die kleinste Anpassung geben müssen, das Erlernen irgendeiner neuen Fähigkeit, um sich an geänderte Verhältnisse anzupassen? Dann können wir auch gleich alles so lassen wie es ist und ins Auto steigen wie alle Anderen anstatt uns hier die Köpfe heißzureden.

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  5. Name zu vorherigem Kommentar: Thomas

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  6. "Vielleicht fehlt den Herren Entwicklern noch der weibliche Blick auf die Alltagstauglichkeit und technische Bequemlichkeit von Fahrrädern."

    Ist denn bekannt, dass am Entwicklungsprozess nur Männer beteiligt waren?

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  7. Liebe Christine,
    dein Artikel spricht mir aus der Seele.

    Warum ich als Radfahrer keinen zeitgemäßen Komfort bekomme, ärgert mich schon lange. Vor zwanzig Jahren habe ich ein einfaches Fahrrad mit einer tollen Lichtautomatik gekauft. Funktionierte viele Jahre super. Ich dachte natürlich, das sei nun Standard und war entsetzt, als es das beim letzten Fahrradkauf vor fünf Jahren überhaupt nicht mehr gab. Ok, beim Auto ist es jetzt Standard.

    Warum mich ein praktisches Schloss von der monde physique abkoppeln sollte, ist mir ein Rätsel.

    Bald werde ich sogar auf ein weiteres elegantes Sicherheits- und Komfortfeature verzichten müssen: den Rücktritt. Den gibt es kaum noch. Natürlich nicht wegen irgendwelcher Nachteile, sondern nur, weil er "typisch deutsch" ist und nicht cool.

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  8. Ralph Gutschmidt1. Mai 2023 um 10:23

    War gerade ein Kommentar von mir.

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