16. Dezember 2023

Wie kommt man mit dem Rad über den Charlottenplatz

Auf der Fahrbahn dürfen Radfahrende nicht links abbiegen, mit einer Ausnahme. Sie dürfen den Charlottenplatz nur geradeaus überqueren, ebenfalls mit einer Ausnahme. Wer sich nicht auskennt, flucht.  

Ich kenne mich inzwischen als Radlerin in Stuttgart so gut aus, dass sich mir Frage, wie ich fahren muss, wenn ich nach links will, gar nicht mehr stellt. Aber wer neu hier radelt, braucht lange und viele Versuche, bis er oder sie einen halbwegs akzeptablen Weg fürs Fahrrad gefunden hat. Das ist ein Grundproblem von Stuttgarts Radrouten. Man muss sich sehr gut auskennen. Und immer wieder steht man an einer Stelle, wo es nicht weitergeht. Der Charlottenplatz war eine der ersten großen Kreuzungen, über die ich zu Beginn des Blogs 2013 einen langen Artikel geschrieben habe. Verbessert hat sich ein bisschen was, wegen der Baustelle ist manches schlechter. 

Besonders übel: 

Wer am Charlottenplatz die Richtung ändern und links abbiegen will, landet bei Verbotsschildern fürs Fahrrad, die aber erst an den Haltelinien auftauchen, zu denen man sich über viele Fahrspuren wechselnd nach links durchgearbeitet hat.

Besonders krass ist die Situation, wenn man vom Landtag kommt und nicht den sehr schlechten, holprigen und bevölkerten Weg, der für Radfahrende nur freigegeben ist (Schrittgeschwindigkeit) am Brunnen hintern Neuen Schloss entlang fährt, sondern beispielsweise an der Ampel am Landtag auf die Fahrbahn wechselt, um dann ganz nach links zu fahren und Richtung Degerloch abzubiegen. Routinierte Fahrbahnradler machen so was. Auf dem Doppelfoto sieht man oben die Linksabbiegespur, an der etwas zufällig und verloren links das Radfahrverbotsschild steht. (Eigentlich müssen Verkehrszeichen rechts der Fahrbahn stehen, aber das wurde umgefahren und nicht wieder erneuert). Auf dem Bild unten sieht man, dass man dann völlig verratzt ist. Es gibt keine Fußgängerinsel, auf die man mit dem Rad flüchten könnte. Hier ist auch keine Fußgängerquerung, auf der man von den Grünflächen zu den Straßenrädnern kommt. Man müsste vor den an der Ampel wartenden Autos entlang schieben oder radeln, und das schnell, denn man erkennt nicht, wann die Grün bekommen. 

Das Linkssabiegen ist Radfahrenden auf dem Charlottenplatz meist verboten, weil sie länger brauchen als Autos, um die Strecke zurückzulegen, die Räumzeiten der Ampelschaltungen aber auf den Autoverkehr ausgelegt sind. Sie wären im Zweifelsfall noch auf der Fahrbahn mitten auf dem Platz, wenn die nächsten Fahrspuren schon starten. 

Linksabbiegen dürfen Radfahrende über den Charlottenplatz nur, wenn sie die Hohenheimer- und Charlottenstraße runter gekommen sind und in die Holzstraße abbiegen wollen. Die Gehwege sind hier verboten. Also kann man nicht auch das Linkssabbiegen auf der Fahrbahn verbieten. Allerdings müssen sich Radfahrende sehr früh auf einer der beiden Linksabbiegespuren einordnen. Die Grünphase ist extrem kurz und man steht hier unter Umständen einige Rotphasen im Autostau. 

Auf dem Doppelfoto sieht man unten vor der Haltenlinie einen Fluchtaufgang auf den Gehweg für Radfahrendende. Er ist ursprünglich deshalb da, weil hier geradeaus ein Radstreifen über die Kreuzung führt, der jetzt durch eine Baustelle verstellt ist. Hinter der Baustelle kommt man dann wieder auf diesen Radstreifen, muss aber halt an der Ampel mit den Autos warten. Man kann den Fluchtaufgang natürlich auch benutzen, wenn man sich zum Linkssabiegen zur Holzstraße über die Fußgänger-Radampeln rüberarbeiten will (sechs Ampeln, überall muss man warten

So einen Fluchtaufgang für Radfahrende gibt es auch, wenn man auf der Planie, vom Schlossplatz hher kommend, geradeaus über den Charlottenplatz Richtung Degerloch hoch will. Hier nämlich ist das Radfahren auf der Fahrbahn auch geradeaus verboten. Das Verbotsschilder hängt aber sehr hoch am Ampelbalken über der rechten Geradeaus- und Abbiegespur. Auch das dürfte Ortsunkundigen erst dann auffallen, wenn sie nicht mehr auf den Autoverkehr achten müssen, sondern stehen und hoch gucken. Immerhin kann man auf Fußgängerinseln flüchten. Radelt man auf der rechten Spur, landet man an diesem Fluchtaufgang auf den erst hier freigegebenen Gehweg (Doppelfoto unten). Er dient auch dem Rechtsabbiegen zum Radweg Holzstraße, ohne dass man an der Ampel halten muss. Vorausgesetzt man kapiert das alles gleich, da man ja mit den Autos zusammen rollt. Ortsunkundige dürften es erst beim zweiten oder dritten Mal kapieren. 

Das ist eine typische Stuttgarter Bastelarbeit. Denn auf dem Gehweg darf man nicht auf der Planie am Alten Waisenhauses entlang radeln, das ist ein nicht freigegebener Gehwe (auch wenn das viele Radfdahrende nicht checken). Also müssen Radfahrende auf der Fahrbahn fahren, wenn sie so fahren wollen.
Da sie aber nicht geradeaus über den Charlottenplatz radeln dürfen, müssen sie den Fluchtaufgang nutzen und sich dann über die Fußgängerampeln rüber arbeiten. Auf der anderen Seite ist dann eine weitere Stuttgarter Bastelarbeit, nämlich ein Abgang auf die Fahrbahn (der Gehweg ist verboten) mit eigener Radlerampel. 


Für die Leute, die mit dem Rad vom Süden her kommen und geradeaus Richtung Staatsgalerie wollen, gab es vor der Baustelle die Möglichkeit, jenseits der Charlottenstraße auf die Ecke an der Charlottenstraße aufzufahren und an der Radampel auf Grün für den Radfahrstreifen zu warten, der aus der Charlottenstraße zur Planie runter führt. Man konnte also mit nur einem weiteren Ampelhalt indirekt lins abbiegen. Das geht derzeit nicht. Ich habe auf dem Stadtplan mal die Wege markiert, die Radfahrenden bleiben. Hellgrün: Fahrbahnrouten, hellblau über Gehwege und Fußgängerampeln. Rot: gesperrt. Vermutlich habe ich mich an irgendeiner Stelle auch noch vertan, ist ja sehr kompliziert. 


Eine Möglichkeit, sich den Charlottenplatz auf dem Weg bergauf Richtung Weinsteige zu ersparen, bietet die segensreiche neue Ampel am Landtag. Man fährt rüber, fragt sich dann zwar, ob man nun auf dem Gehweg weiterraden oder auf die Fahrbahn schwenken soll (Vorsicht, einbiegende Autos), aber kann weiterradeln die Ulrichstraße über die Urbanstraße hinweg bis hoch bis zur Olgastraße. Die führt dann nach rechts zur Kreuzung Olgaeck und eröffnet weitere Möglichkeiten der Weiterfahrt, allerdings ohne jegliche Radinfrastruktur, wenn auch von vielen Radfahrenden benutzt. 

Wer aus dem Süden kommt und Richtung Cannstatt will, kann ebenfalls die Olgastraße fahren und auf ihr die Charlottenstreaße überqueren und in der Weiterführung die Wera- und Neckarstraße radeln. Eine empfehlenswerte Strecke vor allem für Wochenenden, an denen der Schlossgarten überfüllt ist, nicht aber für die Hauptverkehrszeit, denn dann stauen sich die Autos in der Neckarstraße Richtung Hackstraße und man steht mit ihnen im Stau. 





15 Kommentare:

  1. Ist denn irgendeine der Verkehrsbeschränkungen (Radfahrverbote) legal? Angeblich zu lange Räumzeiten langen hierfür keinesfalls.
    Thomas

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    1. @Thomas, wo kein Kläger, da kein Richter. Es gab mal die Überlegung eine Art Rechtshilfefond in Stuttgart anzulegen um gegen solche Schikanen vorgehen zu können und das finanzielle Risiko gemeinschaftlich zu tragen. 2,3 gewonnene Prozesse gegen das Stuttgarter AfÖ würden weitere Widersprüche sicher erheblich vereinfachen. Leider ist das Thema eingeschlafen.

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    2. Lange Räumzeiten sind aber, wo sie Radfahrer benachteiligen, wieder vollkommen in Ordnung: in Böblingen an der Militärbasis schaltet die erste Fuß-Radfahrerampel vor einer Ausfahrt über 20s früher auf Rot als die Autoampel. Hierbei handelt es sich um zwei Spuren, die auch noch mit einer Mittelampel versehen sind. (Das einzig gute ist, dass der Nebeneingang nur ca. 6h/d offen ist und ich glaube auch nur unter der Woche, dafür aber während der Hauptverkehrszeit.)

      Nicht dass die zweite Ampel an der Panzer Base (Haupteingang) irgendwie besser wäre, weil man dort nur zweizügig rüber kommt, wenn man geradeaus fahren will.

      Gegen den Mist würde ich wirklich übelegen zu klagen, wenn ich nicht sowieso gerade planen würde, aus der Region wegzuziehen.

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  2. Jörg
    Das sind so die Gründe wieso junge StadtplanerIn keine Lust auf den Arbeitgeber Stuttgart haben. Wenn Fuss und Radwegstueckle als Notnagel an die Autostraße gemalt werden.
    Wirklich unwürdig mitten in der Stadt Fuss und Rad so zurück zu setzen.

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    1. Wieder so ein Beispiel der sich immer weiter selbst verstärkenden Teufelskreise.
      Nur politischer Wille könnte diese durchbrechen...

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    2. Zur hochmotivierten, jungen Stadtplanerin Frau Adam, die in diesem Jahr die Stadt verlassen hat, heißt es: „aus privaten Gründen“ - nachdem, was ich in Sachen Fuss- und Radverkehr erlebt habe, glaube ich nicht daran.

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    3. Leiber kann der politische Wille des Gemeinderats das nicht. Denn das Ordnungsamt hat bei solchen Themen das letzte Wort. Wir sind schon zwei Mal gescheitert, wenn letztlich der Autoverkehr verlangsamt oder ins Stocken gebracht worden wäre. Noch gilt das Primat der Flüssigkeit des Autoverkehrs.

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    4. Wie oben gesagt wird bei solchen Sachen mit Sicherheit mehr als eine Regel gebrochen. Das Ordnungsamt muss merken, dass es damit nicht durchkommt.

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  3. Am gruseligsten finde ich, dass die Überquerung der B14 auf der Autospur untersagt ist, wenn auch durch ein Schild in luftigen Höhen, das niemand sieht. Ich habe mich schon öfter, vom Landtag kommend, nach dem Überqueren des Fußgängerüberweges auf der Autospur eingeordnet, um die Kreuzung in einem Zug überqueren zu können. Das klappt sogar leidlich gut.
    Die Königslösung wäre meiner Meinung nach eine Umwidmung der dritten Spur der B27 in eine kombinierte Bus-Radspur bis zur Olgastraße.

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    1. Jawoll, das wäre es. Und im Übrigen müsste die Radspur auch die Hohenheimer Straße hoch gehen bis zur Neuen Weinsteige.

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  4. Hallo Christine, meiner Meinung nach ist der hellgrüne Pfeil vom Landtag zum IFA nicht erlaubt, weil der parallele türkise Pfad ein benutzungspflichtiger Rad-/Fußweg ist. Was meinst Du?

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    1. Der Abschnitt ist doch nur ein für Radfahrende freigegebener Gehweg/Fußgängerzone, da muss man nicht radeln, so im ganzen Bereich zwischen Planie und Oper bis hinter dem Ferdinand-Leitner-Steg.

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    2. Für den von Dir beschriebenen Bereich gilt das. Ich erinnere mich aber ganz fest an ein verpflichtendes Rad-/Fußwegschild direkt dort, wo Dein hellgrüner Pfeil beginnt.
      Ist am Ende auch egal. Allein unsere Diskussion zeigt, wie unendlich kompliziert es ist und bestätigt voll und ganz Deinen Blogbetrag.
      Grüße, Christian

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  5. Viele Grüße
    Christian

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