10. November 2023

Parkplätze vor dem Laden sind schlecht fürs Geschäft

So fasst der Spiegel zusammen, was wir schon länger wissen und worüber ich auch immer wieder geschrieben habe. Leider niet unter dieser schönen Überschrift, die es auf den Punkt bringt.  

Immer wenn Parkplätze am Straßenrand von Konsumstraßen verschwinden sollen, fürchtet der Einzelhandel um seine Kundschaft. Eine neue Studie aus Aachen bekräftigt, dass sie zu Unrecht Angst haben. Schon frühere Studien haben gezeigt, dass weniger Parkplätze entlang der Ladenzeilen sich entweder gar nicht oder positiv aufs Geschäft auswirken. Wo viele Autos parken (und ein entsprechender Parkplatzsuchverkehr herrscht) bleiben Menschen weg. Und die paar Leute, die aus dem Auto aussteigen und eine Kleinigkeit kaufen, bringen viel weniger Umsatz als viele Fußgänger:innen und viele Radfahrende, die andernfalls hier unterwegs wären. Übrigens kaufen Radfahrende öfter und mehr im lokalen Handel ein als Menschen, die in Autos kommen. 

Entscheidend, so die Studie aus Aachen, ist allerding, dass es rund um eine Einkaufscity oder den Ortskern eines kleineren Ortes reichlich Parkplätze gibt, meistens in Gestalt von Parkhäusern.

Die Leute müssen mit dem Auto aus dem Umland oder den Stadträndern an den Rand der Fußgängerzonen kommen. Ein Parkhaus muss es im Umkreis von 100 Metern zum Ziel geben. Das reicht. Sie müssen nicht auch noch auf der Suche nach einem Straßenrandparkplatz durch die Gassen kreisen. Das Foto oben zeigt so eine partielle Rückeroberung, die wir Parklett nennen, hier in Degerloch. Sie erweitern den Gehweg und erlauben es einer Gastronomie Tische und Stühle aufzustellen. Und schon halten ich mehr Menschen hier auf, die nicht nur eilen, sondern auch verweilen. 

Wirklich neu sind die Ergebnisse nicht. Und knallhart belegt ist auch nicht, dass überall der Einzelhandel gewinnt, wenn er weniger Autos vor der Tür hat. Aber es gibt reichlich Beispiele, dass dies sehr wahrscheinlich ist. Gänzlich autofreie Innenstädte können allerdings auch Frauen benachteiligen, genauso wie Menschen mit Gehbehinderungen. 

Nach Einschätzung der britischen Professorin Clara Greed ist die Stadtplanung und damit auch die Vision von grüneren Städten stark von einem männlichen Blick geprägt. Radfahren ist vielleicht für den männlichen Berufspendler eine optimale Lösung, aber nicht unbedingt auch für die Frau, die ihre Kinder zum Kindergarten bringt, arbeiten fährt, dann einkauft und die Kinder abholt und mit einem vielleicht noch zur Zahnärztin muss. "Von Autos zu Fahrrädern wechseln, mag grüner sein, aber es ist nicht zwangsläufig weniger sexistisch", schreibt Clara Greed in ihrem bereits vor dreißig Jahren erschienenen Buch, "Women and Planning - kreating Gendered Realities" (zitiert nach Bücker). Auch der öffentliche Nahverkehr passt nicht zu den Bedürfnissen vieler Frauen, allein schon wegen der U-Bahn-Stationen mit vielen Treppen aber wenigen Aufzügen, die auch nicht immer funktionieren. 

Übrigens verderben auch die vielen illegalen Parkenden in Stuttgart die Freude an neu eingerichteten Fußgängerzonen. Wenn die riesigen SUVs in den eigentlich autofreien Straßen herumstehen, leidet die Gemütlichkeit, und wiederum werden Menschen zu Fuß genötigt, um sie herum zu gehen, oder beiseite zu treten, wenn sie rein oder raus gefahren werden. Und diese Autos gehören nicht den Frauen mit Kinderwagen oder Geheingeschränkten, sondern meistens Männern, die sehr gut ein paar hundert Meter zu Fuß gehen könnten. 

16 Kommentare:

  1. Aber man kann doch so eine teure protzige Kiste nicht ins Parkhaus stellen, da sieht sie doch keiner. Da sieht doch auch keiner wie man aussteigt und dass man so eine große protzige Kiste wirklich nötig hat, weil so wichtig ist. (Sarkasmus off)
    Solange Autos mit Image und Ansehen verbunden werden, so lange wird es diese Typen geben, die ihre Kisten gut sichtbar überall in den Weg stellen müssen. Das wird vollkommen selbstverständlich und ohne Gedanken an die Konsequenzen für andere getan. Die gehören halt meistens zu den Vertretern der Fraktion ICH! .
    Karin

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  2. Das Parklett in Degerloch wurde wohl wieder abgebaut. Ob dauerhaft oder nur über den Winter, weiß ich nicht.

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    1. Ja, natürlich wurde das wieder abgebaut. Man braucht ja Parkplätze.

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  3. jedes mal, wenn in Stuttgart wieder ein Geschäft schließt und nach den Gründen gefragt wird, wird die mangelnde Erreichbarkeit mit dem Auto genannt, zuletzt der Juwelier von Hofen.
    https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.aus-fuer-juweliergeschaeft-von-hofen-naechstes-traditionsgeschaeft-verschwindet-aus-stuttgart.85dfd4ae-b47a-4ef9-a157-3ce14058fdc1.html

    Praxis schlägt Theorie!

    Mercedes Testa Rossa

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    1. windräder verursachen übrigens autobahnstaus.
      beweis: drackensteiner hang und rheinschiene am schwarzwald.
      und mit akw gibt's freie fahrt.
      beweis: günzburg und franzöische rheinseite.

      aber trotzdem:
      schöner non-sequitur...mit dem juwelier...wirklich sehr schön.

      karl g. fahr

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    2. und genauso deswegen bin ich trotz aktiver Radfahrer absolut gegen Windrad und pro Atomstrom!

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    3. Deswegen sind ja soviele Juweliere neben Bauhaus und Drive through Burgerbude, weil ma da so schön parken kann.

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    4. Ich weiß nicht, ob sie oder er Sarkasmus versteht...

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  4. Das Klischee von der „ Frau, die ihre Kinder zum Kindergarten bringt, arbeiten fährt, dann einkauft und die Kinder abholt und mit einem vielleicht noch zur Zahnärztin muss“, hätte es jetzt nicht unbedingt gebraucht. Ja, Stadtplanung passiert aus männlicher Perspektive, aber das ist einfach ein schlechtes Beispiel.

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    1. Wieso ist das ein schlechtes Beispiel, ich finde es realistisch. Die Sorgearbeit wird ja schließlich hauptsächlich von Frauen getragen.

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    2. Das ist unrealistisch wegen des Zahnarztbesuchs. Realistisch wäre gewesen: „… und nebenbei noch eine Waschmaschine kaufen muß.“

      Kölnradler

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  5. Hallo Christine,
    um nur wieder einen Punkt/ Gedanken aus deinem Beitrag aufzugreifen:
    “Immer wenn Parkplätze am Straßenrand von Konsumstraßen verschwinden sollen, fürchtet der Einzelhandel um seine Kundschaft.“

    Es ist ein Kennzeichen von Extremisten, dass sie sich einen ganz „schlimmen“ Fall raussuchen und den dann als Gemeingültig erklären (Keine Parkplätze vor der Tür=kein Umsatz).

    So ist es meiner Meinung nach mit dem Parken direkt vor den Läden. Man kann ja grundsätzlich nicht ausschließen, dass es in dieser einen ganz bestimmten Situation und unter ganz bestimmten Umständen der Parkplatzverlust den hauptsächlichen Grund für diese/ diesen Geschäftsaufgabe/ Umsatzrückgang darstellt.

    Ich denke, dass das Thema „Parken(=Konsum) vs Aufenthalts-/Lebensqualität“ ein Dilemma darstellt. An dem Punkt muss man sich halt für eine Richtung entscheiden. Wohlwissend, dass man das Problem nicht vollumfänglich lösen kann. Ich bevorzuge da meine persönliche Aufenthalts-/Lebensqualität ;-)
    Joachim

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  6. Ich frage mich ja immer, wie die anderen Leute es schaffen immer genau vor dem Laden zu parken, zu dem sie wollen. Ich habe das so gut wie noch nie geschafft. Ich stehe immer im Parkhaus. Oder in Vierteln ohne Parkhaus meistens irgendwo jwd.
    Ich kann das mit dem Verlust von Parkplätzen vor der Tür wirklich nicht nachvollziehen.
    Karin

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  7. Jörg
    Wahrscheinlich kaufen die Leute die mit dem Auto kommen 2 mal ein. Fällt ein Parkplatz weg kaufen sie nur noch eine Halskette pro Woche im Heimatort.
    Anders kann ich mir Parkplatz gleich Konsum nicht erklären.
    Ist es wirklich so schlimm für unser Land wenn sie im Heimatort oder per Internet direkt in China kaufen?

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    1. Wenn ich mich so an meine Autozeiten erinnere, dann läuft das eigentlch so: Man fährt nach der Arbeit in die City, weil man irgendwas kaufen will, sagen wir Shampoo in einem Drogeriemarkt. Gibt es in der Straße einen Parkplatz, dann macht man das, gibt es keinen, fährt man heim und kauft das Shampoo wann anders. Jetzt haben wir in der Eberhardstraße, die autofrei ist, einen dm_Markt. Davor oder in der Straße parken kann man nicht, dennoch ist der Laden voll, wie übrigens auch der dm in der Fußgängerzone beim Böhm in der Nähe vom Schlossplatz. An den Menschen, die mit dem Auto möglichst ladennah parken wollen, hängt der Umsatz also nicht. Für das Samstagshopping steuert man ohnehin ein Parkhaus an, weil man da länger stehen kann als am Straßenrand. Diese Parkhäuser, so die Untersuchung, muss es geben. Aber nicht die Parkplätez vor den Läden.

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    2. Die Geschäftstreibenden in der Eberhardstraße werden ja auch auf heimlicher Art und Weise beliefert, denn bis heute gibt es noch kein einziges offizielles eingeschränktes Haltverbot in diesem Bereich.
      Das bekommt der liebe Gemeinderat bis heute nicht gebacken und geregelt...

      Gruß
      Patrick

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