Eine Viertelstunde herumstehen und gucken, wie der Verkehr funktioniert, mache ich ja gerne.
An der Einmündung der Tübinger Straße zum Marienplatz erkennt man, dass das Angebot für Radfahrende und Fußgänger:innen nicht richtig passt. An dieser Stelle kreuzen sich der Autoverkehr und der Rad- und Fußverkehr aus vielfältigen Richtungen in verschiedene Richtungen (siehe Karte ganz unten). Auch wenn die Autofahrenden, die aus der Böblinger Straße kommen und in die Tübinger Straße einbiegen, nicht immer langsam fahren (und auch nicht blinken), sind hier im Grundsatz alle recht langsam unterwegs. Chaotische Verhältnisse sind deshalb auch nicht unbedingt unfallträchtiger als andere Stellen. Aber die Verkehrsführung ist nur für den Autoverkehr optimiert, für den Radverkehr und für Fußgänger:innen überhaupt nicht.
Es gibt eine Fußgängerampel bei der Bushaltestelle, an der Fußgänger:innen lange herumstehen. Auf einem Zebrastreifen könnten sie einfacher queren. Allerdings müsste der Bus dann auch anhalten. Viele Menschen zu Fuß wollen aber gar nicht dorthin laufen, sondern überqueren die Einmündung der Tübinger Straße oder laufen irgendwie über die Fahrbahn. Diese Ampel ist übrigens auch der Haupthinderungsgrund für Radfahrende, auf der Fahrbahn zu radeln. Die meisten bevorzugten entweder den Weg über den Marienplatz in der freigegebenen Fußgängerzone oder über die kleine Straße entlang der Läden, wo auch die Taxis stehen, nur um nicht bei Rot stehen und warten zu müssen.
Am Ausgang der Tübinger Straße - die Fahrradstraße ist - steht ein Stoppschild. Wirklich anhalten empfiehlt sich hier, weil die Situation unübersichtlich ist. Man weiß nie so genau, ob die Autofahrenden, die von links von der Böblingerstraße her kommen, nach rechts in die Tübinger Straße abbiegen oder aber die Hohenstauffenstraße hochfahren wollen. Der Bus verkehrt hier außerdem. Hilfestellung gibt die Fußgängerampel. Wenn die für den Fahrverkehr rot wird, können wir rüber radeln, müssen allerdings an der Ecke bergauf erst einmal stehen. Vorfahrt hat die Fahrradstraße hier nicht. Diese Stelle, wo die Fahrradstraße endet, ist in keinem Fall geeignet für radfahrende Kinder. Auch Eltern mit radelnden Kindern sieht man hier in der Regel nicht mehr. Sie sind vorher in die Fußgängerbereiche (die freigegeben sind) geflüchtet.
Nach der Überquerung teilt sich der Strom der Radfahrenden. Einige biegen nach links in auf die Fahrbahn ein, ungefähr genauso viele fahren geradeaus in die kleine Parallelstraße entlang der Läden, wo die Taxis stehen, um danach in die Böblinger Straße weiterzufahren, ohne an der Fußgängerampel bei der Bushaltestelle warten zu müssen. Einige fahren nach rechts die Hohenstaufenstraße hoch.
Am beliebtesten ist im Verlauf der Hauptradroute 1 allerdings die Fahrt über den Marienplatz, wo er Fußgängerzone ist. Ein asphaltierter Weg legt nahe, dass er Radweg sei. Stadteinwärts muss man dann an der Einmündung auf die Tübinger Straße hinunter fahren. Die meisten tun das genau dort, wo die Autofahrenden einbiegen. An dieser Stelle soll man, wenn man aus der Tübinger Straße kommt, nach links auf den Marienplatz einbiegen und einen Bordstein hochfahren in die Fußgängerzone. Hier sind auch ordentlich Fußgänger:innen unterwegs. Außerdem quert man dabei die Mündung und Einbiegefahrbahn der Autofahrenden, die selten durch Blinken anzeigen, wo sie hinfahren wollen. Lkw-Fahrer, die von oben aus der Hohenstauffenstraße einbiegen, brauchen für die Schleppkurve die gepflasterte Mittelinsel, was Radfahrende extrem in Bedrängnis bringen kann.
Eine nicht unerhebliche Zahl der Radfahrenden will entweder diesen Bordstein vermeiden oder aber die etwas unübersichtliche Situation direkt an der Einmündung. Die nehmen nicht diesen Auf- und Abgang, sondern den abgesenkten Bordstein ein Stück weiter in der Tübinger Straße, der zudem nahtlos mit dem Asphalt abschließt. Dazu muss man dann allerdings ein Stück auf dem Gehweg radeln. Für mich ist unklar, ob der Bordstein für extra die vom Marienplatz Richtung Stadtmitte radelnden abgesenkt wurde oder nicht. Denn der Gehweg ist an der Ecke der Bank ja nicht freigegeben für Radfahrende (hinter dem abgesenkten Bordstein müsste er dann wieder fürs Radfahren verboten werden). Besonders beliebt ist diese Route bei E-Scooter-Fahrenden, eben weil des dort keinen Bordstein mehr gibt, und die fahren da erstaunlich ungebremst. Sie hätten übrigens auch nie über den Marienplatz fahren dürfen, weil der nur eine für Fahrräder freigegebene Fußgängerzone ist.
Es gibt auch einige Varianten, über den Marienplatz zu kommen, wenn man aus der Böblinger Straße kommt. Einige radeln gleich links durch diese kleine Parallelstraße entlang der Läden, weil sie damit die Fußgängerampel vermeiden. Dieser hier kommt dann als Geisterradler auf der falschen Straßenseite in der Einmündung der Tübinger Straße an. Andere fahren über die Fahrbahn und nutzen den abgesenkten Bordstein nach der Fußgängerampel um vor dem Springbrunnen auf den eigentlichen Marienplatz hochzukommen und Richtung Kreuzung am Tunnel weiterzuradeln.
Die Fahrlinien sind jedenfalls vielfältig, auch weil es keine eindeutig markierte Streckenführung gibt. Es dürfte kaum eine nicht durch Ampeln geregelte Kreuzung in Stuttgart geben, wo sich der Radverkehr dermaßen durch den Fuß- und Autoverkehr schlängeln muss (blauen Pfeile auf der Karte unten) und von ihm allerhöchste Aufmerksamkeit verlangt wird. Ich bin jedes Mal fasziniert, dass es funktioniert. Und ich denke dennoch jedes Mal, eigentlich sollte man Radfahrenden eindeutigere Streckenführungen anbieten (etwa so, wie man das hier den Autofahrenden anbietet (graue Pfeile auf er Karte unten). Das hier erfordert viel zu viel Pfadfindertum.
Vielleicht sollte man hier einfach einen "shared space" machen, also alle fahren Schrittgeschwindigkeit und alle Ampeln, Markierungen, Bordsteine werden entfernt. Ich glaube die Fahrradfahrenden, e-Scooter, Fussgänger werden sich hier eh nie an irgendwelche Regeln halten. De facto ist das ja auf der ganzen Tübingerstrasse so: Vor dem Globetrotter und bei der Einmündung in die Eberhardstrasse / Rothebühlplatz fahren / spazieren auch alle kreuz und quer...
AntwortenLöschenDas wäre die beste Idee. Allerdings gibt es Shared Space bei uns in Deutschland nicht. Auch die Tübinger Straße ab Gerber ist immer noch eine Fahrbahn für Fahrzeuge, auf der nur 20 km/h gefahren werden darf. Viele Fußgänger:innen missverstehen das als Fußgängerzone, ist es aber nicht. Und es fährt ja durch den Marienplatz immer auch noch der Bus.
LöschenViel wäre schon geholfen, wenn die Tübinger nur von Anliegern benutzt würde, und nicht als Abkürzung. Bin gespannt, ob die blaue Farbe daran etwas ändert, aus eigener Anschauung würde ich bisher schätzen: 20% Anlieger, 80% Abkürzer. Haben die Polizei Kontrollen vor 2 Wochen ähnliche Zahlen ergeben?
AntwortenLöschenIch kenne die Zahlen der Polizeikontrollen nicht.
LöschenJörg
AntwortenLöschenWarum gilt da nicht schon lange Tempo30? An der SSB kann es nicht liegen die fährt hier nicht so schnell.
Ich würde die Richtungsfahrbahnen trennen mit einer 2 bis 3 m breiten Insel. An der Einmündung der Tübinger noch breiter. So das man sich stadtauswärts Fahrbahn für Fahrbahn voran tastet. Zebrastreifen anstelle der Ampeln auf pinseln.
Zu blöd das das Amt nicht auf mich hört.
Ja.
AntwortenLöschenViele der gegenwärtigen Verkehrsprobleme lösen sich in Rauch auf, wenn die gefahrenen Geschwindigkeiten endlich wieder auf's 'menschliche Maß' zurückgesetzt werden.
Artgerechte Haltung des homo-sapiens und die Bedarfe des kalt-stählernen Autoverkehrs stehen zur Zeit ganz grundlegend in Widerspruch zueinander.
Wie werden wir uns im 21.Jhd. in Bezug auf diesen Widerspruch entscheiden?
Wie wird sich eine friedliche Koexistenz auf Basis einer 'Artgerechten Haltung des homo-sapiens' mit einem (hoffentlich) zukunftstauglich zusammengeschrumpften und domestizierten Autoverkehr organisieren lassen?
Alfons Krückmann