4. April 2024

Fahrradstraßen helfen

Auf Fahrradstraßen erhöht sich der Radverkehr nennenswert. Dabei sind die meisten nicht einmal für den Autoverkehr gesperrt. 

Meistens sind sie zwar nur für den Anlieger-Autoverkehr freigegeben, aber daran halten sich Autofahrende nur, wenn sie durch Poller am Durchfahren gehindert werden. Stellenweise sind sie sogar auch für den Durchfahrtverkehr freigegeben.  Autofahrende sind eigentlich auf ihnen nur zu Gast. Da es dafür aber kein Verkehrszeichen gibt (anders als in den Niederlanden), wissen das viele nicht und verhalten sich zuweilen arg dominant. Dennoch mögen die meisten Radfahrenden Fahrradstraßen. 

Die Uni Darmstadt hat in der Stadt Offenbach untersucht, was Fahrradstraßen bewirken. Dort sind 9 km Fahrradstraße gebaut worden. Hier  das Ergebnis der Studie, die auch auf Stuttgarter Fahrradstraßen übertragbar ist. 

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Die Uni beobachtete den Abschnitt der Sehnefelder Straße, der Fahrradstraße ist, über vier Jahre. Der Radverkehrstanteil stieg, vor allem morgens. (Auch in Stuttgart ist der Radverkehr auf den Fahrradstraßen der Hauptradroute 1 immer höher geworden.) Nach und nach verringerte sich auch der Autoverkehr. Autos wurden langsamer gefahren (erlaubt ist ja auf der Fahrradstraße nur 30 km/h), doch die Hälfte fuhr immer noch zu schnell. Kreuzungen müssen deshalb so gestaltet werden, dass sie die Geschwindigkeit der Autofahrenden reduzieren. Damit die Radfahrenden nicht in der Dooringzone entlang der geparkten Autos radeln, haben Fahrbahnmarkierungen geholfen. Auf dem Foto sieht man, wenn man genau hinguckt, blaue Schraffuren auf der Fahrbahn neben den weißen Begrenzungslinien. Sie sind allerdings bereits ziemlich abgefahren. 

Es kam dennoch immer wieder zu kritischen Situationen mit Autofahrenden, die ein- oder ausparkten oder ausstiegen. Die die Hälfte aller Crashs ereigneten sich im Zusammenhang mit dem ruhenden Verkehr. (Auch in Stuttgart ereignen sich Dooringunfälle auf Fahrradstraßen.) Deshalb sehen die Wissenschaftler:innen es kritisch, wenn das Parken an Fahrradstraßen erlaubt ist. Das sieht auch die Unfallforschung (UDV) bereits seit 2017 so. Im Lauf der vier untersuchten Jahre lernten in Offenbach aber immer mehr Radfahrende, mittig auf der Fahrbahn zu fahren. 

Befragungen ergaben, dass Radfahrende Fahrradstraßen positiv sehen. Die Mehrheit hielt sie für sinnvoll, unter den unsicheren, aber interessierten Radfahrenden lag die Zustimmung sogar bei 90 Prozent. Der Bekannheitsgrad und die Nutzung nahm während des Untersuchungszeitraums deutlich zu. Immer mehr Radfahrende fuhren sogar kleine Umwege, um die Fahrradstraße nutzen zu können. Radfahrende fühlten sich sicherer als vorher, allerdings bezweifelten die viele, dass die Fahrradstraße etwas für ungeübtere, unsichere oder ängstliche ist, also für die 11-jährige Laura taugt. Die Mehrheit wünschte sich bauliche Maßnahmen und Polizeikontrollen. 

Übrigens waren auch nach vier Jahren Fahrradstraße immer noch bis zu 8 Prozent der Radfahrenden auf dem Gehweg unterwegs. Auch bei uns radeln manche aus irgendwelchen Gründen entlang der Fahrradstraße zumindest kurze Abschnitte auf dem Gehweg, so wie dieser hier auf der Tübinger Straße. Er ist beim Fahrradladen aufgestiegen, hat aber zwischen den geparkten Autos den Abgang zur Fahrbahn nicht gefunden. 

11 Kommentare:

  1. " Autofahrende sind eigentlich auf ihnen nur zu Gast. Da es dafür aber kein Verkehrszeichen gibt (anders als in den Niederlanden), wissen das viele nicht und verhalten sich zuweilen arg dominant. "
    Was meinst du damit ? Gehst du davon aus das Autofahrer die Erkärung von Z. 244.1 in Anlage 2 zur StVO nicht kennen oder ignorieren ?
    "Ge- oder Verbot

    1.
    Anderer Fahrzeugverkehr als Radverkehr sowie Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der eKFV darf Fahrradstraßen nicht benutzen, es sei denn, dies ist durch Zusatzzeichen erlaubt. Die freigegebenen Verkehrsarten können auch gemeinsam auf einem Zusatzzeichen abgebildet sein. Das Überqueren einer Fahrradstraße durch anderen Fahrzeugverkehr an einer Kreuzung zum Erreichen der weiterführenden Straße ist gestattet.
    2.
    Für den Fahrverkehr gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Kraftfahrzeugverkehr die Geschwindigkeit weiter verringern.
    3.
    Das Nebeneinanderfahren mit Fahrrädern ist erlaubt.
    4.
    Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Fahrbahnbenutzung und über die Vorfahrt.
    "
    PS: Die im Bild zu sehende Bodenmalerei hat allerdings keine verkehrsrechtliche Wirkung. Es muss das Schild aufgestellt sein

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    1. Liebe Anonyma/us: Ich weiß ja nicht, wie viele Autofahrenden immer mal wieder die StVO lesen? Weit verbreitet dürfte das nicht sein. In den Niederlanden steht an Fahrradstraßen ein Schild, das den Autofahrenden sagt, dass sie nur zu Gast sind. Ich hatte mal ein Streitgespräch mit einem Autofahrer in der Fahrradstraße Tübinger Straße, der ohne zu blinken rechts ran gefahren und mich dabei fast umgefahren hätte. Als ich ihm sagte, "Sie sind hier nur zu Gast" lachte er erbost.

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  2. "Gehst du davon aus das Autofahrer die Erkärung von Z. 244.1 in Anlage 2 zur StVO nicht kennen oder ignorieren ?"

    Die kennen nicht oder ignorieren noch ganz andere Regeln. Und selbst wenn es ein Schild gäbe, würde es von vielen ignoriert.

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  3. Die Spielregeln in Fahrradstrassen werden genauso ignoriert, wie alle übrigen Verkehrsregeln ignoriert werden. Und wenn zusätzlich, wie bei uns, falsch beschildert wird und die Stadt es trotz Hinweis ignoriert, braucht man sich nicht zu wundern, wenn sich keiner mehr an Regeln hält. Kontrollen gibt es keine und wenn nicht kontrolliert wird, gibt es auch keine Motivation eine Regel zu beachten. Nachschulungen, um auf Stand der STVO zu bleiben, gibt es auch nicht.
    Karin

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  4. Die Fahrradstraßen hier in Mainz sind stinknormale Anwohnerstraßen mit ein bisschen farbe auf dem Boden und ein paar Schildern. Nichtsdestotrotz benutze ich sie regelmäßig, teils auch schon, bevor sie umgewidmet wurden, einfach weil ich eh da lang muss. Eine Verbesserung der Situation zwischen Autos und Fahrrädern kann ich nicht feststellen oder eine signifikante Zunahme des radverkehrs.
    Vielleicht ändert sich das, wenn das Stückwerk mal zu einem sinnvollen Netz verbunden wird, auf denen man dann sinnvoll von den Stadtteilen in die Innenstadt geleitet wird.

    Beispiel Hechtsheim: Super Fahrradstraße, teils sogar extra gebaut und mit extra Bedarfsschaltungen an Kreuzungen, Weiterleitung über den festungswall auch super, bis man dann an der Gaustraße plötzlich allein gelassen wird und zusehen muss, wie man als Radfahrende*r da weiterkommt.

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    1. Ja, Farbe allein reicht nicht, hilft aber dennoch. Autofahrende müssen das Gefühl haben, in einem anderen Gebiet, einer anderen Verkehrssituation unterwegs zu sein, dann werden sie auch langsamer. Auch in Stuttgart fahren viel zu viele Autos durch die Fahrradstraßen (auch wenn die Durchfahrt verboten ist), aber dennoch hat sich im Lauf der Jahre was geändert, es sind viel mehr Radfahrende geworden.

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    2. Ja, da stimme ich vollkommen zu.
      Der Aspekt der 'Berechtigung' spielt bei der Frage der Inklusivität/Exklusivität von Fahrbahnen eine große und zur Zeit unterschätzte Rolle.
      Es mag schon sein, dass es eine Art kritischer Masse braucht und singuläre kleine Abschnitte (@Erik) nicht unmittelbar wirksam sind, aber bei entsprechender dichter Abdeckung bildet sich durchaus sowas wie ein Skaleneffekt aus.
      Für Münster (auch für zig Jahre erstmal nur singuläre Lösung) lässt sich mittlerweile sagen, dass mit stärkerer Verbreitung sukzessive eine Verhaltensänderung bei dem MIV Nutzer:innen zu beobachten ist, sowie eine zunehmend hohe Akzeptanz bei Radfahrenden.
      Die Rolle von Farbe und vor allem Regeländerung (versus Radentscheid Slogan: "Paint is not Infra') wird gern mal unterschätzt.
      Es wird interessant sein, wie sich in Münster die Änderung in Bezug auf 'paint' auswirkt:
      zur Zeit sind noch alle Fahrradstraßen rot, es wird aber demnächst eine Abstufung getroffen in rote und 'normale' Fahrradstraßen, wobei zwar die gleichen Regeln gelten aber die Exzeptionalität nicht via 'rot' herausgestellt wird, was, (als Hypothese) auch eine Normalisierung der Radnutzungsberechtigung auf Fahrbahnen im Generellen anbahnen könnte.
      Wenn das (auch da gibt's seit kurzem erste Ansätze in MS) begleitet wird von verstärktem Einsatz von 'Dualer-Infrastruktur' (Radweg plus Fahrbahnberechtigung) kann das m.E. durchaus die Machtverhältnisse auf unseren Straßen in Richtung einer Gleichberechtigung unter Einschluss von 'Lauras' Bewegungsfreiheit verändern, statt weiter nur benutzungspflichtige zweit- bis fünftklassige Randwegelchen zu bauen, die den Ra(n)dverkehr auf reinen Kurzstreckenverkehr zurechtstutzt bei gleichzeitiger Attraktivierung (Antistauwirkung) des ohnehin längst aus dem Ruder gelaufenen Autoverkehrs.
      Duale Strukturen (also Fahrbahn plus - wo nötig - Radweg) sind zudem gut geeignet auch im Erfolgsfall (starke Zunahme des Radverkehrs) die erhöhten Radverkehrsmengen aufnehmen zu können und so die Falle zu vermeiden, dass mit steigendem Radverkehr zugleich die Rad-Reisezeit infolge von unzureichender Kapazität der Infrastruktur verlängert wird und damit der Rad-Erreichbarkeitsradius sinkt, was ja dann wiederum zu höherer Autodichte und Autofahrleistung auf den mittleren Distanzen führen würde.
      Alfons Krückmann

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    3. Kleine Ergänzung noch zu 'Dualer Infrastruktur' bzw. 'Fahrbahn-Plus'.
      Die stark und schnell steigende Diversifizierung des Radverkehrs in Breite, Gewicht, Geschwindigkeit, Motorisierung, Reisezwecken, Nutzer:innengruppen, etc.) wird die einseitige Ausrichtung auf Separation ohnehin in arge Probleme bringen, was sich schon heute überall da zeigt, wo hohe Radvekehrsaufkommen auf den separierten zu knapp 100% zu schmalen separierten Radwegen abgewickelt werden soll (Kapazitätsproblem plus Breitenproblem plus Entwurfsgeschwindigkeitsprobleme).
      In Teilen Amsterdams, und auch in Teilen Münster's ist der Radwege-Radverkehr an etliche Stellen/Strecken längst nicht mehr als 'inklusiv' zu bezeichnen, zumal wenn demnächst zusätzlich zu den Pedelecs und breiten Lastenrädern auch noch die s-Pedelecs auf 'Laura' und ihre Großeltern losgelassen werden.
      Alfons Krückmann

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  5. Wenn Fahrradstraßen solche positiven Nebenwirkungen haben, dann müssen deutlich mehr Straßen so ausgewiesen werden. Ich bin aber Fahrradstraßen-Skeptiker. Die Umgestaltung der Möhringer Straße ist für mich ein Paradebeispiel für Geldverschwendung. Einziger Vorteil: Neuer Belag. Nachteile: Überflüssige Malerei, genauso so zugeparkt wie vor dem Umbau, Parken auf dem türkisfarbenen Seitenstreifen erlaubt, dadurch Engstellen, an denen es bei Gegenverkehr gefährlich eng wird. Abbiegen in Seitenstraßen über saublöde Kanten, die halten Autofahrer ohnehin nicht vom Bremsen ab (Erfahrungswert). Und: Warum heißt das überhaupt Fahrradstraße, wenn Autos, LKWs usw. dort fahren dürfen? Wenn es kritisch wird, wie an der Querung Böheimstraße oder an der Matthäuskirche ist alles wieder beim Alten, wie nur Rad frei um die Kirche herum, keine Vorfahrt usw. Mein Fazit aus über 15 Jahren intensiven Erfahrungen mit der HRR1 zwischen Kaltental und Mineralbäder ist, dass Stuttgart (Verwaltung, Ämter, BMs, OB oder wer auch immer dahintersteckt) schlicht weder fahrrad- noch fußgängerfreundlich ist bzw. wird bzw. es auch bleiben will. Die bisschen radfahrfreundliche Kosmetik ist nur für die Statistik und das sogenannte Stadtradeln nur fürs Image und damit in meinen Augen einfach nur verlogen.

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    1. Also Geld ist für die Bequemlichkeit des Radverkehrs nie verschwendet: Ich finde den glatten Belag auf der Möhringer (die Burgstgallstaße kommt ja auch noch) wunderbar. Nicht mehr dieses Gehoppel über das gepflasterte Pflaster, man radelt auf gutem Untergrund, was übrigens auch eine Kraftersparnis bringt (vor allem den nicht elektrisch Radelnden). Das finde ich gut. Die Bordsteine beim Abbiegen und Einbiegen finde ich auch nicht gut: Wie üblich behindern uns die Hindernisse, die man dem Autoverkehr setzt. Wobei für die Fußgänger:innen ist das gut, denn die haben auf diesen "Gehwegüberfahrten" (aus Sicht des Autoverkehrs) absoluten Vorrang, eben auch vor Autos, die aus der Seitenstraße kommen. Und Fußgänger:innen sollten ja auch mal einen Vorteil haben. Ich finde auch, da wird noch zu viel geparkt, aber gegen das Parken an den Baumbeeten (gewissermaßen in zweiter Reihe) will die Stadt Parkverbotsschilder aufstellen. Es muss ja für alle radfreundlichen Maßnahmen eine Mehrheit im Gemeinderat geschmiedet werden, und wenn zu viele Parkplätze wegfallen, dann macht die SPD nicht mehr mit. Deshalb sehen wir halt Kompromisse. Dennoch finde ich die Radstraße Möhringer für mich schöner und besser als es vorher war.

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  6. Jörg
    Fahrradstraßen sind mir eigentlich zu breit. Das lädt die Autofahrenden zu sehr ein. Eigentlich hätte ich gerne in 4 m Breite ohne Parkstreifen. Es wird zwar bei Auto Gegenverkehr eng und ein Überholen von Autos ist praktisch nicht möglich, dafür können nur ein paar ganz dreiste dort parken.
    Es soll eben für Fahrräder sein und nicht für Autos, da sind 4 m schon ein guter Kompromiss. Mehr Raum können Fahrräder erst in Massen belegen. Wenn keine Fahrradmassen kommen, nutzen andere den Raum. So wie es eben auf den Stuttgarter Fahrradstraßen zu geht.

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