Das Grundproblem: In dem Tunnel, der unter dem Flughafen hindurchführt, gibt es nur auf einer Seite einen Gehweg, der nach einem Drittel sehr schmal wird (keinen Meter breit). Radfahrende dürfen ihn in Schrittgeschwindigkeit benutzen (niemand radelt Schrittgeschwindigkeit!), obgleich er zu eng ist für jegliche Begegnung. Der Tunnel ist 500 Meter lang, 3 km sind es zwischen Bernhausen und Plieningen. Die Umgehungsstrecken für Radfahrende sind bis zu fünf Kilmeter lang. Das ist ein wirklicher Umweg, der bis zu zwanzig Minuten mehr Zeit kostet. Für den Autoverkehr, der den Tunnel umfahren müsste, falls eine Fahrbahn gesperrt wird, verlängern sich zwar die Strecken auch, aber sie sind in der gleichen Zeit oder sogar in kürzerer Zeit zu befahren, wie das auch die Stuttgarter Zeitung im März 2023 schon berichtet hat. Wie die Stuttgarter Zeitung ebenfalls in anderm Zusammenhang erklären lässt, erzeugt die Sperrung einer als wichtig empfundenen Verbindung für den Autoverkehr das, was man Verkehrsverpuffung nennt. Es gibt nach einiger Zeit keine Staus mehr auf den umliegenden Strecken, der Autoverkehr nimmt insgesamt ab, auch deshalb, weil es für andere Verkehrsmittel auf einmal viel attraktiver wird und mehr Leute beispielsweise das Fahrrad nehmen.
Momentan ist der Tunnel als Radinfrastruktur untauglich, also nicht existent. Dafür radeln dann dort noch recht viele durch. Es passt kein Lastenrad rein, auch kein Dreirad für Bewegungseingeschränkte, Fußgänger:innen, aber auch Radfahrende und Radfahrende kommen nicht aneinander vorbei, ohne dass das Rad über die Barriere angehoben werden muss. Als freigegebener Gehweg ist das eigentlich nicht zulässig.Rund um den Flughafen gibt es jede Menge sehr gut ausgebauter teils kreuzungsfrei organisierte Autostraßen. Der Vertrag, der 1960 zwischen der Bundesrepublik, dem Land, der Landeshauptstadt, dem Landkreis Esslingen, der Flughafengesellschaft und der damals noch selbstständigen Gemeinde Bernhausen geschlossen wurde, gilt übrigens - so scheint es - dann doch nur für eine Übergangszeit, nämlich bis eine Umgehung um den Flughafen gebaut wurde, und die wir mittlerweile für den Autoverkehr vielfach haben. Es gibt also keinen Grund, den Autofahrenden aufkosten des Rad- und Fußverkehrs die vier-Kilometer-Strecke zwischen Bernhausen und Plieningen exklusiv zu überlassen. Für diese Strecke könnten sie entweder das Fahrrad nehmen oder, wenn sie das nicht können, dann fahren sie eben außen rum. Das Argument, längere Autofahrstrecken bedeuteten mehr CO2-Ausstoß, empfinde ich zunehmend als zynisch, wenn es nur gezogen wird, um den Radfahrenden eine gute Strecke vorzuenthalten, aber nie, wenn man mit dem Auto zum Skifahren fährt.
Der Autoverkehr verliert kaum etwas, wenn für ihn eine Spur im Tunnel gesperrt wird. Der Radverkehr gewinnt jedoch sehr viel, wenn es im Flughafentunnel einen Radweg gibt. Und damit gewinnen wir alle.
Der Tunnel kann eine wichtige Radschnellverbindung zwischen Bernhausen und Stuttgart darstellen. Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Hermann hat vorgeschlagen, eine von beiden Fahrspuren für den Autoverkehr zu sperren und dem Radverkehr zu überlassen. Dass dagegen einige Leute Sturm laufen, ist normal. Diese Leute, die die alte Autoverkehrswelt und ihre Privilegien verteidigen, gibt es immer. Die Frage ist aber, hören wir auf eine laute Minderheit oder denken wir an die Radfahrenden und denken wir an künftige Generationen, denen wir versprochen haben, etwas gegen den Klimawandel zu tun? Halten wir - also hält die Politik, die das entscheidet - ihr Versprechen? Dass die Chancen nicht besonders gut stehen, ahnen wir, denn der Koalitionspartner der Grünen in der Landesregierung, die CDU, ist natürlich gegen den Radverkehr.
P.S.: Dafür, was eine Nagelprobe ist, gibt es verschiedene Erklärungen. Eine ist, dass die Bauern früher auf dem Sonntagsspaziergang mit dem Daumennagel prüften, ob die Getreidekörner am Halm schon erntereif, also nicht mehr weich sind.
Nagelprobe oder Offenbarungseid?
AntwortenLöschenWie wäre es mit Wechselverkehr? Eine Fahrspur den Radfahrern permanent und die Zweite wird per Ampel im Wechsel freigegeben, wie bei einer einspurigen Baustelle.
AntwortenLöschenWäre doch ein Kompromiss.
Karin
Wenn Radfahrende drei bis vier Minuten an einer Wechselampel warten müssten, wäre das auch keine gute Lösung., es würde wieder viele davon abhalten, diese Strecke zu nehmen. Es wird ohnehin alles Mögliche diskutiert, und ich persönlich bin ziemlich sicher, dass am Ende alles so bleibt wie es ist, und Radler:innen fünf Kilometer Umweg fahren müssen, damit die Leute in ihren Autos direkt fahren können.
LöschenIch verstehe den Vorschlag anders: Eine feste Spur für den Radverkehr (beide Richtungen) gegenüber der Autofahrbahn mit Pollern abgesichert und die Autospur wechselseitig per Ampel freigeben.
LöschenIch weiß jetzt nicht, welche Vorgaben es bei 500m gibt, aber viel mehr als 20-30 Fahrzeuge/4 Minuten (je 60s Freigabe und 60s Wartezeit bis Strecke leer ist plus gleiche Zeit Gegenrichtung) pro Richtung wird dort dann nicht mehr durchpassen. Aber ich kenne die Gegebenheiten nicht ob 300-450 Fahrzeuge/h und Richtung jetzt viel sind oder ob das "Todesstaus" in der Lokalzeitung eben würde.. *seufz*
Wie wäre es mit Tempo 30, Überholverbot und etwas Geduld seitens der Motorisierten. Man kommt nicht in die Hölle, wenn man mal paar Augenblicke - Achtung jetzt kommt's, (Motorisierte müssen jetzt sehr stark sein) - HINTER Radlern herfahren muss ;-) Hajö
AntwortenLöschenDann aber nur mit mechanischer Sperre ("Mittelleitplanke"), damit auch sichergestellt wird, dass dann nicht wieder zu eng überholt wird. Das mit der Geduld ist ja so wie Eigenverantwortung, das funktioniert in Deutschland nicht.
LöschenKarin
Das würde nicht klappen, die würden dann doch überholen, das sehe ich auch so. Das zeigt sich eigentlich überall, wo Autofahrende ein paar hundert Meter hinter Radfahrenden herfahren müssen.
LöschenMittelleitplanke, meinetwegen, wenn es technisch machbar ist. Warum nicht auch Videoüberwachung, Kontrollen, Appelle an die Vernunft. Der Tunnel ist in der Tat ein Lackmustest: dort wo im Namen der Verkehrswende eine Verbesserung des Radverkehrs aus technischen Gründen nicht geht, kann mit Freundlichkeit und Wohlwollen nicht mehr gerechnet werden und es wird klar, dass es der Mehrheit letztlich nur um Beseitigung geht. "Infrastruktur"ist nur solange gut, wie sie das automobile Mindset schützt. Wenn wir immer nur auf Technik hoffen, und Verhaltensänderungen von vornherein tabu bleiben, gelingt die Verkehrswende m.E. nicht. Hajö.
LöschenIch fürchte, Tempo 30 ist zwar eine vernünftige Idee, aber aus verkehrsrechtlichen Gründen auf einer "Landstraße" nicht machbar. Die Verkehrssicherheit von Radfahrenden war bisher noch nie Grund genug für Tempo 30, nicht einmal in der Stuttgarter Innenstadt.
Löschen"Das mit der Geduld ist ja so wie Eigenverantwortung, das funktioniert in Deutschland nicht."
LöschenDas funktioniert nirgendwo, und daher geht Radverkehrsförderung im aktuellen System nur mit Trennung der Verkehrsarten.
@Hajö Natürlich brauchen wir ein anderes Mindset, eine Verhaltensänderung. Die gibt es aber im Verkehrssystem nicht ohne eine viel umfassendere Änderung des Mindsets auf der Ebene der gesamten Gesellschaft. Jedes unserer einzelnen Systeme ist ja nur Ausdruck der gesamtgesellschaftlichen Prämissen, und wenn die eben auf Individualismus, Konkurrenz, das Recht des Stärkeren, Profit, schneller höher weiter geeicht sind, dann kann dabei nur ein Verkehrssystem wie unser aktuelles herauskommen. Und dann ist alles nur Rumdoktern an Symptomen.
AntwortenLöschenSchon richtig. Was Christine in einem Kommentar weiter unten schrieb, gilt auch hier : "Ich habe es oft erlebt, dass Parteie eine große Verbesserung ablehnen, weil sie sagen, die Fortführung fehlt, wir brauchen erst ein Gesamtkonzept, das aber nie kommt, weshalb am Ende die schlimste Stelle auch nicht entschärft wird. Ich finde wir müssen jetzt anfangen,..." Ja, genau- allem kulturkritischen Unbehagen an den Verhältnissen, die ich durchaus teile: Anfangen, Machen ist m. E. gescheiter als das Hoffen auf eine Besserung im Großen.
Löschenedit: allem kulturkritischen Unbehagen an den Verhältnissen, die ich durchaus teile, zum Trotz.. usw. meint Hajö.
LöschenEin in beide Richtungen zu befahrende Radspur mit baulicher Trennung wäre optimal!
AntwortenLöschenDie Autospur dann wechselnd mit Ampel freigeben.
500 m mit dem Auto sind schnell gefahren , ein Fahrrad 500 m zu schieben ist nicht zumutbar.
Hmm. Wenn man durch den Tunnel durch ist, muss man über Ampelzickzack in den zweiten Tunnel unter der A8, danach wurschtelt man sich kreuz und quer weiter, weil die schnellste und komfortabelste Verbindung nordwärts, die mittlere Filderstraße, keinen begleitenden Radweg hat. Dieses ganze Unterfangen ist extrem unangenehm, vor allem die Nordseite des A8-Tunnels. Um eine Hautroute Nord-Süd hier zu etablieren, müsste man ein ganzes Paket an begleitenden Massnahmen schnüren, das im Wesentlichen Radpendlern nützt, die direkt in Bernhausen wohnen und nach Stuttgart wollen, und die schmerzresistent genug sind, diese "hässliche" Route auch regelmässig fahren zu wollen. Klar, von mir aus gerne, jede Radverbindung ist ein Gewinn, aber daraus eine Nagelprobe für die Verkehrswende zu machen, kommt mir etwas übertrieben vor. Da gibt es doch im Großraum Stuttgart viele Dutzend stärker frequentierten Problemzonen.
AntwortenLöschenWenn eine Radverbindung bisher schlecht ist, kann man eigentlich gar nicht sagen, wie groß das Potenzial ist, wenn es da an der problematischen Stelle eine Verbesserung (Verkürzung der Strecke) gibt. Und meine Überzeugung ist es, dass wir das Radfahren an jeder Verbindungsstraße zwischen Ortsteilen oder Nachbarorten leicht und bequem machen müssen. Ich habe es oft erlebt, dass Parteie eine große Verbesserung ablehnen, weil sie sagen, die Fortführung fehlt, wir brauchen erst ein Gesamtkonzept, das aber nie kommt, weshalb am Ende die schlimste Stelle auch nicht entschärft wird. Ich finde wir müssen jetzt anfangen, wirklich den Radverkehr gegenüber dem Autoverkehr zu bevorzugen. Bisher wurde immer nur der Autoverkehr privilegert.
LöschenJörg
AntwortenLöschenEs ist komische Reaktion, es schlagen so viele einen Ampel mit Wechselbetrieb vor. Es ist viel befahrene Straße. Kennt ihr das wenn es Baustellen Ampeln gibt? Auf dem Land kann das funktionieren in der Stadt nicht.
Die Kapazität wird durch das abwechseln halbiert. Dann kommen die Pufferzeiten dazu. Und schon ist die Kapazität nur noch ein Drittel.
Wenn es so wenig Verkehr wäre das das ginge, wäre Tempo 30 eine Option.
Es gibt eine 6 spurige Autostraße neben dem Flughafen da haben die Autos mal so richtig Platz.
Was spricht eigentlich gegen eine Fahrradstraße mit Freigabe für den PKW-Verkehr? Das würde die Unterordnung zumindest sichtbar machen, wäre schnell umsetzbar und kostet fast nix.
AntwortenLöschenAus unserer Sicht spricht natürlich nichts dagegen, aber Fahrradstraßen werden nur in geschlossenen Ortschaften mit Genehmigung des Regierungspräsidiums ausgewiesen. Hinzu kommt, dass die Zuleitungsstraßen zu diesem Tunnel breite Autostraßen sind, der Radweg geht für Radfahrende auf der Ostseite abseits der Fahrbahn durchs Grün, und da müsste man halt von der gegenüberliegenden Fahrbahn dann auch hinkommen.
LöschenWie gut so ne Fahrradstraße mit PKW Freigabe funktioniert sieht man in Stuttgart sehr gut......
LöschenKann man keinen zweiten, reinen Fussgänger und Fahrradtunnel graben? Wäre zwar teuer, aber Autofahrer müssten sich nicht einschränken. Man könnte es auch dem Autobudget bezahlen, da die den meisten Nutzen dabei hätten.
AntwortenLöschenKarin
Wurde geprüft, muss ja unterm Flughafen durch (Landebahnen etc.), müsste also sehr tief werden mit entsprechenden Steigungen, und könnte - wenn schmal wie ein Zweirichtungsradweg mit Gehweg - nachts in dieser Länge schon ziemlich angstauslösend (und objektiv auch nicht ganz unkritisch) sein. Würde auch sehr, sehr viel kosten. Wurde deshalb verworfen.
LöschenJörg
AntwortenLöschenMan hier sagen das sich die Radfahrys um die armen Autofahrer sorgen. Ein 3 bis 4 Minuten längerer mit Auto muss vermieden werden. Dafür hirnt man. Geld für Tunnel -- kein Ding.