9. Dezember 2021

Die teure Anarchie des Autoverkehrs

Dass der Autoverkehr uns als Gesellschaft viel Geld kostet, wissen wir. Das sind direkte Kosten für Straßenbau und -unterhalt, aber auch indirekte Kosten für Gesundheit, Lärmschutz, Umweltschutz.
 

Radfahrende dagegen bringen Geld ein, weil sie gesünder sind und sehr viel weniger Schäden verursachen, auch wenn ein Radweg mal ein paar Millionen kostet. Die Aufregung darüber ist dann regelmäßig groß, während die mindestens 16-fach höheren Kosten für dieselbe Strecke Autostraße selten Entrüstung auslösen. Darauf hat Daniel Doerk aus Osnabrück in seinem Blog "it started with es fight" hingewiesen. Er weist aber auf noch etwas hin: auf die Kosten, die die Allgemeinheit tragen muss, weil Autofahrende sich partout nicht an die Regeln halten wollen. 

Sichtarstes Zeichen dafür sind die Poller, Schranken und Sitzwürfel, die überall auftrauchen, wo man Autofahrerende ernsthaft daran hindern will, hinein zu fahren oder die Autos zu parken, an Gehwegecken, an Zugängen zu Fußgängerzonen, und in Durchfahrtsschleusen für den Radverkehr.

Wenn der Liefer- und Handwerkerverkehr noch Zugang haben soll, dann reden wir auch über teure versenkbare Poller, wie sie bereits an Eingängen zur Fußgängerzonen stehen. Über solche versenkbare Poller reden wir auch, wenn wir ernsthaft überlegen, wie man den Durchgangs- und Schleichverkehr über die Alte Weinsteige unterbindet oder wie man Anwohnerstraßen oder Feldwege davor bewahrt, zu zu Schleichwegen umfunktioniert zu werden. 

Dabei gibt es ein vergleichweie kostengünstiges Mittel, Autofahrende darüber aufzuklären, was sie dürfen und was nicht: Verkehrszeichen. Sie sagen eindeutig und klar: Hier nicht reinfahren, weil reine Fußgängerzone, hier nicht fahren, weil Fahrradstraße, hier nicht parken, weil Parkverbot, hier nicht durchfahren, weil Radweg. Aber viele - nicht alle - Autofahrende betrachen sie nicht als gültig, und weil sie sie im Prinzip als nicht wichtig betrachten, sehen sie sie auch oft gar nicht mehr. "Ach, hier darf ich gar nicht fahren, habe ich nciht gesehen", höre ich oft in der für Autos gesperrten Fahrradsstraße. Dass man auf dem Gehweg nicht parken darf, regelt der Bordstein. Aber dieses Hindernis kann ohne Schaden fürs Auto leicht überwunden werden. 

Es kostet jeweils Geld (einschließlich Personalkosten), Poller im Boden zu verankern, Sitzwürfel auf Gehwegnasen zu stellen, Radstreifen rot zu markieren, Berliner Kissen in die Fahrbahn zu nageln, Schranken einzurichten und auf und zu zu machen, damit sie sich an die Durchfahrtsverbotszeiten halten, Fahrbahnnasen zu bauen, damit sie langsam fahren, das verbotenen Abbiegen durch bauliche Maßnahmen zu unterbinden, also all die physischen Hindernisse zu installieren, die dann auch für uns Radfahrende und für Fußgänger:innen zu Hindernissen werden. Das sind alles kleine Maßnahmen, aber das summiert sich. Der Unwille etlicher Autofahrer:innen, sich an Verbote zu halten, kommt die Allgemeinheit teuer zu stehen. Und niemand - keine Presse, keine Politiker:innen, kein Bund der Steuerzahler - regt sich über diese Verschwendung von Steuergeldern auf.

Warum tun Autofahrende eigentlich so was? Weil es geht, klar, aber der Grund, warum Gehwege, Radwege oder für den motorisierten Verkehr gesperrte Straßen benutzt werden, um zu parken, zu halten oder zu fahren, ist ein bestürzend einfacher. Autofahrer rechnen nicht damit, dass sie bei ihrem verbotenen Tun andere Autofahrende behindern oder sich damit selbst in Gefahr begeben. Sie wissen: Es sind nur Fußgänger:innen und Radfahrende, die sie behindern und bedrängen und manchmal auch töten, es sind die Menschen, die ihrem Blech nichts tun und und schon gar nicht die Insass:innen selbst verletzen können, wenn es zu einer Kollision kommt. Nur selten fahren Autofahrende bewusst entgegen der Einbahnrichtung einer Straße, denn sie würden Blechschaden riskieren oder von ihresgleichen wütend angehupt werden, und stünden als orientierungslose Idioten dar. Aber Fußgänger:innen und Radfhahrende hupen nicht, ihr Kopfschütteln und Zorn ist den Autofahrenden egal, denn die sind nicht so wie sie, nicht ihresgleichen, sondern irgendwas darunter, etwas, dessen Urteil unwichtig ist, sie nicht tangiert. 

Sie tun es aus dem grenzenlosen Überlegenheitsgefühl heraus, das ihnen anderthalb Tonnen Blech vermitteln, und aus dem ungeheuren Stress heraus, den ihnen dieses riesige Gefährt bereitet, wenn sie damit irgendwo hin und es letztlich abstellen müssen. Hinter den Scheiben des Autos verschwimmen alle anderen, die Menschen, die Radfahrenden, sie sehen nur sich selbst und wollen nur das Problem lösen, dass ihre eigenen riesigen fahrbaren Kästen ihnen bereitet.

 

12 Kommentare:

  1. Viele Autofahrer ignorieren Schilder. Ich hatte mal Ärger mit einem LKW-Fahrer, der kam durch eine Durchfahrtsgesperrte Straße, fuhr verbotenerweise nach rechts, über ein Rotlicht für die Straßenbahn und kam dann zwischen mir (stand an der roten Ampel) und dem Falschparker auf seiner Seite nicht vorbei. Er hat sich tierisch aufgeregt, dass ich nicht angefangen habe für Ihn zu rangieren. Warum auch, hätte er sich schon an das erste Schild gehalten, wären wir uns nie begegnet. So hat er warten müssen, bis ich wieder grün hatte. Mitschuld haben auch Navigationssysteme mit schlechtem Kartenmaterial, die leiten die Leute nämlich so, als ob es keine Schilder gäbe und die meisten fahren stur nach dem Navi. Und wenn man die Strecke mal intus hat, ändert man auch nichts, selbst bei Sperrung mit Baken und Schranken.
    Mit ein Problem ist auch die fehlende Kontrolle. Hast Du mal eine Kontrolle gesehen, wo durchfahrtsgesperrte Straßen überwacht wurden? Ich nicht. Die Mehrzahl der Leute merkt ja nochnichteinmal, wenn falsche Schilder stehen, oder noch besser, Schilder gar fehlen oder nicht lesbar sind.
    Ich glaube ich bin die einzige, die das bei uns sieht und meldet. Es fehlt halt auch einfach an der Regelkenntnis und, vor allem, an der Aufmerksamkeit. Heutzutage ist alles wichtiger als Aufmerksamkeit im Straßenverkehr.
    Da hilft nur, regelmäßige Schulung und Prüfung.
    Karin

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  2. Viele AutofahrerInnen sind schlicht "blind" und ignorieren Verkehrsschilder.
    Darauf angesprochen folgende Standardantwort: "Des hab i net gesä".
    Bisweilen sollte überprüft werden, ob überhaupt eine Eignung besteht, eine Tatwaffe wie ein Auto zu führen. Z.B. beim Fahren mit Tempo 50 in Fußgängerzonen.
    Nur dazu braucht's Kontrollen und kein gnädiges Wegsehen der zuständigen Behörden ...

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  3. Die Kosten für das Parkraumüberwachungspersonal müssen wir auch noch dazurechnen.
    Wenn wir aber wirklich wollten, dann hätten wir das längst schon digitalisiert, mit GPS-Chip und Transponder in einer Onboard-Unit im Auto.
    Wenn dann jemand an einer Ecke steht, an der er es nicht darf, gibts zuverlässig ein Ticket. Ich wette, dass sich das Thema dann in kürzester Zeit erledigt hätte.
    Natürlich gäbe das hervorragende Bewegungsdaten, aber ich halte das Argument für vorgeschoben. Immerhin haben wir es in der Corona-App auch hinbekommen, dass keine Bewegungsdaten gespeichert werden.
    Übrigens werden wir solch eine Überwachung automatisch mit den selbstfahrenden Fahrzeugen bekommen. Die müssen nämlich nachweisen, dass sie bei einem Unfall nicht schuld waren, sondern der pöse Mensch im Auto gegenüber. Die Kamera- und Sensordaten wirds dann sicher gerichtsfest geben.

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  4. "Weil es geh, klar, aber der Grund, warum Gehwege, Radwege oder für den motorisierten Verkehr gesperrte Straßen benutzt werden, um zu parken, zu halten oder zu fahren, ist ein bestürzend einfacher. Autofahrer rechnen nicht damit, dass sie bei ihrem verbotenen Tun andere Autofahrende behindern oder sich damit selbst in Gefahr begeben. Sie wissen: Es sind nur Fußgänger:innen und Radfahrende, die sie behindern und bedrängen und manchmal auch töten, Menschen, die ihrem Blech nichts tun und und schon gar nicht sie selbst verletzen können, wenn es zu einer Kollision kommt."

    Du behauptest hier, dass wissentlich Verletzungen und Tötungen in Kauf genommen werden, solange angenommen wird, dass dabei kein Blechschaden entstehen kann? Eine starke Aussage. Ist es nicht meistens einfach die Minimierung der persönlich wahrgenommenen Behinderung, die Leute dazu treibt, zB auf dem Gehweg zu parken? Nach dem Motto "ich will hier parken, aber wenn ich auf der Fahrbahn stehe dann entsteht wahrscheinlich ein größerer Stau, während Leute auf dem Gehweg einfach kurz aussenrum gehen können". Klar, dass dabei nicht an Rollstuhlfahrer, Kinderwägen oder Kinder gedacht wird, und klar, dass die Grundannahme, unbedingt hier parken zu wollen, falsch ist. Aber die Entscheidung ist nicht auf Grund darauf gefallen, wer behindert/gefährdet/etc wird, sondern auf Grund darauf, wie viel gefühlte Behinderung zu erwarten ist.


    "Nur selten fahren Autofahrende bewusst entgegen der Einbahnrichtung einer Straße, denn sie würden Blechschaden riskieren oder von ihresgleichen wütend angehupt werden, und stünden als orientierungslose Idioten dar. Aber Fußgänger:innen und Radfhahrende hupen nicht, ihr Kopfschütteln und Zorn ist den Autofahrenden egal, denn die sind nicht so wie sie, nicht ihresgleichen, sondern irgendwas darunter, etwas, dessen Urteil unwichtig ist, sie nicht tangiert."

    Auch hier glaube ich nicht, dass es darum geht, wer behindert wird, sondern um das wahrgenommene Ausmaß der Behinderung. Wenn man mit dem Auto falschrum durch eine Einbahnstraße fährt und ein Auto in der richtigen Richtung entgegen kommt, dann ist erstmal das Vorankommen für beide komplett blockiert. So eine Situation ist viel unwahrscheinlicher wenn entgegenkommender Verkehr nicht so breit ist, dass kein Aneinandervorbeikommen möglich ist.


    "Sie tun es aus dem grenzenlosen Überlegenheitsgefühl, das ihnen anderthalb Tonnen Blech vermitteln"

    Worauf stützt sich diese Aussage? Wenn ich im Auto bei Gelb nochmal Gas gebe und es dann vielleicht doch rot wird, dann denke ich mir nicht "ich fahre Auto, ich darf das" (auf dem Fahrrad mache ich das ja genauso...), sondern ich denke mir "hier steht kein Ampelblitzer und eine Polizeistreife sehe ich auch nicht, und selbst wenn ich eine übersehen hätte, würden die wegen so einer Kleinigkeit wahrscheinlich nichts machen". Falschparker denken sich "hier kommt man doch noch vorbei, und ich bin ja gleich wieder weg", und nicht "ich fahre Auto, ich darf das".

    Ist nicht also die viel einfachere Annahme, dass persönliche Konsequenzen sehr unwahrscheinlich sind, naheliegender? Diese Annahme trifft übrigens auf alle Verkehrsteilnehmer zu.

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    1. (1) Nur weil jemand beim parken auf dem Gehweg nicht aktiv dran denkt, heißt das ja nicht, dass das Wissen um die Auswirkungen grundsätzlich nicht vorhanden ist. Sehe ich auch als "wissentliches inkaufnehmen". Die "wahrgenommene Behinderung" richtet sich ganz natürlich nach der wahrgenommenen Wichtigkeit derjenigen die man behindert. Da haben eben viele ganz oben sich selbst und danach geht es dem Gesetz des Stärksten folgend weiter. Ist ja auch logisch.

      Autofahrer haben auch bei weitem nicht im selben Maße Selbstjustiz zu fürchten, die zu viele von ihnen selbst in einer vergleichbaren Situation ausüben würden.

      (2) Auch hier macht der Schwenk auf die wahrgenommene Behinmderung überhaupt nicht besser nur klarer, dass das Verhalten dem Gesetz des Stärkeren folgt. Die anderen sollen halt bitteschön ausweichen. Vielleicht sieht die Situation unwahrscheinlicher aus. Oder man denkt halt über Abstände nach.

      Persönliche Konsequenzen sind nur dann wirklich unwahrscheinlich wenn man das Gesetz des Stärkeren praktisch immer nach unten anwenden kann.

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    2. @Hannes
      Gut ausgedrückt.
      Diese völlige Normalisierung des Gesetzes des Stärkeren findet man ja in allen Verkehrsbereichen wieder, bei der Verteilung des Raums, bei der (Nicht-)Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftayen im Verkehr, beim Verhalten von Polizei und Justiz den motorisierten Verkegrsteilnehmern gegenüber etc.

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    3. @Hannes: "Die "wahrgenommene Behinderung" richtet sich ganz natürlich nach der wahrgenommenen Wichtigkeit derjenigen die man behindert."

      So hatte ich das nicht gemeint. Ich hatte hier eine Verkehrssituation im Kopf, wo ein (verbotenes) Parken auf der Fahrbahn einen Stau verursachen würde, wodurch je Auto (und davon sieht man im Stau natürlich viele) mindestens eine Person behindert wird - während gleichzeitig viel weniger Fußgänger zu sehen sind, die dadurch behindert werden können. Das ist natürlich je Situation unterschiedlich, aber ich denke nicht dass bei solch einer Abwägung der Fortbewegungsmodus der behinderten Personengruppe(n) groß mit einspielt. Zumindest finde ich, dass bei den meisten Gehwegparkern, an die ich mich ad hoc erinnern kann, nach meiner Logik die empfundene Behinderung auf der Fahrbahn größer wäre.

      Aber ich glaube, im Grunde stimmen wir überein: wir brauchen mehr Kontrolldruck.

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  5. Jörg
    Die Poller gehen wieder lustig bzw. falschherum in die Unfallstatisktik ein. Es heißt über 50% der Radfahrer sind Verursacher des Unfalls. Bei jedem "Alleinunfall" wird der Radfahrer Unfallverursacher gezählt (100%). Das gilt auch für meine Glatteissturz auf dem Radweg neben der mit Salz gestreuten Straße (dummer Radfahrer fährt nicht angepasst an Verhältnisse, selber Schuld).
    Wir sind in einer Gruppe gefahren. In der dritten Reihe ist jemand mit dem Lenker an dem Pfosten gekommen und gestürzt. Alleinunfall wegen Dummheit vom Radfahrer oder ein indirekter Unfall wegen Regeluntreue der Autofahrenden.
    Regeltreue können wir von Menschen nur bedingt erwarten. Egal mit welchen Mittel sie sich fort bewegen. Umso mehr Leute ungestraft mit schlechten Beispiel voranfahren umso geringer wird die Regeltreue. Da muss man aufpassen und ansetzen.

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    1. Ich finde ja auch, dass die Hindernisse, die man dem Autoverkehr in den Weg stellt ,für uns Radfaherende die viel gefähicheren Hinderniss sind. Ich bedaure unendlich, dass wir es als Gesellschaft nicht schaffen, Autofahrende anders als mit physischen Hinternissen zu disziplinieren.

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  6. Mir missfaellt das zunehmende Autofahrer bashing. Es sollte doch etwas mehr differenziert werden. Was den LKW betrifft :hat einer der Kommentatoren selbst mal ausgeliefert und weiß, was dies für eine Arbeit ist? Aber jeder möchte sein packet erhalten. Und das schreibt jemand, der seit über 20 Jahren in Stuttgart nur Rad fährt und ansonsten nur stadtmobil benutzt Andreas

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    1. Das bashing nimmt ja nur zu, weil dieses Verhalten stärker in den Fokus rückt. Ich sehe das Verhalten der motorisierten Personen übrigens auch sehr kritisch und habe bereits in der Vergangenheit Pakete zugestellt. Sogar in der Weihnachtszeit. Das habe ich geschafft, ohne gegen Regeln zu verstoßen oder andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden.

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  7. Zu den scharfkantigen Würfeln in der Adlerstraße/Tübinger Str.: vor der Umgestaltung wurden die Straßenecken einfach zugeparkt. Jetzt stehen die KFZ immer noch dort (d.h. so gut wie jeden Tag), nur halt weiter in die Fahrbahn hinein und ich als Radler habe ein mulmiges Gefühl, an diesen scharkantigen Würfeln vorbei zu fahren (bei Glatteis etc. möchte nicht auf die Kante fallen). Schade um das schöne Geld, war für diese Umgestaltung verbraucht wurde.

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