23. Januar 2024

Wer Radwege baut, kriegt Radverkehr

Die Erkenntnis ist nicht überraschend, wenngleich sie auch hier im Blog immer mal wieder infrage gestellt wird von denen, die das Fahrbahnradeln bevorzugen. 

Sie ist vor zwei Jahren durch eine Studie belegt worden, wie die Seite Rad Schleswig-Holstein berichtet. Die Studie vergleicht Städte, die provisorische Trassen, sogenannte Pop-up-Radwege ausgewiesen haben mit denen, die das nicht getan haben. Auf den insgesamt 11,5 Kilometern solcher Radwege nahm der Radverkehr vom März bis Juli 2020 zwischen 11 und 48 Prozent zu. Das berichtet auch die Süddeutsche Zeitung. Wer Radwege baut, bekommt deutlich mehr Radverkehr. Autofahrende steigen öfter aufs Fahrrad um. Ob solche Zahlen auch in Nachpandemiezeiten Bestand haben, ist noch nicht erforscht. 

Dass sich ungefähr die Hälfte der Radfahrenden auf der Straße zwischen Autos unwohl fühlen, hat der SWR bei seiner Aktion "besserRadfahren" aber bereits untersucht.

Das Umfrageinstitut Dimap hat dazu herausgefunden, dass sich 39 % wegen des Autoverkehrs verunsichert fühlen und dass 41 Prozent finden, dass in Deutschland zu wenig für die Belange der Radfahrenden getan wird. Andere Studien zeigen, dass das Potenzial derer, die unter jetzigen Bedingungen nicht Rad fahren, weil sie Angst haben, bei ungefähr 50 Prozent liegt. Sie sind am Radfahren interessiert, trauen ich aber nicht. Nur gut 30 Prozent der Menschen lehnen das Radfahren strikt ab. Die anderen wären zu gewinnen. 

Kurzum, der Mischverkehr Auto-Fahrrad ist nicht attraktiv für viele, die Fahrrad fahren würden, wenn sie dafür vom Auto- und Fußverkehr getrennte Radwege zur Verfügung gestellt bekämen. Zwar beseitigen die nicht alle Konflikte an Kreuzungen und sind gefährlich, wenn Autos über sie hinweg abbiegen dürfen, aber es ist ein Unterschied, ob man permanent auf Fahrbahnen radeln soll oder nur an einigen Stellen in Konflikte mit Autofahrenden kommt. Ziehen attraktive Radstreifen, geschützte Radstreifen oder Radwege mehr Menschen an, dann sind in einer Stadt insgesamt mehr Radfahrende unterwegs und Autofahrende lernen, mit ihnen zu rechnen und sie zu berücksichtigen. Diese Politik verfolgen etwa Kopenhagen oder die Niederlande seit 30 Jahren. Leute, die dort Rad gefahren sind, berichten mir, dass es entspannend und angenehm ist. 


2 Kommentare:

  1. Man erntet, was man sät. Wer also subjektiv sichere Radwege baut wird auch Radverkehr bekommen. Das funktioniert aber nur mit steigen Radwegen- dieses Flickwerk, dass überall zu finden ist, wird niemanden davon überzeugen, aufs Rad umzusteigen.

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  2. Ein kompliziertes bzw. vielschichtiges Thema, bei dem zunehmend auch epistemologische Fragen aufzuwerfen wären.
    Wer forscht mit welchen Zielsetzungen in welchen Teilbereichen zum Thema, und welche Teilbereiche werden ausgeklammert?
    Welche der forschenden Institutionen sind wie vernetzt und wie finanziert?
    Welche Interessen verfolgen die auftraggebenden Ministerien / Institutionen?
    Viel geht m.E. in Richtung 'liveable City', und es wird Radverkehr als vom Gesamtverkehr quasi unabhängiger Untersuchungsgegenstand begriffen.
    Ökologische Aspekte werden i.d.R. ausgeklammert, oder, da wird's dann übel, es wird eine ökologisch positive Wirkung suggeriert, ohne auch nur ansatzweise empirisch fundiert zu werden (von den ökologisch weitgehend irrelevanten Einwohner-Wege-modal-Split mal abgesehen, der bei genauer Betrachtung durchaus unter 'Greenwashing' subsumiert werden sollte).
    Für Teilbereiche, so sie denn auch mal sauber in ihrer beschränkten Reichweite expliziert werden, ist eine Fokussierung auf die berühmte 'subjektive Sicherheit', auf 'Wegezahl sticht Fahrleistung', auf 'Kurzstecken stechen längere Distanzen', etc. ja durchaus berechtigt. Das gilt etwa für den Teilbereich Gendergerechtigkeit, bei dem ja in den letzten Jahren einiges Relevante zustande gekommen ist (geschlechtsspezif. untersch. Wegeketten, geschl.spezif. Gamestopper, Frauen mehr Teilwege, Männer mehr Fahrleistung, etc.).
    Auch für den Bereich Stadtgestaltung usw. sind die oben skizzierten 'üblichen' Studien (der Studien-Link im Artikel führt übrigens ins Nichts) ggf. von Nutzen.
    Was aber, ohne dass dies expliziert würde(!), nicht adressiert wird:
    - Integration der Teilergebnisse in ein Konzept integrierter Verkehrs- und Raumentwicklung insbesondere in Bezug auf push&pull Faktoren zur stabilen Veränderung habituierter Mobilitätspraxen
    - Integration von ökologischen 'must have' im Kontext der 'Multikrise' des 21.Jhd., insbesondere im Hinblick auf THG Reduktion und Ressourcenschonung
    - Kritische Problematisierung von automobil-patriarchalen Herrschaftsverhältnissen bei Beibehaltung der automobilen Dominanz innerhalb einer i.d.R. unterschwellig anempfohlenen pull&pull Strategie (NL)
    Weitere Defizite der Forschungspraxis nach den nicht explizierten Paradigmata der 'autogerechten Radverkehrsförderung' (nach NL Vorbild) wären zu nennen, aber ich will lieber noch kurz auf die Konsequenzen kommen:
    Weiterer ungebrochener Anstieg des MIV wird 'nebenbei' in Kauf genommen, wobei die (durchaus gut meinenden) Akteur:innen der Suggestion auf den Leim gehen, dass steigender Radverkehr quasi per 'Simsalabim' einen magischen Rückgang von Autodichte und Autofahrleistung bewirken könnte, obschon das (siehe epistemologisches Defizit) empirisch durch nichts belegt werden kann, und obwohl die gegenteilige Annahme (Rebound/Backfireeffekt durch zusätzlich induzierten MIV infolge von 'Antistau-Effekt') theoretisch auf sehr stabilen Füßen steht.
    Es wäre insgesamt wünschenswert, wenn wiss. korrekter gearbeitet werden würde, also expliziert würde, welche Fragestellugnen behandelt werden, welche Fragestellungen aber auch ausgeklammert bleiben, welche Reichweite die jeweilige (Teil-)Studie überhaupt abdecken kann, welche Teilbereiche dabei unberücksichtigt bleiben, welche Rückschlüsse mit welcher confidence zulässig sind und - vor allem bei medialen populärwiss. Transfers zentral - welche Fragen nicht beantwortet werden, und welche Schlüsse nicht zulässig sind.
    Kurzum:
    Solche 'Studien' sind - entgegen der gegenwärtigen öffentlichen Praxis - in ihrer Relevanz und 'Reichweite' einzuordnen.
    Offensichtlich wird bei obigem Ansatz die ökol. und klimawiss. Komponente vollständig ausgeklammert.
    Das ist statthaft, sollte aber dann auch expliziert werden.
    Daraus folgt auch, dass aus solchen Teilbereichsstudien keinesfalls(!) direkt(!) auf eine Praxisentwicklung geschlossen bzw. kurzgeschlossen werden darf!
    Alfons Krückmann


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