16. April 2025

Auto stützt Männermacht

Am Donnerstag, dem 20. März liefern sich zwei Männer Anfang 30 in Ludwigsburg ein Autorennen in teuren Autos und töten dabei zwei unbeteiligte Frauen in einem anderen Auto. 

Ein Täter saß sehr schnell in U-Haft, der andere wurde vier Wochen später gefasst und inhaftiert. Die Leit-Medien (TV, Hörfunk und alle Zeitungen berichteten kurz nach der Tat, teils sehr persönlich. Menschen legten an der Stelle des Zusammenstoßes Blumen nieder. Allerdings gab es keine Trauerbeflaggung und keinen Besuch des Ministerpräsidenten an der Tankstellenausfahrt. Diese Raserfahrt wird von uns und der Öffentlichkeit nicht als politische oder ideologisch basierte Tat behandelt, auch nicht als Kurzschluss zweier psychisch Kranker, sondern als Zufall, als Panne, als Seltenheit. Es gab keine Talkshows, in denen Tätergruppen identifiziert wurden (hier: zu schnell fahrende Männer unter 40) und über Konsequenzen gestritten und drastische Abhilfemaßnahmen vorgeschlagen wurden. 

Die Presse kombiniert das Wort "Autorennen" auch immer mit dem Wort "illegales", so als gäbe es auf unseren öffentlichen Straßen legale Autorennen. Es wird, wie so viele andere auch, als schief gelaufenes Fahrmanöver behandelt, mit zufällig tödlichem Ausgang für andere Menschen, nicht als logische Konsequenz eines Systems, dass Autofahrenden auf unseren Straßen eine ungeheure Macht über andere einräumt: die Macht Lärm zu machen - auch absichtlich und übermäßig -, Geschwindigkeiten zu übertreten, die Räume von Fußgänger:innen zu besetzen (überall zu parken) und zu jeder Zeit alle anderen zu gefährden, die nicht in Autos sitzen (nicht auf Fußgänger:innen und Radler:innen achten beim Abbiegen, sich durch Handys ablenken lassen, zu schnell fahren). Immerhin will die Stadt Ludwigsburg dort jetzt mobile Blitzer aufstellen und prüft Tempo 40. Warum erst jetzt? Warum überlässt man typische Raser-Strecken solange der Gesetzlosigkeit (irgendwo müssen sich die Autonarren doch auch mal austoben), bis Menschen sterben?

Man könnte schon auch mal grundsätzlich überlegen, ob junge Männer so schnelle Autos überhaupt fahren dürfen sollten. Und was man tun könnte, um das zu verhindern. Eine Möglichkeit wären Sonderführerscheine für solche schnellen Autos erst ab 40 Jahre. Oder aber Nutzungsverbote für schnelle Autos, sobald ein Mann durch Missbrauch (Raserei) auch nur ein einziges Mal auffällt. Automatischer jahrelanger oder lebenslänglicher Führerscheinentzug ist auch eine Möglichkeit. Aber Prävention wäre besser (lebensrettend) als Bestrafung. Hilfreich wäre die Anerkennung, dass wir ein Sicherheitsproblem haben, das von Männern ausgeht.  

Denn sind fast ausschließlich Männer, die sich Autorennen liefern und durch Städte oder über Autobahnen rasen. Sie töten dabei immer wieder Unbeteiligte. Die Opfer waren in diesem Fall zwei Frauen in einem weniger gepanzerten Auto. Die Opfer solcher Raserfahrten sind natürlich auch unbeteiligte Männer. Der Kommentator der Stuttgarter Zeitung stellt Ende März allerdings sogar den Femizid im Remseck, ebenfalls am 20. März, in einen Zusammenhang mit diesen beiden durch zwei Männer getöteten Frauen und schreibt: "Es fehlt an Verantwortungsgefühl für die Gesellschaft. Zudem zeigt sich ein Männlichkeitsbild, das sich über andere erhebt, Risiken ignoriert, sich nimmt, was es will – selbst, wenn es Leben kostet."

Zufällig veröffentlichte der Spiegel wenige Tage vorher einen Artikel mit dem Titel: "Das Auto ist ein Werkzeug, um das Patriarchat am Leben zu erhalten." In den Untertitelzeilen heißt es: "Männer bauen Unfälle, Männer vergiften die Umwelt, Männer bremsen die Verkehrswende aus?" Mit Fragezeichen, denn diese Fragen werden von einer Frau dem Männerberater Boris von Heesen gestellt, der mit sehr vielen Zahlen und Fakten antwortet, kurz zusammengefasst: Männer fahren schnellere Autos, begehen mehr Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr, entziehen sich Kontrollen und töten viel öfter andere Menschen als Frauen das tun. Männer am Steuer kosten deshalb die Allgemeinheit auch sehr viel mehr Geld. 

Und hier etwas ausführlicher zusammengefasst (Details bitte im Spiegel nachlesen): 

  • Je höher die PS-Zahl ist, desto höher ist der Anteil der Männer, die das Auto fahren. 79 Prozent der Zulassungen in der höchsten Pkw-Leistungsklasse laufen auf Männer. 
  • Auch SUVs sind keine Frauenautos. Kleine SUVs werden zu 70 Prozent von Männern gefahren, je größer sie sind, desto mehr Männer sitzen drin. 86 aller Porsche Cayenne Turbo S gehören Männern. Kleinwagen und untere Mittelklassewagen sind häufiger auf Frauen zugelassen. 
  • Männer fahren aggressiver als Frauen. Sie fahren im Schnitt dichter auf und nötigen öfter andere Verkehrsteilnehmenden, sie fahren öfter zu schnell und versuchen zudem, Kontrollsysteme wie Blitzer auszutricksen indem sie verbotene Blitzer-Apps benutzen.
  • Männer begehen mehr Straftaten im Straßenverkehr als Frauen. Sie liegen mit 86 Prozent weit vor den Frauen mit 14 Prozent. Über 75 Prozent der Ordnungswidrigkeiten im Verkehr werden von Männern begangen. Besonders gefährlich verhalten sich Männer, die in viel zu großen Autos viel zu risikofreudig unterwegs sind. 
  • Männliche Fahrer sind in 78,4 Prozent (also fast 80 Prozent) der Fälle von Unfällen mit Getöteten die Verantwortlichen. Bei schwerwiegenden Unfällen mit Sachschäden sind ebenfalls über 70 Prozent Männer die Schuldigen. 
  • Männer sind für andere Verkehrsteilnehmenden gefährlicher als Frauen. Wie eine Studie, über die auch ich berichtet habe, zeigt, sterben je Milliarde gefahrener Kilometer 4 Menschen durch Männer am Steuer und 2 durch Frauen. Bei Lkw-Fahrenden liegt das Verhältnis bereits bei 17,25 Tote durch Männer zu 4,64 durch Frauen am Steuer, jeweils auf eine Milliarde gefahrener Kilometer bezogen. 
  • Ich ergänze hier den Spiegel-Artikel noch durch zwei weitere Überlegungen: Es sind in der übergroßen Mehrzahl Männer, die Autos gegen einzelne Personen (Radfahrende oder Fußgänger:innen) als Waffe einsetzen (Ausnehmen bestätigen die Ragel). Und ich kenne keine einzige Amokfahrt, bei der eine Frau das Auto als Waffe eingesetzt hätte, um so viele andere Menschen zu töten wie möglich. 

Crashs im Straßenverkehr verursachen hohe Kosten für die Gesellschaft. 2022 waren das 35,2 Milliarden Euro. 12,6 Milliarden Mehrkosten (ein Drittel der Gesamtkosten) erzeugen laut van Heesen Männer durch ihr Verhalten im Straßenverkehr. Damit könne man ein ganzes Radwegnetz in Deutschland ausbauen und nachhaltig betreiben.  

Quelle FB

Die Spiegel-Autorin, die das Interview führt, bemüht sich sehr, Männer nicht allzu negativ aussehen zu lassen und stellt entsprechende Fragen, die darauf abzielen, dass es doch nur Ausnahmefälle seien, nicht aber ein System, das Männern eine glänzende Metallrüstung verschafft, in der sie ihre Macht und Vormacht öffentlich zeigen können und dies auch tun. Das Auto, antwortet ihr van Heesen, sei ein Werkzeug, um das Patriarchat am Leben zu erhalten, ohne das näher auszuführen. Was - wie ich es interpretiere - soviel heißt, es ist ein Vehikel, um den öffentlichen Raum zu beherrschen. Genauer, um im öffentliche Raum ein Klima der Bedrohung, Gewaltandrohung und Angst zu schaffen, die an Männlichkeit gekoppelt ist und Frauen und Kinder an den Rand drängt. (Natürlich fahren auch Frauen Auto, wir alle leben ja in einem Patriarchat nach den Spielregeln der Männergewalt.) Solange in einer Stadt der Autoverkehr das dominierende Verkehrsmittel ist, werden die Spielregeln in ihr von Männern gemacht, besonders am Abend, wenn sie mit ihren Autos sinnlos und laut herumfahren) und die Boliden in Fußgängerzonen abstellen. Es ist vielleicht nicht zufällig eine Frau, die in einen Leser:innenbrief in der Stuttgarter Zeitung am 7. April einige Fragen stellt: "Müssten nicht diejenigen, die ihnen (den Männern) die Werkzeuge dafür in die Hand geben, auch in die Pflicht genommen werden?" Sie nennt Autovermietungen. Wieso dürfen die diese teuren und schnellen Autos verleihen? Und wieso an Männer, die jünger als 40 sind (die beiden Todesfahrer von Ludwigsburg sind 32 und 34 Jahre alt, nicht eben junge Männer). "Dazu kommt die Sprachlosigkeit der jeweiligen Autobauer", schreibt sie und benennt den "Irrsinn", solche Autos überhaupt zu bauen, die "nur asoziales Verhalten im öffentlichen Raum hervorrufen."  Und wieso lassen die Behörden solche Rennmaschinen überhaupt für den Straßenverkehr zu? Wieso dürfen die bei uns herumfahren, obwohl sie (außer auf einigen Autobahnen) nirgendwo so schnell gefahren werden dürfen, wie sie können? Wieso, so frage ich mich zudem, lassen wir laute Motorräder und laute Motoren überhaupt noch zu? Für wen? Außer für die sadistische Lust von Männern, andere Leute zu erschrecken und zu quälen. Und wenn sie mit ihrem wuchtigen Fahrzeug durch absichtliches Falschverhalten einen anderen Menschen töten, war es nur ein "Unfall". Und alle schweigen, als ob es nichts zu diskutieren gäbe. 

Alle Frauen wissen (auch wenn es manche leugnen), dass Männer durch Lärm und Gewaltandrohung den öffentlichen Raum komplett beherrschen, sei es mithilfe von Autos, durch lautstarke, teils bewaffnete persönliche Präsenz in Straßen oder sei es durch Übergriffe in öffentlichen Verkehrsmitteln. Frauen entscheiden sich, ebenfalls nur Auto zu fahren, weil sie sich anders in der Öffentlichkeit nicht mehr bewegen wollen, Straßenseiten zu wechseln oder zu bestimmten Uhrzeiten nicht mehr (allein) in die Innenstadt zu gehen oder S-Bahn zu fahren, weil sie Angst haben, angegriffen oder verletzt zu werden. Mütter lassen ihre Kinder nicht zur Schule laufen oder mit dem Rad fahren, weil sie Angst haben, sie könnten überfahren oder entführt werden. Und sie haben nicht die Angst, dass ihre Kinder von Frauen entführt würden oder in Stadtbahnen übergriffig angemacht werden könnten. Angst erzeugen in unseren patriarchal organisierten Gesellschaften vor allem Männer. 

10 Kommentare:

  1. Zu dem Thema Raserei von jungen Männern habe ich eine (überzogene aber zum nachdenken anregende) Forderung gelesen. Es hat jemand gefordert, dass junge Männer erst ab 26 Jahren einen Führerschein machen dürften. (eine Quelle: https://www.focus.de/auto/gegen-illegale-strassenrennen-verkehrsexperte-will-maennern-erst-mit-26-jahren-das-autofahren-erlauben_id_260470785.html) Ich finde auch, man sollte mal eine Diskussion über diese "Raserkultur" anstossen. Wir haben einen Haufen Probleme damit. In Mannheim hat man sich von Stadtseite aus mit der Polizei zusammengetan und geht gegen die Raser und Poser vor. Da gibt es nicht nur Kontrollen, sondern auch von Stadtseite aus sogenannte "Gelbe Karten". Wurde sich von Bürgerseite über einen Raser/Poser beschwert, bekommt der eine "gelbe Karte" mit der Androhung, dass man ihm, wenn er weiter auffällt, der Führerschein entzieht. Die Führerscheinbehörde hat da ziemlich viel Macht, mehr als die Polizei. Lt. Aussage des ehemaligen Projektleiters bei der Polizei sind die wenigsten, denen eine "gelbe Karte" geschickt wurde, wieder auffällig geworden. Das Auto ist bei uns einfach immer noch zu viel Statussymbol und da fahren einfach junge Männer drauf ab. Das muss man einfach zur Sicherheit aller angehen. Rasen gehört auf die (geschlossene) Rennstrecke, nicht in den öffentlichen Strassenverkehr. Geht auf den Hockenheim-/Nürburgring und tobt Euch dort aus.
    Karin

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  2. Ich bemerke, dass es unter den anonymen Kommentatoren Männer gibt, die mir mit Gegenvorwürfen kommen, weil ich benenne, was tatsächlich ist. Ich werde deshalb die Kommentarfunktion jetzt auf "moderiert" stellen und jeden Betrag extra freigeben.

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  3. Mobile Blitzer bringen nicht wirklich etwas. Vom örtlichen Bürgerverein liegt seit Jahren die Forderung vor, zwei stationäre Blitzer aufzustellen und das Tempo zu reduzieren (auch wegen Lärmminderung). Nun mit der Bitte in drei Monaten diese Forderungen umzusetzten. Ich bin wenig optimistisch das hier was passiert. Immer wieder höre ich von der Stadtspitze die Aussage, auch bei anderen Szenarien, "dies kann man nie verhindern". Die ultimative Ausrede nichts tun zu müssen. Kleines Quiz: OB in LB - Mann oder Frau?

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  4. Übrigens, was die Gruppe "Männer" von allen anderen Gruppen in Deutschland unterscheidet, die wir gemeinhin als "Minderheiten" oder "Frauen" und "Queere" oder auch "Behinderte" bezeichnen, ist, dass sie zu der Gruppe gehören, die die Macht hat und auch ausübt. Das Patriarchat , in dem wir alle leben müssen, definiert alle Spielregeln und setzte sie durch, und sowohl Männer als auch Frauen nur innerhalb dieser Spielregeln einigermaßen in Frieden leben können. Zu dieser Spielregel gehört, dass man das Patriarchat nicht ernsthaft kritisiert. Wir haben aber auf der ganzen Welt ein Männer-Problem, denn es sind die Männer, die die Welt mit Kriegen überziehen (bei denen Frauen und Kinder sterben), die Terroranschläge verüben (auch mit Autos), die in Deutschland an fast jedem Tag eine Frau töten, nur weil sie ein eigenes freies Leben leben wollte, und die neuerdings uns Frauen (und allen, die nicht Männer sind) ganz konkret damit drohen, dass wir unsere mühsam erkämpften Rechte auf Gleichbehandlung wieder verlieren sollen. Obgleich Umfragen zufolge eine Mehrheit der Deutschen für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen und Landstraßen ist, machen die Verkehrsminister (männlich) Politik für sich selbst und ihre Lust an schnellen Autos. Schnelles Fahren aber kostet Menschenleben. Die scheinen relativ egal zu sein, wenn es um schnelle Autos geht.

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  5. Was wir brauchen ist eine Änderung der Strafprozessordnung. Das zulassungspflichtige KFz welches Tatwerkzeug bei einer Straftat war ist zwingend Entschädigungslos einzuziehen, ohne dass dies als "Strafe" nach "Verhältnismäßigkeit" geprüft wird. Sollten Eigner und Fahrer/Täter nicht dieselbe Person sein können die sich dann zivilrechtlich auseinandersetzen (Ausnahme: Täter zum Tatzeitpunkt bewiesen widerrechtlich und gegen Eignerwillen im Besitz). Damit entfällt sofort das Geschäftsmodell dieser "Autovermietungen" und "Raser und Drängler" falllen aus dem Strassenbild, die halten sich aus Angst um ihr Auto zurück.

    Dazu sollte nur nachgewiesen werden müssen dass das KFz Tatmittel in einer Straftat (also auch nach StGB §315 und Absätzen, zu schnelles Fahren, gefährliches Überholen, u.U. sogar gefährliches Parken etc.) war, z.B. wenn ein Überholvorgang bei zu geringer Fahrbahnbreite nachgewiesen ist oder eine Geschwindigkeit von 80km/h in der 30er Zone etc., man muss für die Entziehung auch nicht nach "Vorsatz" o.ä. prüfen, das ist ja nur für das Strafmaß (max. 2 oder max. 5 Jahre) relevant.

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  6. Vielen Dank.
    Ein medial sehr deutlich unterbelichtetes Problem das erheblich mehr Aufmerksamkeit verdient, und das vor allem auch endlich mal angegangen werden muss.
    Die Chancen auf Besserung sind zwar - politisch gesehen - erstmal sehr gering, aber das sollte Ansporn sein den alltäglich gewordenenTatbestand automobiler männlicher Gewalt verstärkt in den Fokus zu rücken.
    Angesichts der Tatsache, dass Automobilismus/Maskulinismus und Faschismus/Rechtsextremismus seit je in inniger Melange stehen (ital. Futurismus, Nazi-Deutschland, H.Ford in USA, etc. oder auch sowas bizarres wie Fridays for Hubraum ...) verwundert es nicht, dass die Kommentare moderiert werden müssen, was auch Sinn macht, wenn Diskussionsräume erhalten bleiben sollen, statt von rechtem Müll überflutet zu werden und so die Diskursachse weiter zu verschieben.
    Alfons Krückmann

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    1. Hallo Alfons

      Hitler hatte durch Autobahnen verbundene nationalsozialistische "Zentren" als Zukunftsbild. Die Präambel der Reichsstraßenverkehrsordnung von 1934 zeigt entsprechend diesen Geist auf, den man einst in Massen bejubelte und heute nicht mehr los lassen kann?: „Der neue Schnellverkehr und Fernverkehr auf der Straße bedarf einer Regelung, die [...] alle Hemmungen [...] forträumt. Die Förderung des Kraftfahrzeugs ist das vom Reichskanzler und Führer gewiesene Ziel [...]“. Provokantes Fazit: "Autofahren ist gelebter Führerwillen"

      Viele Grüße
      Michael

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    2. Das gilt immer für Mobilitätstechnologien, die teuer sind und sich zunächst nur wenige leisten können. Für Flugtaxis wird man auch alle Luftwege bahnen.

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  7. Alles richtig. Dazu kommt noch, dass auch Männer selbst Opfer des kapitalistisch-patriarchalischen Systems werden, z.B. durch geringere Lebenserwartung, wesentlich höhere Suizidrate u.dgl.
    Auch als Radfahrer werden sie im aktuellen System häufiger zu Opfern als Frauen.

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  8. Hallo Christine,
    ich stimme dir vollkommen zu und möchte ergänzen: Das Auto bedient in nahezu perfekter Weise die bequemlichkeitsliebende und egoistische Natur des Menschen.
    Bequemlichkeit: Das Auto ist die ultimative Komfortzone. Statt sich den Herausforderungen der Umwelt wie Kälte, Hitze, Lärm, Mitmenschen, Gestank oder Gefahr auszusetzen, setzt man sich einfach hinein – egal wie man gekleidet ist. Drinnen bestimmt man selbst: Musik, Gerüche, Temperatur, Sitzposition. Man ist vom „Draußen“ bestens abgeschottet. Selbst Kommunikation wird auf das Nötigste reduziert – ein Hupen hier, ein Lichthupen da. Evolutionär ist das Auto ein Meisterstück: Mit minimalem Körpereinsatz – ein bisschen Bewegung im rechten Fußgelenk – wird enorme Energie freigesetzt, vom Watt- in den Kilowattbereich, in Sekundenschnelle. Und obwohl Fußgänger, Radfahrende oder Nutzer des ÖPNV viel näher an der Umwelt sind, sich ihr stellen und ihre Wege mit Muskelkraft zurücklegen, gilt Autofahren als Ausdruck von Stärke, Männlichkeit, ja Potenz – „Muscle Cars“ lassen grüßen oder ein tonnenschwerer, riesiger Ford F-150 als Machtsymbol. Wer sich dagegen den Elementen ohne „Stahlrüstung“ stellt, wird oft belächelt, als „MAMIL“ (Middle-Aged Man in Lycra) verspottet oder sogar angefeindet. Dabei sind es diese Menschen, die sich wirklich der Umwelt stellen die eigentlichen Helden im Vergleich zu den empfindlichen Insassen ihrer metallischen Komfortkapseln.
    Egoismus: Das Auto steht für Entsolidarisierung und Entkopplung. Wer Auto fährt, entzieht sich der Umwelt – nicht nur physisch, sondern auch sozial. Man identifiziert sich mit dem Fahrzeug, verschmilzt förmlich mit ihm. Vielleicht rührt daher die absurde Tatsache, dass laut Presse und Polizeiberichten über 90 % aller Kfz (PKW wie LKW) offenbar „autonom“, also ohne erkennbaren Fahrer, unterwegs sein müssen – denn niemand will Verantwortung übernehmen. Diese Entkopplung wird von Politik und Gesellschaft nicht nur toleriert, sondern gefördert. Sie passt zum oben genannten evolutionären Ziel einer immer individuelleren, abgegrenzten Lebensweise: Elon Musk z.B. formuliert es ganz offen: „public transport is painful. It sucks.“ Sein Ideal sind Hyperloops – geschlossene Auto-Röhren statt ÖPNV die von A nach B führen. Auch ohne Hyperloop bewegen sich Autofahrer von A nach B in ihrer privaten Blase – die Umwelt bleibt draußen. A und B werden zur Realität erklärt, der Rest wird ausgeblendet. Anstatt gemeinsam unterwegs zu sein, steht man lieber in überfüllten Straßen im Stau – und merkt nicht einmal, dass man Teil des Stauproblems ist. Und obwohl man um die Folgen des Autoverkehrs für Klima und Gesellschaft weiß, siegt der Komfort. Persönliche Bequemlichkeit schlägt kollektive Verantwortung. Das Auto ist Ausdruck von Maßlosigkeit und Selbstgefälligkeit. Jeder wird zum Feind, zum Konkurrenten – um Platz auf der Straße, um Parkraum, um Zeit. Institutionen wie Polizei, Ordnungsämter oder Gerichte begegnen dieser Realität oft mit erstaunlich viel Verständnis für Autofahrer. Falschparken? Wird oft ignoriert. Blitzer? Ein Ärgernis. Und wenn es zu Unfällen kommt, ist die Berichterstattung häufig so verzerrt, dass das Opfer zum Schuldigen wird.
    Fazit: Autofahren war und ist heute ein Ausdruck von Herrschaft und Abgrenzung. Das eigentlich nützliche Werkzeug ist durch Massenproduktion und -Nutzung zu einer Art Droge für die Massen geworden. Beschränkungen der Sucht, jeglicher Art werden mit typischen Entzugssymptomen beantworten: Angst, Aggression, Gewalt. Nicht ungewöhnlich: Autos werden über Emotionen als das Symbol der Freiheit und Individualität beworben und verkauft, oft über Männer ansprechende Symbolik wie Geschwindigkeit und Potenz. Die Designs werden auch immer aggressiver und militärischer: das niedliche sensible Rund-Auge war gestern, der zornige, dominante Scheinwerfer ist es heute.

    Viele Grüße Michael

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