2. August 2024

Das Auto dominiert unser Bild von der Zukunft

Wir wissen, was gut für Menschen in den Städten und auf dem Land ist: weniger Autoverkehr, mehr Radverkehr, mehr Fußverkehr und mehr öffentlicher Nahverkehr, der das Auto überflüssig macht. 

Für kurze Zeit war Radverkehr der Gewinner der Corona-Krise, und ein bisschen hat sich der Effekt auch erhalten. In Stuttgart nahm der Radverkehrsanteil am Modal Split von ca. 8-10 Prozent auf 14 Prozent zu.  Es fühlt sich fast ein bisschen wie Mobilitätswende an, ist es aber nicht. Denn die die Pandemie hat - auch wegen unzuverlässiger öffentlicher Verkehrsmittel - letztlich nur der Autoindustrie in die Hände gespielt, nämlich dem Individualverkehr, und zwar in Autos oder auf Fahrrädern. Und weil das Fahrrad für weite Strecken nicht als tauglich betrachtet wird, gewinnt dabei das Auto, übrigens das mit Verbrennungsmotor. Zukunfsszenarios wiederum werden als Albtraum für die Autohersteller uminterpretiert. 

Zwei gegensätzliche Narrative ringen heftiger denn je um Zustimmung. 

Das Narrativ der Autoindustrie lautet: Ohne Autoindustrie verlieren wir unsere Wirtschaftskraft und unseren Wohlstand. Der Mensch ist nichts ohne Auto und unser Land verarmt ohne Auto. Wir können nicht leben ohne das Auto.

Die Gegen-Erzählung hat die Fridays-for-Future-Bewegung 2019 ins öffentliche Bewusstsein gebracht. Sie lautet: Das Kippen des Klimas zu unseren Ungunsten muss verhindert werden. Wir dürfen unsere Lebensgrundlagen nicht zerstören. Unsere Lebensgrundlagen sind Artenvielfalt, intakte Naturräume und ein mäßiges Klima. Das Verbrennen fossiler Energieträger zerstört das Klima, Monokulturen, Abholzung und Chemie in der Landwirtschaft zerstören die Artenvielfalt.

Doch die Erzählung der Klimaschutzbewegung ist nicht so einfach wie die Erzählung der Autoindustrie. Sie basiert auf Wissenschaft und Modellrechnungen, auf deren nicht immer einfach zu verstehende Inhalte man sich einlassen wollen muss. Und sie bezieht sich auf eine ungewisse Zukunft, während sich das Narrativ der Autoindustrie auf eine bekannte Vergangenheit bezieht. Während die Autoindustrie seit den fünfziger Jahren beweist, dass es ohne Auto nicht geht und wir nur deshalb so reich sind, weil wir sie haben, muss die Erzählung der Umweltschutz-Bewegung beweisen, dass der Klimawandel menschengemacht ist und vom Menschen aufgehalten werden kann, wenn er sein Verhalten ändert. Während wir wissen, wie wir mit Autos leben, wissen wir nicht, ob wir gut leben, wenn wir aufs eigene Auto verzichten. 

Die Alten wollen das nicht ausprobieren (sie möchten, dass auf ihrer letzen Lebensstrecke alles so bleibt, wie gewohnt) und sie stellen die Mehrheit im Wahlvolk. Die Erkenntnis dass nichts so bleibt, wie es ist, wenn man wir so weitermachen wie bisher, dringt nicht durch. Nicht einmal bei der Jugend: Die will ja auch nicht weniger besitzen und weniger tun dürfen als die Eltern: also reisen, fliegen, Auto haben, Wochendtripps zum Wandern, Klettern oder Paragliding nach Österreich damit machen, Kinder mit Autos zum Kindergarten bringen. In den letzten fünf Jahren haben zudem weitere Krisen den Aufbruch von Fridays-for-Future neutralisiert. Die Abwehrkämpfe gegen Veränderungen unseres auf dem Verbrennen fossiler Energieträger (und immensem Konsum) basierenden Lebensstils gewinnen Boden zurück. Das Narrativ lautet: "Wir haben wichtigeres zu tun, als uns um das Klima zu kümmern." 

Es ist offensichtlich, dass eine Mehrheit in Deutschland meint, ohne Auto nicht leben zu können. Das ist kein Wunder, denn wir leben in einer Welt, die komplett fürs Autofahren organisiert ist. Dafür hat die Autoindustrie seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts gesorgt. Sie hat den einst extrem gut funktkonierenden öffentlichen Verkehr vernichtet, ein immenses Netz von Autostraßen ausgespannt und Fußgänger:innen und Radfahrende an den Rand gedrängt. Und die müssen sich jetzt in mühsamen Kleinkämpfen Meter für Meter Raum zurückerobern. Rad und ÖV werden als Alternative zum Autoverkehr gehandelt, nicht aber der Autoverkehr als Alternative zum Radverkehr, Fußverkehr oder Öffentlichem Verkehr. Der Leitverkehr allen politischen Handelns ist immer der Autoverkehr, alles andere ist ein Zusätzliches, das nur untergebracht wird, wenn noch ein bisschen Platz dafür übrig ist.  

Viele Städte schufen im Zug der Corona-Pandemie temporäre Radstreifen, weil der zunehmende Radverkehr Raum brauchte. Auch Stuttgart fing damit an, kassierte den Radstreifen auf der Theo aber gleich darauf wieder. Übrig geblieben ist aber nur einer der Pop-up-Radwege. Und die neue Berliner CDU-Verkehrsministern will Radwege wieder schmaler machen. 

Die Radinfrastruktur wird also immer den Autostraßen abgerungen, auch politisch. Darauf weist Terenig Topjian in seinem Artikel hin, der übersetzt aus dem Englischen in der Zeitschrift Luxemburg.de erschienen ist. Tenor: Obgleich wir doch genau wissen, wie gut Fahrradstädte für Menschen, Umwelt und Wirtschaft sind, kriegen wir immer nur kleine Abschnitte Radweg oder ein paar Poller hin. So entsteht eine Radinfrastruktur, die für ein paar hundert Meter bombig ist (oder auch elend schlecht), dazwischen aber klaffen viel größere Lücken. Immer wirkt es, als befriedige der Gemeinderat damit ein Nischeninteresse, nämlich das von ein paar Radler:innen.

Das Narrativ lautet: "Ja, ihr Radler, ihr kriegt eure blöden Radwege, damit ihr aufhört herumzuschreien. Und ja, klar, Radfahren wäre besser, aber die normalen Menschen fahren halt Auto. Also macht nicht so ein Theater!"

Wir brauchen aber nicht neue Radwege und Radstreifen, wir brauchen vielmehr eine völlig andere Organisation unserer Verkehrsbahnen in den Städten und auf dem Land. Schon das Wort "Radweg" erzeugt den Eindruck, als gehe es um ein Partikularinteresse. Da muss für irgendwelche anspruchsvollen Leute mit Spezialfahrzeugen irgendwas gebaut werden. (Mit dem Gehweg ist das auch so.) Niemand spricht von einem "Autoweg", der neben einen Radweg oder einen Gehweg gebaut werden müsse. Der Autoverkehr ist der Leitverkehr, das Verkehrsnetz für Autos ist überall durchgängig. Autofahrende geraten nicht nach zwei Kilometern Autobahn auf eine Schotterpiste. "Man baut nicht hier und da auf Forderung einer lokalen Initiative ein wenig Straße und lässt dazwischen kilometerlange Lücken. Genau so läuft jedoch die Planung unserer Radinfrastruktur ab", schreibt Topjian.  

Was die Politik dabei komplett vergisst, sind die enormen Kosten für die großen Schäden, die der Autoverkehr erzeugt und die von der Autoindustrie und den Autofahrenden nicht selbst bezahlt werden. Den bezahlen die Steuerzahler:innen und die Krankvenvericherten, auch wenn sie gar kein Auto haben. Der Autoverkehr tötet jedes Jahr gut 3.000 Menschen direkt durch Kollisionen und verursacht hohe Krankenhauskosten und viel Leid für solche, die verletzt werden. Er verändert die Lebensentwürfe von Verletzten und deren Angehörigen. Er erzeugt Krankheiten durch Lärm und Luftgifte. Er verspielt die Zukunft unserer Nachkommen, die mit den immensen Kosten und den sozialen und geopolitischen Verwerfungen der Klimaerwärmung werden leben müssen. Die Politik unterliegt dem Irrtum, dass nur was teuer ist, auch gut ist und uns weiterbringt. 

Radinfrastruktur ist vergleichsweise kostengünstig. Fahrräder sind billiger als Autos. Wer ein Auto hat, gibt für seinen Unterhalt auch noch viel Geld aus (ca. 400 Euro pro Monat). Der Radverkehr braucht nicht viel Geld, und das ist sein Nachteil. Wie ich selbst bei Haushaltsberatungen schon beobachtet habe, fällt es der Politik leichter, große Summen zu bewilligen als kleinere Geldsummen. (90.000 Euro klingt größer, weil eine 9 vorne steht, als 2 Millionen. Und für 90.000 Euro kann sich jeder den Gegenwert vorstellen, bei zwei Millionen geht das nicht mehr.) Bei Straßenbauprojekten für den Autoverkehr geht es stets um riesige Summen. Ingenieurbüros und Baufirmen verdienen viel Geld, dass produziert Jobs und sehr hohe Managergehälter. Und weil wir uns gerne mit dem verbünden, was viel Geld darstellt, sind Politiker:innen mehr daran  interessiert, sich mit Großprojekten zu schmücken, zumal auch das Medieninteresse dann größer ist. (Man könnte natürlich auch mal eine große teure Fahrradbrücke bauen, das produziert auch viel Geld für Ingenieurbüros und Baufirmen.) 

Flugfahrrad. 200 Jahre Fahrrad, Mannheim
Faszination Technik. Das Fahrrad ist zu einfach. Es fliegt nicht. Poltiker (hauptsächlich Männer) hängen nämlich offensichtlich an hoch technikaffinen Visionen von Flugtaxis und autonomen Autos (genauso übrigens wie am hochkomplexen Wasserstoff-Auto im Gegensatz zum einfachen E-Auto), die unsere Straßen ebenso füllen sollen wie derzeit die fossilen Verbrenner. Die Autoindustrie arbeitet intensiv an einer Narration dieser Zukunft, die den Bildern von Science-Fiktion-Filmen des vorigen Jahrhunderts ähnelt. Das Fahrrad ist darin extrem selten, immer lassen sich Menschen von Motoren transportieren, fast immer sitzen sie in einer Hülle, abgeschirmt von der Welt, immer sind sie schnell unterwegs und hin und wieder kracht es und explodiert was. Motoren bestimmen das Leben. Sie bestimmen, wie wir uns bewegen und wohin. 

Die Mobilitätswende hat keine bewährten Bilder.  Sie kann nicht zurückgreifen auf vertraute Filmbilder des vorigen Jahrhunderts. Sie besitzt im Grunde überhaupt noch keine Bilder, jedenfalls keine, die ohne die klassische Raumaufteilung mit Dominanz von Fahrzeugen auf deiner Straße und Gehwegen auskommen (siehe z.B. hier). Die alten Fotos von Stadtstraßen vom Anfang des 20. Jahrhunderts taugen nicht, denn zu den Kutschen wollen wir ja nicht zurück. Futuristische Grafiken zeigen meist viel Parkgrün, ein paar eiförmige Autos und rundliche Stadtbahnen und Busse und am Rand ein paar Fußgänger:innen und spielende Kinder. Gern schwebt da auch noch ein Volocopter herum. 

Auf eines allerdings können wir sehr wohl zurückgreifen: Auf das, was wir alle genau wissen. Wir wissen, dass Orte schöner sind, wo keine Autos fahren. Wir wissen, dass Wald und Natur, Blumen und Vogelgesang uns gut tun. Wir kennen die Zufriedenheit, nachdem wir uns bewegt und dabei ein bisschen angestrengt haben. Wir verhalten uns gern vernünftig und rücksichtsvoll, wenn wir uns an das angenehme Gefühl erinnern, richtig gehandelt zu haben. Die Basis wäre da. Wir wissen, was gut für uns ist. Leider ist dieses Wissen nie Grundlage eines konzertierten politischen Handelns. Denn wir halten gute Gefühle und Gesundheit eher für etwas, was wir privat erringen müssen.  

Ich bin während des Corona-Lock-downs viel durch die halbe Stadt gelaufen. Ich kann mir eine Stadt ohne Autos vorstellen. Eine Stadt, in der Menschen vor allem zu Fuß oder mit Fahrrädern und elektrischen Kleinstfahrzeugen unterwegs sind, wo Kinder herumrennen, ohne dass die Eltern Angst um sie haben müssen. Ich sehe sehe ländliche Räume, wo Busse und Bahnen eine schnelle Verbindung von Dörfern mit Kreisstädten herstellen, und Fahrräder (Pedelecs) auf Landstraßen häufiger sind als Autos. Ich könnte mich schnell daran gewöhnen, dass es leise ist und ich nicht überall Automotoren höre.
Diese Stadt muss allerdins auch Hundertausende Menschen zur Arbeit und nach Hause transportieren können, bis weit ins Umland hinaus. Das müssen Bahnen leisten, auch Seilbahnen. Durch die Viertel kreisen kleine Busse, die Menschen abholen und zu Bahnhöfen bringen. Es wird auch Menschen geben, die mit Gepäck oder großen Gegenständen von neinem Ende der Stadt zum anderen wollen. Es braucht auch für Notartz und Feuerwehr immer noch Autofahrbahnen. Aber gleichwertig viel Platz gibt es für Radfahrbbahnen und Fußgängerbahnen. Den Transport von Gütern und Paketen wickelt man durch ein unterirdisches Röhrensystem ab, für die letzten Kilometer nimmt man ein Lastenrad oder irgendwas dieser Größe. Die Stadt wird nicht zunächst fürs Auto geplant und anderes drangepappt. Vielmehr werden Mobilitätsbahnen für unterschiedliche Mobilitätsformen angelegt (Massentransportmittel, schneller Individualverkehr und langsamer Individualverkehr). Im Zentrum der Planung steht das gute und gefahrlose Vorankommen von Menschen zu Fuß und mit dem Fahrrad, also von selbstaktiver Mobilität. Nirgendwo in so einer Stadt der Zukunft hat der Autoverkehr mehr als eine Spur und es gibt große Bereiche, wo nur noch selbstaktive Mobilität hineinkommt. In Wohnquartieren stehen überhaupt keine Autos an den Straßenrändern. Man hat ja auch keines mehr. Wenn man eines braucht, steht es als Sharing-Angebot in einer Tiefgarage am Rand des Wohngebiets zur Verfügung. Für den Transport von schweren Einkäufen ins Wohngebiet stehen (meinetwegen auch elektrische) Sackkarren oder Wägelchen zur Verfügung. (Und so stellen sich die Autor:innen der Süddeutschen Zeitung 2017 die Stadt ohne Autos vor.") 

Der Nachteil aller schönen Visionen: Wir sagen: "Träum weiter! Das erlebe ich nicht mehr, bis man das alles mal so umgebaut hat. Und solange brauche ich mein Auto. Und einen Parkplatz." 

Also bleibt uns doch nur de Kampf um jeden Meter Radweg und jeden einzelnen Fußgängerüberwege über Stadtautobahnen. Oder? Der Übergang ist das schwierigste. Denn die Autos sind nicht plötzlich alle weg und die Fußgängerzonen und Radwege alle da. Eigentlich weiß die Politik auch, wie der Übergang geht. Man kommt am besten in die Mobilitätswende hinein, wenn man das Autofahren immer unbequemer und das Radfahren, das mit Bus und Bahnen Fahren, das Zufußgehen immer bequemer und schöner macht. Man reduziert Parkplätze im öffentlichen Raum, man verlangsamt den Autoverkehr durch Tempo-30 überall, man macht es teurer durch Citymaut oder Mobiltiätspässe (=jeder löst ein ÖV-Ticket, wenn er/sie mit dem Auto in die Stadt fährt), teure Parkgebühren, höhere Steuern auf fossile Brennstoffe und so weiter. Allemählich reduzieren sich die Privat-Pkws und geben den Raum frei für andere Verkehrsarten. 

Dazu braucht es einen politischen Entschluss, der mehr ist als ein Zielbeschluss im Sinne des Radentscheids 2019 für die Vollendung unseres Radverkehrsnetzes in den kommenden zehn Jahren (wovon fünf Jahre schon rum sind). Solange Gemeinderat und Bezirksbeiräte über jede hundert Meter Radweg befinden (und sie auch ablehnen können, weil zu viele Parkplätze wegfallen), bleibt die Radinfrastruktur ein Kampf um jeden Meter. Es braucht ein allgemeines politischen Mandat, dass eine Fußgänger- und Radinfrastruktur so ausgebaut wird, wie es notwendig ist, damit ein vollständig durchgehendes Netz entsteht, ohne das Teile des Netzes lokal infrage gestellt werden können. Dieses Netz legt sich über alle Straßen, wo schneller als 40 km/h gefahren werden darf, auf alle Hauptstraßen, alle Bundesstaßen innerorts, auf alle Kreuzungen. Und wenn der Platz nicht reicht, wird entweder eine Autofahrspur (oder Parkplatzspur) weggenommen oder Tempo 30 angeordnet (und auch durchgesetzt). 

Kopenhagen zeigt, wie man den Radverkehr zum Hauptverkehr einer Stadt macht: mit Radwegen, Radbrücken, Vorrang fürs Fahrrad, und mit autofreien Fußgängerzoenen. Man sagt, dass die Niederländer:innen oder die Dänen das Auto genauso lieben wir wir. In all den Städten, die seit Jahren den Rad- und Fußgängevekehr zugunsten des Autoverkehrs massiv gestärkt haben, hat im Grunde die Politik, also die Stadtregierung die Rolle derer übernommen, die an Vernunft appelieren und vernünftige Verrkehrsysteme durchsetzen und die Einwohner:innen zu einem umweltschonendenen Mobilitätsverhalten bewegen. Den meisten Menschen gefällt das dann ganz gut. 

Diese Städte haben eine Erzählung auf die sie stolz sind: "Wir haben die Verkehrswende geschafft!" 

Wir alle, aber vor allem auch die Politik, dürfen nicht zulassen, dass die Autoindustrie die Deutungshoheit über unsere Zukunft behält. Noch mal Tropijan, der schreibt: "Wenn wir jetzt keine größeren Visionen haben, werden wir vielleicht nie mehr die Chance dazu haben. Lasst uns ein neues Verkehrssystem erschaffen, das umfassende Mobilität als ein Menschenrecht begreift und es allen, unabhängig von ihrem Alter oder Geschlecht, zugänglich macht. Mikromobilität ist eine zentrale Antwort auf die gesellschaftlichen und ökologischen Probleme unserer Zeit. Wenn wir sie nicht ernst nehmen, wer dann?


12 Kommentare:

  1. Gute Zusammenfassung.
    Die zeigt, dass es, wie schon oft gesagt, nichts bringt, an Symptomen herumzudoktern, dass wir die Systemfrage stellen, und beantworten müssen.
    Kein System zeigt besser als der motorisierte Straßenverkehr die völlige Unbrauchbarkeit kapitalistischer Systeme, maximaler Ressourcenverbrauch für maximale Ungleichheit und Ineffizienz.

    George Monbiot hat es gerade erst wiederholt, kleine Veränderungen bringen nichts, wir müssen viel radikaler den Umbruch fordern, ja, radikaler als selbst die Letzte Generation!
    https://www.monbiot.com/2024/07/25/how-to-change-everything/

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    1. Lieber Marmotte, vor allem ist es das patriarchale System, das unsere Erde verbrennt mit seiner Lust an lauten Motoren und Vergewaltigung der Natur. Der Kapitalismus ist dem Patriarchat inhärent, wir müssen also das Patriarchat entmachten. Allerdings muss ich sagen, dass ich zu alt bin, um an die Revolution zu glauben. Ohnehin wissen wir Frauen, dass vor allem Kleinnigkeiten, die man nachdrücklich verfolgt, etwas ändern: mehr Frauen in Entscheidungspositionen, mehr Fahrräder und Lastenräder anstelle von Autos, mehr Forderungen nach einer für Frauen angenehmen Verkehrswelt, mehr Bilder vom Anderen als dem gerade Bestehenden. Aber ich denke, dieser Blog ist nicht geeignet, eine solche Diskussion zu führen.

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    2. Da bin ich anderer Meinung.
      Thomas

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    3. Nun ja, ich sehe auch sehr viele Frauen in diesen SUVs rumfahren. Und die Frauen in der dt. Regierung, die die aktuelle Politik beeinflussen sind fast durchweg schlimmer noch als ihre Kollegen. Der Rollenrollback ist schon lange im Gang, nur sollen jetzt mgl. alle arbeitsfähigen Personen Knete verdienen - das ist eine
      eine Verstetigung des Systems, keine Basis für eine Umwälzung.
      Ein Gesellschaftsproblem, nicht nur in Deutschland. Und dies ist bedingt durch Machtansprüche der Regierungen. Wie wurden seit Jahrhunderten so konditioniert. Die wenigsten Menschen bringen die Fantasie auf sich eine andere Welt vorzustellen und haben keinen blassen Schimmer, dass sie in eine Schablone gepresst sind. Orwellsches Sprech dominiert inzwischen, und nur wenige wollen dies sehen, die Jüngeren fast überhaupt nicht. Die lassen sich mit individualisiertem Kulturklimbim abspeisen, die Klassen- und Systemfrage ist ihnen fremd.
      Der Mensch wurde auf seine wirtschaftliche Ergiebigkeit reduziert, Mehrwertbeschaffer, ansonsten ist er unwichtig bzw. würde er gefähtlich und das geschieht, wenn er zuviel Zeit zum Denken hat und nicht mehr als Konsummaschine agiert. Der Anfang vom Ende und damit Teufelszeug. Hat schon Hitler bzw. die Industriebarone zu Anfang des letzten Jahrhunderts gewusst.

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    4. "Incremental change leads nowhere. Society is a complex system with two equilibrium states, that it flips between. One is called Impossible. The other is called Inevitable. Before systemic change happens, it is always impossible. Votes for women? They would never let that happen. Decolonisation? You have got to be joking. Civil rights? Don’t make me laugh. Marriage equality, legal abortion, sexual liberation, the weekend … all preposterous proposals! Then they happen, and everyone thinks “well that was inevitable, wasn’t it?"

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  2. Schön geschrieben und sehr wahr. Danke!

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  3. Jörg
    Die Kosten der Straßen werden in jeder Gemeinde unterschätzt. Etwa alle 30 Jahre muss eine Straße richtig erneut werden. Dafür gibt es kaum Zuschüsse wie beim ersten Bau. Pflege und Winterdienst seien gar nicht erwähnt.
    Da sehe ich mich als Radpendler um meine Steuern betrogen, da ich keine Radwege bekomme.

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  4. Radinfrastruktur ist zum großen Teil letztlich Autoinfrastruktur. Gäbe es deutlich weniger Autos, Tempo 30 innerorts und nicht überall Abstellplätze am Straßenrand wären die meisten separierten Radwege nicht nötig. Autos und Fahrräder könnten sehr wohl auf den Straßen koexistieren. Nur mit Fußgängern verträgt sich das nicht, die sind dann doch zu langsam. Gehwege und autofreie Zonen sind weiterhin wichtig.

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    1. Liebe Tina, ich bin ganz deiner Meinung. Es könnte ziemlich einfach sein.
      Thomas

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  5. Ich fürchte, unser speziell deutsches irrationales Verhältnis zum Auto liegt darin begründet, dass Nationalstolz nach wie vor eine zwiespältige Angelegenheit in Deutschland ist. Deshalb fällt es uns in Deutschland so ungeheuer schwer, den Blick von unserem Goldenen Kalb wenigstens ein wenig abzuwenden.
    Vor ein paar Tagen habe ich das Wort "Moto-Normativität" gelernt, das die Situation, in der wir uns befinden, sehr gut umreißt: Autofahren ist normal, alles andere ist es nicht. Wer von A nach B fahren möchte, nimmt das einfachste, nächstbeste Verkehrsmittel: Bei uns im Dorf ist das Auto, das fahrbereit vor der Tür steht. Dabei ist es wumpe, ob der Weg nur 600 m lang ist und die zu transportierende Last ein Pfund Butter ist (keine Übertreibung - sondern eine Realität, die ich jeden Tag beim Supermarkt besichtigen darf). In Gegenden, wo jeder ein Auto hat, braucht man weder ÖPNV (zu teuer) noch Radwege (Radfahrer zahlen ja ohnehin keine Steuer). Ohne ÖPNV und Radwege bleibt das Auto die einzige Alternative. Da beißt die Katze sich in den eigenen Schwanz.
    Solange sämtliche Parteien, unabhängig von Regierungsbeteiligung, sich in den Rücken fallen, wird es keine Verkehrswende geben können. Eine Wende braucht Visionen und Zielbilder, wo die Reise hingehen soll, und welche Vorteile das bringt. Davon sind wir weit entfernt. Ich fürchte sogar, dass das Fehlen einer Marschrichtung dazu führt, dass die Bevölkerung in den nächsten Jahren zugunsten ihrer geliebten Verbrenner gegen die CO2-Bepreisung meutern wird, und Parteien den Vorzug geben wird, die daraus aussteigen wollen.
    Und zum Radfahren fahren wir in den Wald oder nach Holland. Mit dem Auto.

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