Die Stadtplanung hat sich prinzipiell vorgenommen - wie im Zielbeschluss festgeschrieben -, bei der Planung von Radinfrastruktur Radwege und Radfahrstreifen auch aufkosten von Parkstreifen zu bevorzugen. Doch wenn dafür kein Platz ist, was dann?
Grundsätzlich soll, so fordern es die Grünen mit SPD, Links-Fraktion und Puls zusammen, bei der Planung von neuen Radverkehrsanlagen immer von oben nach unten skaliert werden. Also: zuerst wird ernsthaft ein Radweg geplant, reicht der Platz dafür nicht, dann sind breite Radfahrstreifen die zweite Wahl. Nach den bösen Erfahrungen auf der Böblinger Straße lehnen wir Schutzstreifen ab, weil sie Autofahrende dazu verführen, viel zu eng zu überholen. Und weil dies ein Streitpunkt mit der Stadt ist, fordern wir das in diesem Antrag. Außerdem sollten im Grünumlauf nach der Stadtbahn nicht die Autos, sondern erst Mal die Radler:innen Grün bekommen, zum Beispiel hier am Waldeck.
Der Antrag lautet:
Antrag
Stadträtinnen/Stadträte – Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion, SPD-Gemeinderatsfraktion, Die FrAKTION LINKE SÖS PIRATEN Tierschutzpartei, Fraktionsgemeinschaft PULS |
Betreff Ergänzungsantrag zur Mitteilungsvorlage GRDrs 114/20222 »Qualitätsstandards für den Radverkehr« zur Behandlung im STA |
Basierend auf der Debatte im Unterausschuss Mobilität am 29.3.2022 mit den Sachkundigen Einwohner*innen (SkE) und den Gesprächen der Stadtverwaltung mit den Sachkundigen Ein- wohner*innen über die Qualitätsstandards bei der Radverkehrsanlagen möchten wir die Stadt- planung politisch in ihrem Bestreben unterstützen, künftig die Radverkehrsanlagen so zu pla- nen, dass sie für einen Radverkehr von 25 Prozent im Modal-Split bis 2030 gerüstet und auch für Lastenräder, Räder mit Anhängern, Dreiräder und andere zweispurige Fahrräder geeignet sind. Bei der Planung neuer Anlagen soll zukunftsweisend über den heutigen Stand techni- scher Regelwerke hinausgegangen werden. Es wird mit Maximalstandard, nicht nach Min- deststandard geplant. Abweichungen nach unten werden in der Vorplanungsphase in den be- stehenden Arbeitskreisen mit den SkE besprochen.
Grundsätzlich müssen Radverkehrsanlagen leicht und zügig befahrbar sein und ausreichend Platz für langsameren und schnelleren Radverkehr bieten. Maximalstandard sind baulich vom Auto- und Fußverkehr getrennte Radwege. Darunter folgen breite Radfahrstreifen. Mit verrin- gerter Breite sollen Radfahrstreifen nur geplant werden, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, für den Radverkehr auf der Straße Platz zu schaffen.
Schutzstreifen sind nicht mehr Teil einer regulären Radanlagenplanung, weil die Konflikte mit dem Autoverkehr zu groß sind. Ausnahmen sind Schutzstreifen an Ampelanlagen zur Vorbei- führung an Autos oder Überbrückungen von Engstellen. In jedem Fall halten sie einen Sicher- heitsabstand zu geparkten Fahrzeugen ein. Wo der Platz beim besten Willen nicht ausreicht, soll ein Mischverkehr mit Radpiktogrammen auf der Fahrbahn erwogen werden, sofern das die rechtlichen Vorgaben und Sicherheitsaspekte erlauben. Busspuren können Teil der Radin- frastruktur sein.
Einbahnstraßen sollen generell in Gegenrichtung für den Radverkehr freigeben werden. Wenn Sicherheitsaspekte (zu enge Begegnungsflächen oder nicht einsehbare Kreuzungen) dage- gensprechen, wird nach praktikablen Lösungen gesucht, die Mängel zu beseitigen.
Es wird angestrebt, lange Wartezeiten von Radfahrenden an Ampeln für den Radverkehr und an gemeinsam mit dem Fußverkehr genutzten Übergängen zu überprüfen und zu verkürzen. Die Bevorrechtigung des ÖPNV bleibt davon unberührt. Lange Wartezeiten entstehen für Radfahrende an speziellen Radverkehrsampeln oder im gemeinsamen Querungsverkehr mit dem Fußverkehr vielerorts, wenn der ÖPNV vorrangig abgewickelt wurde und danach zuerst der Autoverkehr wieder Grün bekommt. Hier soll überprüft werden, ob die Reihenfolge im Grünumlauf nach dem ÖPNV geändert werden könnte.
Kreuzungen sollen für den Radverkehr künftig so gestaltet werden, dass sie Radfahrenden das Überqueren oder Linksabbiegen in einem Zug erlauben, aber auch von ungeübteren Rad- fahrenden jeden Alters sicher befahren werden können. Bei mehrzügigen Fahrbahnüberque- rungen stellen Mittelinseln, die nur eine Fahrradlänge breit sind, für Menschen mit Lastenfahr- rädern oder Anhängern ein erhebliches Problem dar. Wo Mittelinseln nicht so breit hergestellt werden können, dass Menschen mit längeren Rädern oder viele Räder gleichzeitig darauf Grün abwarten können, sollte die Ampelschaltung dafür sorgen, dass solche Fahrbahnen in einem Zug überquert werden können.
Wir beantragen deshalb:
Bei der künftigen Planung von Radverkehrsanlagen wird wie oben geschildert vom höchsten zum niedrigeren Standard eskaliert.
Abweichungen vom Höchststandard werden in der Planungsphase in den bewährten Ar- beitsgruppen besprochen.
Schutzstreifen sind nicht mehr Bestandteil der regulären Netzplanung. Bei kurzen Ab- schnitten - insbesondere in Kreuzungsbereichen - kann nach Erörterung mit den SkE eine Ausnahme möglich sein, wobei in diesen Bereichen auch Piktogrammspuren zum Einsatz kommen könnten.
Die Verwaltung prüft, ob mehr Einbahnstraßen in Gegenrichtung für den Radverkehr freigegeben werden und Sicherheitsrisiken beseitigt werden können.
Bei Ampelanlagen für den Radverkehr wird angestrebt, im Umlauf nach dem bevorrech- tigten ÖPNV dem Radverkehr zunächst vor dem motorisierten Individualverkehr wieder Grün zu geben.
Mehrzügige Fahrbahnüberquerungen mit schmalen Mittelinseln werden vermieden, oder es wird eine Überquerung der durch schmale Mittelinseln getrennten Fahrbahnen in ei- nem Zug angestrebt.
Allerdings wird und dieser Beschluss, der von einer Mehrheit im Gemeinderat unterschrieben ist, nicht davor bewahren, dass wir bei jeder neuen Planung in den zuständigen Ausschüssen des Gemeinderats mehr minder heftig - meistens eher heftig - darüber diskutieren werden, ob hier wirklich keine Radweg geht, wie viele Parkplätze wegfallen können dürfen oder müssen, oder ob der Radfahrstreifen geschtützt werden kann oder nicht, und ob einer Radverkehrsanlage vielleicht doch ein Mischverkehr mit Tempo 30 (falls das angeordnet werden kann) vorzuziehen sei (wie in der Osterbronnstraße in Dürrlewang), um Parkplätze zu retten. Denn die Entscheidungen werden im Gemeinderat ja immer im Einzelfall getroffen. Und immer, wenn es um Radverkehr geht, der dem Autoverkehr etwas Raum wegnimmt, gehen die Emotionen hoch.
Hm.
AntwortenLöschenDas letzte Mal, als die vorgenannten Protagonisten was zusammen großes angeleiert haben, endete es mit Herrn Nopper.
Ist's OK, wenn ich nicht super-optimistisch bin?
Na ja, es ist ja immer einfacher große Zielbeschlüsse zu machen, mit Zielen sind viele einverstanden. Wenn es dann aber um einen konkreten Fall geht, dann kommt "ja, aber nicht hier". Ist halt so. Wir werden für jede einzelne Radverkehrsanlage immer wieder neu eine Mehrheit zusammenbringen müssen. Der OB hat damit übrigens gar nichts zu tun, denn der Gemeinderat macht die Stadtpolitik, nicht der OB.
AntwortenLöschenDas gefällt mir.
AntwortenLöschenZwei Anregungen: nach dem Bahnen kommen die Busse, die ggfs. Auch eigene Spuren brauchen, damit sie möglichst niemals an einer Ampel stehen müssen.
Punkt 4. Hier schreibst du "Einbahnstraßen sollen generell in Gegenrichtung für den Radverkehr freigeben werden". Das ist heute von so. Über die StVO kann der Gemeinderat nicht beschließen.
Eure Forderung bleibt hinter der bestehenden Regelung zurück. Gemäß StVO prüft die Verwaltung nicht, welche Einbahnstraßen noch freigegeben werden können, sondern sie kann nur prüfen, wo eine außergewöhnliche Gefahrenlage ausnahmsweise gegen die Freigabe spricht.
Wir wissen, dass das allgemein so ist, aber die Verkehrsbehörde führt an manchen Stellen Sicherheitsproblem an (alles so eng), durch die Radfahrende gefährdet werden, sieht also die Gefahrenlage. Und wir wissen, dass es beispielsweise im Stadtteil Zuffenhausen ein System von Einbahnstraßen gibt, die man für Radfahrende endlich freigeben muss.
LöschenJörg
LöschenLeider ist diese besondere Gefährdung anscheinend teilweise dadurch gegeben, dass auf beiden Seiten private verschlossene Autos kostenlos abgestellt werden. Dafür fährt der Radler gerne einen Umweg über zwei Kreuzungen, oder? Die Einbahnstraße ist eigentlich nur für Autos nötig.
Ich finde es gut, dass der Gemeinderat Verantwortung für seinen 2019 gefassten Zielbeschluß übernimmt und nicht mehr zusehen will, wie die Verwaltung versucht den damals gefassten Beschluß zu verwässern. Es mag ja sein,das man nicht allen einzelnen Punkten uneingeschränkt zustimmmt. Das ist aber auch nicht schlimm. Wichtig ist das Signal, welches der Gemeinderat an die Verwaltung schickt, dass er den SEKs und dem Radentscheid den Rücken bei den Verhandlungen über Standards den Rücken stärkt. Ich habe so ein Signal des Gemeinderats lange vermisst und nicht mehr daran geglaubt. Danke an diejenigen, die hier die Initiative ergriffen haben.
AntwortenLöschenStreiche "Einbahnstraße wird für den Radverkehr geöffnet" und setze: "Zweibahnstraße wird für für den Autoverkehr geschlossen". Wir müssen endlich mal zur Denkweise hin, dass Verursachern etwas weggenommen wird, anstatt zu argumentieren, den Unbeteiligten würde etwas geschenkt werden.
AntwortenLöschen