24. April 2023

Radverkehr in Stuttgart steigt auf 14 Prozent

Dr. Willerding, Dr. Nopper, Cornelius Gruner, Eva Adam
Als der ADFC Stuttgart am Mittwoch, dem 19.4.23 im Merlin sein 40-jähriges Bestehen feierte, hörten wir nicht nur jede Menge Geschichte aus vierzig Jahren Aktivität für die Verbesserung des Radverkehrs. 

Es hielt auch unser Oberbürgermeister Nopper, der mit einem Städtischen Pedelec gekommen war, eine Rede, in der er folgendes verkündete: "Der Modal Split (...) hat sich in Stuttgart in den vergangenen Jahren stark zugunsten des Fußgänger- und Radverkehrs und bis zur Corona-Pandemie auch zugunsten des ÖPNV verschoben. Das Auto hat in den Jahren 2000 bis 2022 bei den Wegeanteilen von 45 Prozent auf 31 Prozent verloren. Der Fußverkehr hat in diesem Zeitraum von 28 auf 36 und der Radverkehr von 5 Prozent auf 14 Prozent gewonnen.

Außerdem berichtete er, dass in Stuttgart über 200 reine Radwege mit einer Länge von 363 Kilometern bestünden - doppelt so viele wie vor zwanzig Jahren. Außerdem seien 257 Einbahnstraßen in Gegenrichtung für den Radverkehr geöffnet worden. Im Stadtgebiet gebe es inzwischen 15 Zählstellen, die einen rapiden Anstieg des Radverkehrs anzeigten. Weiter sagte er: "Für den Ausbau der Fahrradinfrastruktur und für Radverkehrsfördermaßnahmen stehen jährlich städtischerseits 8 Millionen Euro zur Verfügung. Neben unserer Radbeauftragten sind mehr als 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedensten Ämtern gerade auch mit dem Fahrradverkehr befasst. Zusammengefasst: In Stuttgart hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten vieles zugunsten des Radverkehrs verbessert."

Auf der Seite der Stadt Stuttgart ist von 200 km Radwegen die Rede. 2018 sah es nach Recherchen von uns Radfahrenden so aus: 8 km echte Radwege (von der Fahrbahn getrennt nur für Radler:innen), 15 km Geh- und Radwege getrennt, 133 gemischte Geh-/Radwege, 36 km Radfahrstreifen und 123 km freigegebene Gehwege (Schrittgeschwindigkeit). Auf der Seite der Landeshauptstadt finden wir diese Aussage: "In Stuttgart stehen 363 Kilometer Radverkehrsanlagen zur Verfügung." Es hat sich in den letzten Jahren auf jeden Fall etliches getan, es sind mehr Radfahrstrreifen dazu gekommen, aber wir kommen weder auf 200 km echte Radwege (schon gar nicht auf die von Herrn Nopper genannten 200 Radwege), auch wenn wir die Radfahrstreifen dazuzählen, die eigentlich keine Radwege sind, und auf eine Länge von 363 km kommen wir auch nicht. Der Zahl nähert man sich nur, wenn man alles von 2018 zusammenzählt, auch die nur freigegebenen Gehwege, und dann annimmt, dass halt noch was dazugekommen ist. 

Auf der Stuttgartseite ist auch noch von einem Anteil von 8 Prozent bei den mit dem Fahrrad zurückgelegten Wegen die Rede, der Fußverkehr soll bei 29 % liegen, die Autofahrten bei 40 % und der ÖV bei 23 %. Von wann diese Daten sind, ist nicht ersichtlich. ASeit Jahren gehen wir von 8-10 Prozent Radverkehrsanteil im Modal Split aus. Dass der Radverkehr deutlich zugenommen hat, sehen wir alle auf unseren Straßen. Schön, wenn wir jetzt bei 14 Prozent sind. Aber noch ist mir unbekannt, woher diese Zahlen genau stammen. Sobald ich es weiß, wird das hier ergänzt. 

Nachtrag 1: Vielleicht stammen sie aus einer Erhebung der SSB

Nachtrag 2:  Das sind Zahlen der SSB, die sie aus der jährlichen sogenannte KONTIV-Befragung erheben lässt. Die Zahlen von 2022 sind noch nicht veröffentlicht, heißt es aus dem Büro des OB.

Die Feier des ADFC war übrigens unterhaltsam und extrem kurzweilig. Gudrun Zühlke, noch Landesvorsitzende des ADFC, nannte den anwesenden Vertreter:innen von Politik und Verwlatung von den 40 Gründen für eine Förderung des Radverkehrs zwei: Radfahren macht glücklich, und man hat eine glückliche und zufriedene Bevölkerung, wenn alle, die das wollen, Rad fahren dürfen, weil die Infrastruktur passt. Und man kann sich selbst ein Denkmal setzen und schafft es damit vielleicht in einem Atemzug mit der Pariser Bürgermeisterin Hidalgo genannt zu werden. Die Gründe aber, warum man eine Stadt für den Rad- und Fußverkehr schön macht, seien letztlich egal, Hauptsache, man tue es. Und Cornelius Gruner, zwei Mal ADFC-Vorsitzender in Stuttgart und jetzt Beisitzer, erzählte uns bilderreich von all den vielen Dingen, die der ADFC in Stuttgart bewirkt hat und an denen er - vorerst - gescheitert ist. Vor der Tür des Merlin sah man, dass hier irgendwelche Radler:innen versammelt waren. Natürlich reichten die Radbügel bei weitem nicht aus. 


14 Kommentare:

  1. Zitat Nopper aus dem Text: "Für den Ausbau der Fahrradinfrastruktur und für Radverkehrsfördermaßnahmen stehen jährlich städtischerseits 8 Millionen Euro zur Verfügung...."
    Punkt 3 des Zielbeschluß zum Radentscheid aus 2019: Die Verwaltung wird beauftragt, in den kommenden Haushaltsentwürfen 2020/21 und 2022/23 im Radetat eine Summe für Infrastruktur und für eine Aufstockung des Personals einzustellen, die bei 20 Euro pro Einwohner*in und Jahr liegt. Im Doppelhaushalt 2020/21 werden dabei die nicht abgeflossenen Mittel aus dem Radetat von 2018/19 angerechnet. Langfristig wollen die Unterzeichner den Etat auf 40 Euro pro Einwohner*in und Jahr verdoppeln.
    Dann rechnen wir mal nach. 8.000.000/610.183 (März 23) = 13,11€. Nanu Herr Nopper, wie halten wir es mit Gemeinderatsbeschlüßen? Wo sind die fehlenden 7 Euro pro Nase? Wer hat entschieden, dass die Summe gekürzt wird?

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    1. Im kommenden Haushalt werden die 20 Euro auf 40 pro Einwoner:in aufgestockt. Wie du ja schon gelesen hast, sind da einige der präsentierten Zahlen nicht so ganz genau erfasst.

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    2. Herr Nopper hat seine Zahlen nicht im Griff? Na sowas. Schön von den 20 Euro zu hören.

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    3. halt falsch.....40 Euro, nicht 20 Euro.. Das muss man ja 5 mal lesen um es zu glauben ;-) Das reicht für eine schöne Pop up vom Neckartor zum Marienplatz.

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  2. Warum wird eigentlich in der Bildunterschrift Dr. Willerding mit Vornamen angegeben, Frank Nopper aber mit Doktorgrad ?

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  3. Lieber Uli, danke für den Hinweis. Die Antwort deiner Frage an mich, ist: Weil ich es nicht wusste. Jetzt weiß ich es, und der Titel ist ergänzt. Alles wird gut.

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  4. Jörg
    Schön das soviele Leute mir Fahrrad kein echtes Parkchaos erzeugen. Erschreckend ist der Umgang der Verwaltung mit ZDF (Zahlen Daten Fakten). Vertrauen schaffen und auf Augenhöhe reden geht anders. Schade.
    Immerhin die Geste "mit Radl da", das zählt schon mal. Gestern war ich über die Medienberichte zum Fahrradklimatest positiv überrascht, wie ausführlich das Thema in den Hauptnachrichten kam. Super, die langjährige Arbeit trägt Früchte.

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    1. Ja, fand ich auch gut. Fahrradklimatest kommt hier morgen.

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  5. "Das Auto hat in den Jahren 2000 bis 2022 bei den Wegeanteilen von 45 Prozent auf 31 Prozent verloren".
    Wenn ich das richtig hochrechne, sind wir im Jahr 2072 bei 0 Prozent und mit dem Thema durch. Werde ich wohl leider nicht mehr erleben... ;)

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    1. Selbst wenn der 'Anteil des Autoverkehrs' auf 0 Prozent absinken würde heisst das mitnichten, dass dann in Stuttart signifikant weniger Autoverkehr zu verzeichnen sein müsste.
      Der Wert bezieht sich ja ausschliesslich auf den reinen Einwohnerverkehr, d.h. dass ein steigender MIV Pendelverkehr von Auswärtigen mit genau 0% in den Messwert eingeht.
      Wer glaubt denn ernsthaft, dass der durch die Verkehrsmittelverlagerung frei werdenden MIV-Kapazitäten einfach ungenutzt bleiben würden?
      Es fände (sofern keine wirksame 'push'-Politik gegen den Autoverkehr stattfindet) im Wesentlichen lediglich eine Verlagerung der Autofahrten von Kurzstrecken des Binnenverkehrs auf mittlere und längere Distanzen des Stadt-Umland Verkehrs statt, nebst noch mehr Zersiedelung und noch mehr Bodenversiegelung.
      Sozusagen: vom Regen in die Traufe.
      Alfons Krückmann

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  6. Fachlich gesehen ein falscher Titel.
    Richtig wäre:
    Einwohner-Wege-modal-split ist auf 14% Radverkehrsanteil gestiegen.
    Es wäre aber doch für Umwelt- und Klimainteressierte zu fragen inwieweit sich das Verkehrsgeschehen in Richtung 'klimagerecht' oder in Richtung 'autogerecht' verschoben hat?
    Da hat allerdings der berüchtigte Messwert 'Radverkehrsanteil' nahezu NULL Aussagekraft.
    Ich frage mich wie es sein kann, dass sowas im Jahre 2022 noch passieren kann.
    Ist jetzt der Messwert von 'Verkehrswende' die Anzahl der zusätzlichen den Boden weiter versiegelnden Radwegekilometer?
    Oder der ökologisch irrelevante Einwohner-Wege-Modal-Split, der nicht selten mit 'Backfireeffekt' dem ökologisch fatalen Stadt-Umlandverkehr zu höheren Kapazitäten (separierter Radverkehr ist halt extrem flächensparsam) und damit zu höherer Fahrleistung nebst steigender Zersiedelung verhilft?
    Wann ist es endlich soweit, dass sachgerechte Evalutationsmesswerte (MIV-Fahrleistung in der Region, MIV-Dichte in der Region) in den Fokus gesetzt werden?
    Oder kommt das erst in einer Welt wo dann mit +5°C eh alles zu spät ist?

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    1. Sorry, Namen vergessen:
      Alfons Krückmann

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    2. Alfons, du nimmt diese Zahlen viel zu ernst. (Und ein Titel enthält nie alle notwendigen Informationen) Das Kuriosum in Stuttgart ist, dass wir seit Jahren immer hören, der Radanteil am Modal Split betrage 8 Prozent. Und offensichtlich niemand wirklich zählt, ändert er sich überhaupt nicht, obgleich der Radverkehr drastisch zugenommen hat (der Autoverkehr aber auch). Bisher ist noch nicht abschließend geklärt (ich arbeite dran), woher der OB diese Zahlen hat und wie belastbar sie sind. Falls sie aus der Befragung der SSB (link oben im Artikel) stammt, dann sind sie so nicht zu veralltemeinern. In der schönen Sommerzeit hat die SSB sogar 20 Prozent Radverkehrsanteil an den zurückgelegten Wegen festgestellt.

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    3. Hallo Christine, die ganz oben genannten Zahlen decken sich mit einer Präse von Öhler beim BürgerInnenrat letzten Monat. Da sagte er die Daten seien von 2018, halt vor Corona. Das der Radanteil zugenommen habe erwähnte er auch, aber von 14% wurde nix berichtet.

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