Das hat ein Modellprojekt in niedersächsischen Kommunen ergeben. Den Modellversuch hätte man eigentlich gar nicht machen müssen, denn man weiß seit langem, dass der Autoverkehr in Städten sich weniger staut und besser fließt, wenn nicht schneller als 30 km/h gefahren wird. Das ist ohnehin die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Autos in einer Stadt, alle Ampelhalts und Hindernisse mit eingerechnet. Deshalb ist man mit dem Fahrrad in der Regel schneller am Ziel. Außerdem bessert sich die Luftqualität und die Anwohner:innen müssen weniger Lärm erdulden. Die Zusammenstöße von Autofahrenden mit Fußgänger:innen oder Radfahrenden wurden zwar auf den Versuchsstrecken nicht weniger, aber die Verletzungen waren nicht so schwer.
Währenddessen Pforzheim: Da hatte man Tempo 30 eingeführt und hebt es nun tagsüber wieder auf. Auf Hauptverkehrsstraßen darf dann wieder 50 km/h gefahren werden. Die Begründung dafür ist, dass man "Staus vermeiden" wolle. Das ist sicherlich kein haltbarer Grund, sondern eher eine Ausrede, um den konservativen Autofahrenden das vertraute Gaspedal-Gefühl zurückzugeben. Rational ist es nicht. Denn je höher die Geschwindigkeit, desto größer die Gefahr von Staus, die aus den Verzögerungen des Abbremsens und wieder Anfahrens entstehen.
Und je höher die Geschwindigkeit, desto mehr Platz brauchen Autos auf einer Fahrbahn vor sich als Bremsweg, es gehen also weniger Autos in einen Straßenabschnitt hinein. Der Rest staut sich dann an der Ampel davor. Bei Tempo 30 kann ein Straßenabschnitt mehr Autos aufnehmen. Tatsächlich rollen - egal, ob man 30 oder 50 fährt - etwa 2000 Fahrzeuge pro Stunde auf einer ordentlichen Fahrspur. Entscheidend sind die Ampelschaltungen. Auf 100 Metern verliert man als Autofahrer bei 30 km/h knapp 5 Sekunden gegenüber 50 km/h. Sehr viel mehr verliert man an Ampeln, durch das in zweiter Reihe Parken oder bei Abbiegevorgängen. Wo Tempo 50 infolge der Ampeln ein Stop and Go erzeugt, rollt man bei Tempo 30 gleichmäßiger, was Autofahrende eigentlich als angenehmer empfinden.
Weiß man alles und schon lange. Muss man offenbar immer wieder testen, und leugnet es dann aus ideologischen Gründen, auch wenn die Tests ergeben, dass es so ist. Wir sind schon arg irrational in Deutschland. In Pforzheim ist das Thema auch noch nicht ganz durch, denn es gelten Lärmschutzregeln der EU für alle Städte (kommt auch auf Stuttgart zu), und die müssen eingehalten werden. Ob es ein Flüsterasphalt - der viel Geld kostet, das man wieder mal nur für den Autoverkehr ausgibt, nicht für den Radverkehr - richtet, ist nicht sicher.
Es ändert, bessert sich nichts.
AntwortenLöschenIch habe eine reddit-Seite gefunden, r/collapse, die meinem aktuellen moralischen Zustand entspricht, nämlich dem, dass wir nicht nur ungebremst sondern im Gegenteil immer schneller in die absolute Katastrophe rauschen.
Guten Rutsch!
Ja, weil wir an vielen Stellen diesen paradoxen Widerstand gegen das entfachen, was uns eigentlich gut tut und nützt. Es ist halt reine Ideologie.
Löschen"was UNS eigentlich gut tut ... "
LöschenMöglicherweise ist ja auch und vor allem dieses "uns" ein Problem?
Einem "uns", definiert als Mitglieder der oberen 10%, also incl. der Eigner von BMW/Daimler/VW etc, tut das ungebremste Wachstum des Autoverkehrs sicherlich sehr gut, sticht doch stets Rendite jede ökologische und soziale Verantwortung, und sind doch die Folgen der ungebremsten Raserei in den Villenvierteln und teuren grünen Vorstädten nicht spürbar.
In unserer ökonomisch stark polarisierten Gesellschaft (um nicht den 'atmodischen' Begriff Klassengesellschaft zu gebrauchen) gibt es in den aller seltensten Fällen ein reales "uns", sondern ist dieses "uns" im Regelfall ein sprachliches Mittel um die alten Ideologie von 'wir sitzen doch alle im selben Boot' aka 'Volksgemeinschaft' zu transportieren.
Nein, wir sitzen nicht im selben Boot. Die einen sahnen die satten Renditen ab (BMW Familie Quandt/Klatten kann gut 1Mrd. p.a. allein an Dividenden auf ihr altes Nazi-Vermögen drauflegen), die anderen dürfen die Suppe mit Unfallgefahr, schlechter Atemluft, krankmachendem Wohnen im Verkehrslärm etc. auslöffeln.
Alfons Krückmann
Naja, diese 10 oder 1 %, die sich irgendwie ausrechnen, dass sie dank ihres Geldes den Zusammenbruch der Zivilisation, der mit jedem Zehntelgrad mehr exponentiell wahrscheinlicher wird und früher kommen wird - mit schlechter Luft oder Verkehrslärm wird es nicht abgehen - unbeschadet überleben würden, denen vorzuschweben scheint, ihr privilegiertes Leben würde immer weitergehen, egal was passiert, dass die sich keinem Wir zugehörig fühlen, geschenkt.
LöschenDas Problem sind die Leute, die glauben, nur weil sie einen monatlichen Leasingvertrag für ein SUV abgeschlossen haben, hätten sie irgendetwas mit obengenannten gemein.
Die SSB ist aber doch regelmäßig gegen Tempo 30 - weil dann die Busse zu spät kommen. Wie kann man das in der Argumentation übergehen?
AntwortenLöschenDie Busse kommen nicht zu spät, das ist nur eine Ausrede, weil man Bustakte nicht verdichten und optimieren will, was dann notwendig wäre.
LöschenGanz einfach, weil eine ordentliche Auswertung der Fahrdaten eines Busses ergeben würde, dass der nur sehr kurze Strecken über 30 km/h fährt, und das dafür durch höhere Verzögerungen an anderen Stellen erkauft wird.
LöschenEine Reduzierung der maximalen Geschwindigkeit von 50 auf 30 in Bereichen mit Kreuzungen und Bushaltestellen hat normalerweise keine verlängerung der Fahrzeiten auf bestimmten Streckenabschnitten zur Folge. Die Durchschnittsgeschwindigkeit steigt manchmal sogar.
Das Argument ist also im Allgemeinen bereits widerlegt, wenn es hier im speziellen doch gelten sollte wäre eine Auswertung der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten und der Zeiten die der Bus zum Anfahren aus evtl noch vorhandenen Busbuchtem, notwendig
Ja gut, immerhin haben wir Tempo 40 flächendeckend in Stuttgart, das ist doch schon mal was :-) .
AntwortenLöschenEigentlich haben wir in Stuttgart in 70 Prozent der Stadtfäche bereits Tempo 30. Aber das sind enge Wohngebiete, und da kann man im Grunde auch zwischen den Reihen geparkter Autos gar nicht schneller fahren.
LöschenMeine Theorie warum viele Autofahrer Tempo 30 ablehnen: Es fühlt sich einfach zu langsam an (das ist meine Erklärung , Verständnis habe ich dafür nicht).
AntwortenLöschenModerne Autos sind bei Tempo 30 im Innenraum ziemlich leise. Und durch die Abschirmung nach außen, fehlt das Feedback wie schnell 30km/h verglichen mit der Geschwindigkeit beim Laufen tatsächlich sind. 30km/h auf dem Fahrrad ist schon ziemlich flott. Ich schaffe das höchstens bergab und fange da auch an zu bremsen. Mit dem Auto fühlt sich das halt an als würde man durch die Stadt schleichen. Und gegen dieses Gefühl kommt man mit rationalen Argumenten nur schwer an.
Aber die Radfahrer:innen rasen, wenn sie 25 km/h fahren. Sie schleichen nicht. Na gut, fühlt sich halt schnell an wegen Fahrtwind und eigener Anstrengung.
AntwortenLöschenEs ist ja noch viel schlimmer. Es gibt nur verdammt wenige Teilstrecken in einer Stadt wo die 50km/h überhaupt ausgefahren werden dürfen. Die "Geschwindigkeitslimits" stellen die "maximale Höchstgeschwindigkeit" dar, sie begrenzen die nach Sichtfahrgebot und Rücksichtsgebot aus §3 StVO Abs. 1 und 2a erlaubte Geschwindigkeit. In der Regel ist die tatsächlich erlaubte Geschwindigkeit die sich aus §3 Abs. 1 und 2a innerorts für zweispurige KFZ ergibt DEUTLICH niedriger als die ausgelobten 30 bzw. 50 km/h. Kriegt der Autofahrer der mit "erlaubt +10%" Geschwindigkeit schwächere Verkehrsteilnehmer verletzt oder tötet dann aber nur nach dem "Unfall" vor Gericht mitgeteilt.
AntwortenLöschenWenn z.B. am Fahrbahnrand Fußgänger sichtbar sind (wartend an einer Ampel) darf an denen idR nicht mit 50km/h vorbeigefahren werden, auch wenn die Ampel grün ist. Der Seitenabstand reicht hierfür meistens nicht aus. An Fahrbahnrandparkern in der Seitenstraße darf eigentlich nur im Schritttempo vorbeigefahren werden etc. Hält sich keiner dran, deswegen ist "überhöhte Geschwindigkeit" auch Haupt- "Unfall" -Ursache.
Das "öffentliche" Verkehrsunternehmen gegen 30km/h als Regelgeschwindigkeit innerorts opponieren zeigt nur dass hier mit System die überhöhte Geschwindigkeit "eingeplant" wird, man geht also davon aus dass die angestellten Berufskraftfahrer mit Personenbeförderungsschein ständig verkehrsrechtswidrig fahren und plant die Taktung etc. danach. Das sollte eigentlich schon strafbar sein und Verlautbarungen dazu wirken als Geständnis...
Ironischerweise ergeben sich gerade für Fahrräder innerorts nach §3 StVO Abs. 1 und 2a höhere tatsächlich erlaubte Geschwindigkeiten als für zweispurige KFZ weil das tatsächliche Risiko für andere Verkehrsteilnehmer um mehrere Größenordnungen niedriger ist (0,1% dessen das durch KFZ verursacht wird oder sogar weniger) und die reellen Fahrbahnbreiten für einspurige Fahrzeuge ja auch echte Sicherheitsabstände zulassen.