Den Forschungen der Hochschule Karlsruhe zufolge sind überholende Autofahrer:innen der häufigste Auslöser von Stress bei Radfahrenden.
Die Uni Karlsruhe erforscht seit Jahren, wie sich Radfahrende im Straßenverkehr in bestimmten Situationen fühlen. Dafür hat sie ein Sensorbike entwickelt und misst auch die physischen Reaktionen der Radfahrenden in alltäglichen Straßenverkehrssituationen, ergänzt um Befragungen.
Bei 36 Prozent der Radfahrenden bricht Stress aus, wenn sie von hinten überholt werden. Kreuzungen oder Fußgänger:innen erleben dagegen nur 13 Prozent als stressig. Anlass für diverse Medien, darunter die Tagesschau, dies zu melden, ist der Tod von Andreas Mandalka, genannt Natenom, der bei Pforzheim von einem Autofahrer auf einer Landstraße bei Dunkelheit von hinten angefahren und getötet wurde. Er setzte sich seit Jahren dafür ein, dass Radfahrende in genügendem Abstand überholt werden.
Bei engen Überholmanövern kommt es nach Aussagen von Jochen Eckart, Professor für Verkehrsökonomie in Karlsruhe, zwar nur selten zu Zusammenstößen, aber wenn, dann sind die Folgen für die Radfahrenden sehr schlimm. Aussagen über die durchschnittlichen Überholabstände sind laut Eckart nur schwer zu machen. Bei Untersuchungen seien die Proband:innen nur in 10 Prozent der Fälle ohne ausreichenden Sicherheitsabstand (also unter 1,5 Metern in der Stadt und 2 Metern außerorts) überholt worden, aber das spreche eher dafür, dass sich die Radfahrenden für ihre Alltagswege konfliktarme Strecken suchen. Radfahrende werden häufig zu eng überholt, wie Messungen in Stuttgart ergaben. Demzufolge überholten nur 25 Prozent der Autofahrenden mit mindestens 1,50 Meter Abstand, 47 überholten mit einem Abstand von einem Meter bis 1,50 Meter und 25 Prozent mit einem Abstand zwischen 50 Zentimetern und einem Meter. 2 Prozent überholen noch knapper. Die jüngste Auswertung von 3.800 Überholvorgängen vom ADFC im Kreis Göppingen zeigte, dass sich 58 Prozent der Autofahrenden nicht an den Überholabstand halten. 14 Prozent überholten mit weniger als eine Meter, teils mit weniger als 50 cm, und einer nur mit 14 cm.
Es ist allerdings auch zu vermuten das Fußgänger einen vergleichbaren Stress erleben, wenn sie (zu) eng von Radfahrern überholt werden. Auch da ist das subjektive Gefahrenempfinden viel höher als das reale Unfallrisiko.
AntwortenLöschenFür Fußgänger subjektiv ausreichende Abstände können dabei auf ( oft illegal benutzten) Gehwegen, auf gemeinsamen Geh-und Radwegen und auch auf direkt neben Gehwegen verlaufenden Radwegen in vielen Fällen schon aus baulichen Gründen nicht eingehalten werden
Es ist natürlich so, dass der Stress von Fußgängern, welche von Radfahrern überholt werden, wesentlich geringer ist. Als Radfahrer auf der Landstraße höre ich einen Pkw schon von weitem näherkommen und muss damit rechnen, von seinem Fahrer getötet zu werden - Stress. Als Fußgänger bemerke ich einen Radfahrer erst, wenn er fast schon vorbei ist - da bin ich höchstens für ein Momentle erschrocken.
LöschenThomas
Ja, das ist sicherlich so. Aber hier Whataboutism.
LöschenEs kommt dabei doch sehr stark auf die jeweilig betroffenen Gruppen an.
LöschenFür etliche Senior:innen etwa besteht auch bei kleineren Kollisionen mit Fahrrädern mittelbare Lebensgefahr oder Gefahr von Invalidität.
4 von 10 Frauen über 50J. leiden, um mal die Größe des Problems anzudeuten, unter Osteoporose, und die Folgen von Oberschenkelhalsbrüchen o.ä. führen nicht selten zu Bettlägerigkeit, etc.
Auch für blinde Menschen (über 100.000 Menschen in D sind blind oder extrem Sehbehindert) und generell für Menschen mit Mobilitäts- oder Wahrnehmungsbeeinträchtigungen stellen die leisen und als unstet/unberechenbar empfundenen Radfahrenden eine erhebliche subjektive Angstquelle dar.
Wir sollten nicht immer Erika und Max Mustermann als Bezug wählen, sondern, insbesondere bei der Basismobilität Fußverkehr und ÖPV grundlegend die Interessen bzw. Bedarfe älterer und/oder eingeschränkter Menschen in den Blick nehmen.
Ich stimme aber zu, dass es sich hier um 'Whataboutism' handelt, zumal es einen Zusammenhang von automobiler Gewalt zum Bedrängen von Fußgehenden gibt.
Automobile Gewalt (Autofahrende, autozentrierte Regelwerke, autozentrierte Infrastruktur, 'Autopolizei' und 'Autojustiz') vertreiben Radfahrende von den Fahrbahnen, was dann nicht selten dazu führt, dass ehemalig geschützte Räume fürs Gehen und Erholen durch den, von den Fahrbahnen vertriebenen, Radverkehr für etliche Gruppen, so sie nicht 'strong and fearless' sind, zu Stresszonen und subjektiven Gefahrenzonen werden.
Alfons Krückmann
Nun, genau darum geht es ja in diesem Beitrag. Rücksichtslose Autofahrende drängen mit der Gewalt ihrer Fahrzeuge vor allem weniger Selbstbewusste Radfahrende auf den Gehweg, und Zufußgehende werden dadurch ebenfalls belastet.
LöschenHier liegt die Ursache im Autoverkehr suchen und vor allem in der absolut unzureichenden Ahndung von Regelverletzungen durch Autofahrende.
Ich habe es sebst schon erlebt und noch häufiger beobachtet. Bei manchen Überholvorgängen hat man den Eindruck, dass Autofahrer den Radfahrer überhaupt nicht wahrgenommen haben. Ein Teil der Überholvorgänge gestaltet sich auch so, als ob der Autofahrer ein stehendes Hindernis überholt (sprich: man wird geschnitten, weil zu früh wieder eingeschert wird). Hier muss unbedingt eine Sensibilisierung für Autofahrer her. Und es muss klargemacht werden, dass Radfahrer regulär auf der Fahrbahn fahren müssen und dass nicht alles von dem jemand denkt es sei ein Radweg auch einer ist und dass Autofahrer keinerlei Massregelrechte besitzen.
AntwortenLöschenKarin
Ja!
LöschenZusätzlich müssten allerdings Justiz und Polizei von ihrem Kurs abgebracht werden gefährdendes Überholen im Falle von 'ist doch nix passiert' faktisch(!) als regulären Verkehrsablauf zu definieren.
Ich unterstelle da im Falle der Handelnden bei Polizei und Staatsanwaltschaften/Gerichten eine heimliche Auto-Agenda nach dem Motto: 'Eigentlich haben doch Radfahrende auf Fahrbahnen eh nichts zu suchen'.
Die vielen gehässigen und komplett menschenverachtenden Leserbriefe und Online-Kommentare von Automobilist:innen nach den Tod von Andreas Mandalka gehen ja ebenfalls in diese Richtung, genauso wie das langfristige Vorhaben für alle für den Autoverkehr relevanten Fahrbahnen oberhalb von 30kmh Fahrbahnverbot durch benutzungspflichtien Radwegebau zu verordnen.
Alfons Krückmann
Gesetze oder Regelungen zu erlassen, die nicht kontrolliert werden und nicht einmal kontrolliert werden können, ist nicht sinnvoll, da sie nur Unfrieden stiften.
AntwortenLöschenDer festgelegte Überholabstand ist ein sehr gutes Beispiel. Paragraph 1 der StVO würde völlig ausreichen.
Mercedes Testa Rossa
Liebe Mercedes,
Löschennatürlich kann man den Überholabstand messen. Und kontrolliert und ggf. geahndet stiftet diese Regelung Sicherheit und Gelassenheit.
Thomas
In der Schweiz wünschen Radfahrende sich eine solche gestzliche Regelung zum Überholabstand wie wir sie haben, also eine klare Bezifferung: 1,5 Meter Abstand innerorts, 2 Meter außerorts, damit Autofahrenden klar wird, dass ein Abstand nötig ist. Auch wenn es nicht kontrolliert werden kann (wobei, auch die Polizei kann mit Abstandsmessern an ihren Fahrrädern fahren), so schafft die Zahl wenigstens einen Anhaltspunkt, was ein "ausreichender" Abstand ist.
LöschenIch habe nicht behauptet, dass man den Abstand nicht messen kann.
LöschenMach mal einen Vorschlag, wie jeder Autofahrer, der auf der Weinsteige bergauf Radfahrer bedrängt, gerichtsfest seine Strafe für die Ordnungswidrigkeit aufgebrummt bekommt. Es ist ja nicht einmal möglich, das Durchfahrtsverbot bei der Wiehlandshöhe durchzusetzen.
Mercedes Testa Rossa
Wielandshöhe mit nur zwei "h", sorry
LöschenGerichtsfeste Messtechnik ist grundsätzlich möglich
LöschenUm "alle" Autofahrer zu erwischen , müssten alle Fahrräder , die diese Strecke befahren auch mit der gerichtsfesten Messtechnik ausgestattet sein. Unrealistisch. Allerdings wäre eine deutlich höhere Betrafungsquote wohl ausreichend. Dazu wäre aber zunächst der Wille von Nöten, das auch durchzusetzen
Ist er aber nicht, weder bei der Wielandshöhe bzw auf der Weinsteige und auch nicht auf der Autobahn - Stichwort Mittelspurschleicher.
LöschenMercedes Testa Rossa
Tempolimits gab es auch, bevor es Radarmessgeräte gab. Waren die solange nicht sinnvoll?
LöschenDas Problem mit der deutschen Justiz ist doch das 100% genaue (=Täterschutz). Normalerweise würde es doch reichen, wenn man feststellt: <1,5m = Strafe, <1,0m höhere Strafe. Da würden Bodenmarkierungen zur Kontrolle reichen, bzw. wenn die Fahrbahn eh zu eng zum Überholen ist, dann ist Überholen=zu enges Überholen= Strafe.
LöschenKommt der Radfahrer mit der Hand ans Auto=Fahrverbot, wird er beim Überholen angefahren= Führerschein weg. Wer so nah überholt ist entweder komplett rücksichtslos (= ungeeignet zum Führen von KFZ) oder blind (=ebenfalls ungeeignet zum Führen von KFZ).
Karin
Ein Kommentar wurde von mir gelöscht. Hier auf meiner von mir moderierten Seite bezichtigt niemand eine:n andere:n Kommentar:in, sie oder er stünde nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Ich bitte dich also, dich zu mäßigen. Wir diskutieren hier sachlich über die Themen, wir greifen einander nicht persönlich an.
AntwortenLöschenDie "Festlegung" der 1,5m (innerorts gegenüber erwachsenen Fahrradfahrern) und 2m Überholabstand (ausserorts und gegenüber Fahrräder die von Kindern gefahren werden oder Kinder (mit-) transportieren) in der StVO war ein trojanisches Pferd. Diese Abstände wurden schon in einem Gerichtsurteil von 1975 (!) als Mindestabstände definiert unterhalb denen ein Überholen "gefährlich" ist.
AntwortenLöschenDas heisst seit 1975 ist zu enges Überholen (im Weiteren Sinne) von Fahradfahrern durch KFz Fahrer strafbar (!), zunächst abgeleitet und seit Kürzerem explizit nach §315c Absatz 1 Nr.2b StGB strafbar, bei Vorsatz mit bis zu 5 Jahren Gefägnis, bei Fahrlässigkeit mit bis zu 2 Jahren Gefängnis.
Die Existenz der "Ordnungswidrigkeit" nach § 5 Abs. IV S. 3 StVO mit der hier angesprochenen Definition ermöglicht es Polizei und Justiz die Ptüfung ob es sich um eine Straftat nach §315c Absatz 1 Nr.2b StGB handelt zu unterlassen. Zu enges Überholen im engeren Sinne wird grundsätzlich als Ordnungswidrigkeit behandelt deren Verfolgung nicht zwingend ist, eine möglcihe Strafbarkeit wird selbst bei Anzeigen nicht geprüft. Meiner Ansich nacht (ich bin kein Jurist) macht sich das "System" Verkehrsrecht es da zu leicht wenn es §315c Absatz 1 Nr.2b StGB nur bei Überholvorgängen zwischen KFZ anwendet. Und dann kommt noch der Fall mit dem Schutzstreifen mit durchgezogener Linie der als Fahrbahntrenner gilt womit es sich nicht um "Überholen im engegen Sinne" handelt. Andreas Mandalka (natenom) hatte zum Beispiel auch einen "Überholvorgang" mit Berührung (!) angezeigt der von den "Fahrradmordor" Behörden ignoriert wurde. Zumindest wenn es zu einer Berührung kommt ist der Tatbestand nach §315c Absatz 1 Nr.2b StGB meiner Ansicht nach in jedem Fall erfüllt (Vorsatz oder Fahrlässigkeit sind dann noch zu prüfen). Hier haben sich also die Beamten meiner Ansicht nach selbst der Strafvereitelung im Amt strafbar gemacht.
Was ist der Weg da raus? Die OWi nach § 5 Abs. IV S. 3 StVO darf nicht mit denselben Maßstäben wie das strafbare "gefährliche Überholen" bemessen werden. Hier reicht einfach: OWi bei Überholen eines Fahrrads (oder jedem anderen Fahrzeug) mit einem zulassungspflichtigen KFZ wenn während des Überholvorgangs nicht das gesamte KFZ auf der anderen Seite des Mittelstreifens/der Fahrstreifenbegrenzung bleibt. Strasse ohne Mittelstreifen/Fahrstreifenbegrenzung? -> Überholverbot. Dann kann die OWi ohne nachmessen verfolgt werden und nur die Straftat muss evtl. mit Messtechnik/Gutachter etc. bewiesen werden.