9. September 2023

Wenn die Alternative zum Autofahren fehlt ...

 ... dann bleibt das Auto das bevorzugte Verkehrsmitel. Das ist ein deutliches Zeichen, dass die Politik was falsch gemacht hat. 

Einige fahren ja gern Auto, aber viel mehr Leute, als wir denken, würden gerne anders zu ihren Zielen kommen. Mit Bus oder Bahn oder dem Fahrrad. Allein, es fehlt die Hoffnung, dass es geht. Das geht sogar aus der Umfrage der HUK-Coburg unter 4042 Menschen zum Mobilitätsverhalten hervor. 63 Prozent glauben nämlich, dass die Mobilitätskonzepte grundsätzlich neu gedacht werden müssen, denn das Auto wird zu teuer. Das Thema wird den Befragten auch deutlich wichtiger. Die Umfrage macht aber auch deutlich, dass in Deutschland eine Alternative zum Auto derzeit kaum vorstellbar ist. Und wenn es dann nicht-fossile Antriebe gibt, fällt auch das schlechte Gewissen weg. Auf die Frage, welche Fortbewegungsmittel werden Ihrer Meinung nach Ihre Auswahlkriterien für die nächsten fünf Jahre am besten erfüllen, wählten 72 Prozent das Auto (2022: 67 %) und 23 Prozent das Fahrrad (2021 waren es noch 30 %). Vor allem die jungen Leute setzen wieder aufs Auto. Keine große Sympathie hatten die Befragten für öffentliche Verkehrsmittel (so um die 10-16 Prozent).

Während der Corona-Jahre sind mehr Menschen zu Fuß gegangen und Rad gefahren, doch die positiven Erfahrungen sind bereits verloren und vergessen, vermutlich auch, weil wir in unser Alltagsverhalten von vor 2020 zurückgefallen sind: weniger Home-office, weniger Video-Konferenzen, wieder mehr Termine außer Haus, viele Wochenendausflüge. Und weil die Probleme bei der Bahn und den S-Bahnen überhand nehmen, erscheint auch die Bahn kein zuverlässiger Mobiltitäspartner mehr zu sein, weder für weite Strecken noch im Nahbereich. Weil die Radinfrastruktur nur langsam ausgebaut wird, fehlt das attraktive Angebot für die Perspektive, künftig mehr mit dem Rad zu erledigen. 

Hinzu kommt, dass diese Umfrage, wie so viele andere auch, keine Daten erhebt über die Unterschiede der Verkehrsmittelwahl und der Mobilitätsbedürfnisse zwischen Frauen und Männern. Darüber habe ich 2021 ausführlich geschrieben. Unsere Verkehrswelt ist darauf ausgelegt, dass Menschen bequem zur Arbeit kommen, wir haben Stadtautobahnen und zuweilen auch lange Hauptradrouten mit Schnellradwegcharakter, und unsere Stadtbahnlinien sind sternförmig auf den Hauptbahnhof konzentriert. Längs kommt man durch, wer aber quer will, im Bezirk unterwegs ist oder von Süd nach West oder Ost nach Nord will, findet keine guten Radverbindungen und keine umstiegsfreie Stadtbahnverbindung, sehr wohl aber jede Menge Straßen für Autos. Frauen, die immer noch mehrheitlich die Care-Arbeit machen und die Kinder wegbringen, die Oma zum Arzt schaffen und einkaufen gehen, können das mit Stadtbahnen gar nicht und mit Fahrrädern nur dann schaffen, wenn sie ein Lastenrad oder einen Radanhänger haben (für das sie daheim einen Abstellplatz brauchen, der oft nicht da ist) und sich damit mutig im Straßenverkehr bewegen können. Fürs Auto ist hingegen alles bereitgestellt: Parkplätze und Straßen. Und Mut braucht man auch keinen, um die zu fahren. 

Beispielsweise ist es in Stuttgart nur für Mutige möglich von Heslach nach Stuttgart West zu kommen, weil der Widerstand gegen eine Öffnung des Schwabtunnels für Fahrräder bei gleichzeitiger Sperrung für Autos politisch nicht möglich ist. Autofahrende bestehen lautstark darauf, dass ihnen auch diese Verbindung jederzeit zur Verfügung steht, während Radfahrende es sich überlegen, ob sie wirklich durch den Tunnel radeln wollen, bedrängt und illegal überholt von Autofahrenden. Gerade Frauen wollen aber nicht mutig sein, sondern unbehelligt und sicher von A nach B kommen. Folglich fällt ihre Wahl oft aufs Auto, sofern sie es sich leisten können. Und sie können sich schwer vorstellen, dass sich das in den nächsten fünf Jahren grundlegend ändert. Sorgen bereitet ihnen allerdings, dass das mit dem Autofahren immer teurer werden könnnte, vor allem auch deshalb, weil die praktikablen Alternativen offensichtlich fehlen: zuverlässige Bahnen und ein lückenloses Radverkehrsnetz. 



13 Kommentare:

  1. es ist schon lustig:
    da schwätzen alle von freiheit und selbstbestimmung, aber dann fehlen "die voraussetzungen".

    das erinnert mich an den trikotageuntetnehmer von der alb, der großspurig seine führungsstärke beweihräuchert und steuersenkungen fordert. aber auf die frage, nach seiner abhängigkeit von den fossilen und den staatlichen subventionen, die er jetzt will, sich nicht zu schade ist, zu antworten, dass ihm ja stets gesagt wurde er müsse öl und gas verwenden.

    spätestens seit dem club of rome wissen's alle.

    #niemandmussautofahren

    karl g. fahr

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  2. Man kann sich ja immer viel wünschen und es ist auch nicht verboten, die Realität zu ignorieren - wir leben in einem freien Land!

    Hier mal ein Blick auf die Zahlen:
    https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/pkw-deutschland-statistisches-bundesamt-100.html
    Zitat: "Der Trend zum Zweit- und Drittwagen hält an."

    Und auch die FAZ schreibt:
    https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/die-iaa-beweist-die-magie-der-mobilitaet-ist-ungebrochen-19157967.html
    Ich zitiere mal den ersten Absatz:
    "Es ist eine Mär, dass sich die Menschen lieber heute als morgen vom eigenen Auto und von individueller Mobilität verabschieden wollen. Der rege Zuspruch zur IAA in München beweist das."

    Mercedes Testa Rossa

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    1. Nein, da ist ein Denkfehler. Des gibt genügend Umfragen, die deutlich machen, dass es viele Menschen (nicht alle) gibt, die gerne unabhängiger vom eigenen Auto wären, auch weil es sie so viel Geld kostet. Aber es fehlt ihnen die Alternative, und sie sehen sie auch nicht, wenn man ständig hört, dass die Bahnunpünktlich ist oder das S-Bahnen ausfallen. Auch wenn sie dann statt dessen mit dem Auto im Stau stehen. Dann wird ein Ausbau der Autobahnen gefordert. Man könnte aber besser die Schienen ausbahen, auf denen mehr Menschen stressfreier und billiger transportiert werden können. Dass Leute isch Autos kaufen, liegt daran, dass alles aufs Autofahren ausgelegt ist und die Alternativen fehlen oder als mangelhaft empfunden werden. Übrigens merken dann viele ab Mitt 40, dass ihnen Radfahrend gut tut und steigen um.

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  3. Seit Jahrezehnten höre ich die Bahn hat höchste Priorität und man will mehr für Radfahrer machen. Alles Quatsch.
    Nach 35 Jahren ÖPNV und Bahn bin ich aufs Auto umgestiegen, weil das so politisch gewollt ist. Jetzt bin ich selbst für Qualität, Sauberkeit und Pünktlichkeit verantwortlich und nicht mehr abhängig von unzuverlässigem ÖPNV und Bahn.
    Niko

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    1. Das Auto hat eine Reihe von weiteren Vorteile: niemand manipuliert die Steckdosen wie z. Z. bei der Bahn, es gibt keine Exhibitionisten wie in der S-Bahn (Dauerthema in d er StZ), in der Regel ist man mit den Auto doppelt so schnell am Ziel, es gibt keine Mitfahrer, die unangenehm ausdünsten, man kann nicht auf die Gleise geschubst werden, die Bahnhöfe als Kriminalitätsschwerpunkt werden vermieden. Und Teslas sind sogar mit einem dioweapon defense mode ausgestattet - da verliert auch Corona sienen Schrecken.

      Mercedes Testa Rossa

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    2. Lieber Mercedes Testa Rossa,
      du bist ja echt süß. Ich lese deine Beiträge mit wachsender Erheiterung.
      Thomas

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    3. Dafür, Testa, manipuliert das ganze Auto dich. Mal ganz abgesehen davon, dass es alles protokolliert, was du machst, wohin du fährst, wie du fährst, und wer weiß, was alles noch. Und es gaukelt dir vor, dass du es brauchst, indem es dir allerlei schönen elektronischen Schnickschnack anbietet, der wiederum Daten über dich sammelt, damit dir die richtige Werbung für dein nächstes, noch teureres Auto gezeigt wird und so weiter. Dagegen ist eine Büroklammer in einer Zugsteckdose nix, und vor allem extrem selten und nicht mal tödlich.

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  4. Was ist hier seit einiger Zeit, Stelldichein der ewiggestrigen Benzinköpfe?

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    1. Ich kann nur für mich sprechen. Ich habe keine Lust mehr auf Zugausfälle und -Verspätungen, monatelange Sbahn Stillegungen, überfüllte Züge, usw..
      Habe das 35 Jahre ausgehalten, weil ich etwas für die Umwelt tun will. Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Rückschritt statt Fortschritt.
      Das tue ich mir und meiner Familie nicht mehr an.
      Statt Bahn und ÖPNV habe ich mir ein Van gekauft.
      Niko

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    2. Ein Van ist nicht gerade ein sparsames Vehikel.

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    3. Lieber marmotte, ich komme auf 8-9 Liter je 100 km. Das finde ich okay und die ganze Familie inkl. Gepäck passt rein. Damit gehts dann auch in den Urlaub. Bisher hatten wir das mit der Bahn gemacht und mangels Zuverlässigkeit aufs Auto gewechselt. Für Junggesellen ist die Bahn vielleicht noch eine Option, da man Abenteuer direkt mit bekommt. Für alle anderen ist das Auto besser.
      Niko

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    4. Lieber Niko, ja, es ist eine traurige Entwicklung. Und vor allem fahren wir damit die Art von Zivilisation mit sicheren Nahrungsmitteln, also die Welt, wie wir sie kennen, damit gerade an die Wand.

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  5. Ein lückenloses Radwegenetz oder Radverkehrsnetz wird das Problem der überbordenden Pfadabhängigkeit vom Auto wohl kaum wirksam angehen können.
    Wär ja schön einfach, ist aber nach meinem Wissen bislang noch nirgendwo eingetreten.
    Paris könnte da ggf. auf dem richtigen Weg sein, wobei sich aber erst in den nächsten Jahren zeigen wird ob das am Ende beim allgegenwärtigen pull&pull anlangt, oder ob sich da tatsächlich Ansätze von 'Verkehrswende' zu vollziehen beginnen.
    Utrecht - um mal ein gern herangezogenes Beispiel für erstrebenswerte Traumbedingungen für den ersehnten inklusiven separierten weltrettenden Radverkehr herzunehmen - hat stetig steigenden Autoverkehr (Besitz und Fahrleistung).
    Von Einzelfällen abgesehen glaube ich auch nicht, dass sich etwaige bei Befragungen formulierte Haltungen 'pro Umweltverbund' dann auch im Falle des Vorhandenseins praktikabler Alternativen in der Realität auto(z)ersetzend einlösen würden.
    Das sind mE größtenteils Lippenbekenntnisse auf der Ebene des sozial erwünschten 'mindsets' (Bias).
    Volksmund sagt:
    "Wenn der Buer nicht schwimmen kann, liegt's an der Badehose"
    Auch das weitere Verteuern des Autofahrens wird das Problem nicht substsantiell in der Breite lösen können, da es gerade die Gut- und Besserverdienenden sind, die die MIV Fahrleistungen nach oben treiben, und da in mittel- bis langfristiger Perspektive möglicherweise eine deutliche Verbilligung im Rahmen der Elektrifizierung eintreten könnte.
    Werden sich Mehrheiten finden, die eine Kompensation des billigen Betriebs von E-Autos mittels Fahrleistungs-Maut incl. eines sozialverträglichen Puffers realisieren?
    Wohl kaum.
    Eher gibt es weitere MIV-Subventionen seitens der diversen 'Mitte-Parteien' wenn die hiesige Autobranche in Richtung Niedergang steuert (siehe damals die absurden Subventionen in die - unmöglich realisierbare - Aufrechterhaltung von Kohle und Stahl im Ruhrgebiet); und das diverse rechts-chauvinistische Pack der 'Blechkisten-Fraktion' schwimmt ja eh bis über beide Ohren im Ersatzrausch der automobilen Alltagsgewalt.

    Ohne harte push-Maßnahmen gegen die autofahrende Mehrheit (knapp 50mio.Blechkisten bei gut 80Mio. Einw.) wird's nicht gehen, aber da ohne gesellschaftlich-parlamentarische Mehrheit kein wirksames(!) 'push' machbar ist ("marktkonforme Demokratie") wird der MIV weiter wachsen und sich damit (Teufelskreis) seine eigenen Pfadabhängigkeiten verstärken.
    Vielleicht sehe ich das zu pessimistisch, aber damit bin ich glaub ich nicht der Einzige.
    Es hat ja handfeste Gründe warum sich engagierte junge Menschen jetzt schon auf Straßen festkleben, statt auf die parlamentarischen Mühlen zu vertrauen, die seit etlichen Jahrzehnten jahraus jahrein 'Von der Straße auf die Schiene' herausposaunen und zuverlässig - egal wer regiert - das genaue Gegenteil gebären.
    Seit Jahrzehnten legen doch die diversen Parlamente quasi im Akkord als nachhaltig, umweltgerecht und zukunftssichernd abgepriesene bunte Eier, aus denen am Ende dann doch wieder nur Autos und Autos und Autos und Autos schlüpfen.
    Es bräuchte ein Donnerwetter?
    Aber nichtmal ein Ahrtal hoch100 würde wohl helfen können, da der 'progressiv Grüne Krisenreaktionspfad' längst auf >60mio. klimarettende E-Autos engenordet ist (Kretschmann: "Deutschland muss Autoland bleiben")
    Das Motto in Politik und Bevölkerung lautet unverdrossen:

    "Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass"
    Kleiner Trost:
    aussichtslose Situationen ohne sichtbaren Ausweg gab's schön öfter in der Geschichte, und dann fanden sich doch immer wieder so Ereignisse bzw. Menschen wie Rosa Parks, und überkommene Gruseligkeiten werden am Ende in kollektiven Kämpfen überwunden ...
    Alfons Krückmann

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