Das Foto von der Holzsstraße (von einem Haus gegenüber fotografiert) zeigt symbolhaft fast alles, woran es in Stuttgart noch hakt.
Enorm viel Platz für Autos: Wir sehen den Beton-Schacht der B14, der Autobahn, die die Innenstadt durchschneidet und dem Autoverkehr teils auf zehn Spuren Platz gibt, während es dort keinen für den Radverkehr gibt. Es ist nicht die einzige solche Stadtautobahn. Radfahrenden ist es auf ihnen fast immer verboten, über die großen Kreuzungen nach links abzubiegen, sie müssen die Fußgängerampeln nehmen.
Nicht sichere Radwege: Wir werden über schmale Radwege geleitet, die wie hier an der Holzstraße, von Autos überquert werden, deren Fahrer:innen nicht immer mit dem Radverkehr zurecht kommen. Meistens geht es glimpflich ab, aber immer mal wieder fährt ein Autofahrer einen Radler um. Konsequenzen hat das keine. Eigentlich hätte die Dorotheenstaße schon autofrei sein sollen (was in Stuttgart immer heißt: Busse, Taxis und Lieferfahrzeuge dürfen durch, oft gibt es auch Behindertenparkplätze), doch vor Weihnachten wurde die Umgestaltung abgebrochen und die Straße dem (fahrenden und stehenden) Autoverkehr überlassen.
Sichtbehinderungen: Eine Toilettenlitfaßsäule verstellt die Sicht der Radfahrenden auf die Autos, die aus der Dorotheenstraße kommen, und den Autofahrer:innen die Sicht auf den Radweg. Ohnehin überfordern Zweirichtungsradwege Autofahrende oft, wenn sie zugleich auf den Autoverkehr achten müssen, in den sie sich einfädeln wollen oder wenn sie aus dem fließenden Verkehr schnell in eine Seitenstraße einbiegen wollen (Heilbronner Straße). Besser wären ohnehin mehr oder weniger geschützte Radfahrstreifen auf einer der vielen Autofahrspuren, wo die Sichtbeziehungen zwischen Autofahrenden und Radfahrenden besser sind. Aber sich dafür zu entscheiden, polarisiert den Gemeinderat noch immer extrem, wenn es auch inzwischen eine knappe Mehrheit dafür gibt. Ist jedoch der Auto-Verkehrsfluss nicht so gewährleistet, dass die Autos nicht Kreuzungen blockieren, wenn es Stau gibt, dann genehmigt die Verkehrsbehörde sie nicht.
Kurze Radwege: Dieser Radweg endet an einer Ampel am Charlottenplatz, die für Radfahrende in keine Richtung durchgängig geschaltet ist, und nach der es im Mischverkehr mit Fußgänger:innen weitergeht. Wir haben nur rund 8 km reine Radwege in Stuttgart. Alles andere ist Mischverkehr mit Fußgänger:innen, selten auf gemischten Geh-/Radwegen, viel öfter auf nur freigegebenen Gehwegen (Schrittgeschwindigkeit!), zu denen es kaum eine praktikable Alternative gibt (z.B. Neckardamm Cannstatt/Hofen). Oder wir radeln in Tempo-30-Zonen im Mischverkehr mit Autos zwischen der Doppelreihe am Straßenrand geparkter Autos. Was sich auch nicht ändert, wenn Straßenabschnitte als Fahrradstraßen ausgeschildert und auf dem Bodenbelag farblich gekennzeichnet werden. Der Autoverkehr bleibt gleich, denn mit modalen Filtern tuen sich Stadt und Gemeinderat schwer.
Gehweg- und Radwegparken: Neben dem Radweg parkt auf der Fußgängerfläche in der Einmündung der Dorotheenstaße ein Auto. Der Fahrer oder die Fahrerin wollte "nur schnell mal" wohin und dafür nicht in die Tiefgarage, die ja auch was kostet. Falschparken ist billiger, wenn man nicht erwischt wird, und das passiert eher selten. Auch das ist ein typischer Zustand in Stuttgart. Geparkt wird überall, wo es eine ebene Fläche gibt, egal, ob verboten oder nicht. So viel kann die Stuttgarter Polizei gar nicht kontrollieren, als dass nicht die meisten Falschparker ungestraft davon kommen. Eine Gefährdung wird nur gesehen, wenn ein falsch geparktes Auto den Autoverkehr behindert, nicht aber wenn es den Rad- und Fußverkehr behindert. Abgeschleppt wird deshalb praktisch nicht. Außerdem stehen Motorroller, eines links auf dem Gehweg, eines rechts an der Radabstellanlage. Auch für die fehlt es an Abstellflächen, Mopeds und Motorräder stehen deshalb vor allem in innerstädtischen Wohngebieten reihenweise auf Gehwegen herum.
Flächenkonkurrenz Fuß- und Radverkehr: Der Radweg knappst Fußgänger:innen Fläche ab, weil man auf der Fahrbahn keine Fläche für den Radverkehr hergeben und einrichten will. An dieser Stelle, die das Foto zeigt, queren Fußgänger:innen auf dem Weg zur Bushaltestelle und vom ihr kommend den Radweg. Sie haben keine andere Wahl. Manchmal müssen sie auf den Bus rennen und haben keine Augen für Radfahrende. Außerdem vereinnahmt der Radweg die Fläche zwischen Fahrbahn und U-Bahn-Eingang. Fußgänger:innen, die zur Ampel am Charlottenplatz wollen, müssen auf der anderen Seite um das U-Bahnbauerk herumgehen, was ein Umweg ist. Also spazieren sie gern auf dem Radweg. Fußgänger:innen ist meist überhaupt nicht bewusst, dass sie auf einem Radweg gehen und dass sie das nicht tun dürfen.
Eigentlich müsste der Umbau der Stadt Stuttgart in eine Stadt für Fußgänger:innen und Radfahrende sehr viel schneller gehen, denn die Innenstädte brauchen Leben (nicht Autos), sonst verkümmern sie wirtschaftlich. Und CO2 sollten wir auch endlich wirklich reduzieren. Leider sind wir Menschen so geartet, dass wir lange brauchen, um unsere Gewohnheiten und gewohnten Denkmuster zu ändern. Wir Radfahrenden werden aber auch in diesem Jahr nicht aufhören, durch unsere Präsenz zu zeigen, dass es eine schöne, bequeme, lebendige und menschenfreundliche Mobilität gibt: das Fahrrad.
Ich wünsche uns und euch allen ein gutes Jahr 2023. Radeln wir's an.
Hallo Frau Lehmann,
AntwortenLöschenich radle oft den Radweg am Breuninger entlang über den Charlottenplatz in Richtung Bad Cannstatt. Dabei ärgere ich mich oft über die Ampelschaltung am Charlottenplatz für die Fußgänger und Radfahrer: Es ist nicht möglich, mit einer Grünphase an allen drei Ampeln auf der Kreuzung durchzukommen. Die letzte Ampel hat lange Rot und die Grünphase ist zeitversetzt zu den Grünphasen der anderen beiden Ampeln. Dafür haben die Rechtsabbieger, die von Bad Cannstatt kommen und Richtung Schlossplatz auf dieser Spur fahren eine sehr lange Grünphase. Der Verkehr auf dieser Spur ist recht spärlich. Warum gesteht man den Radfahrern nicht zwei Grünphasen oder eine längere Grünphase zu ?
Andreas Wickenhäuser.
Jörg
LöschenDie Frage ist wirklich gut. Man sollte diese Frage an die CDU und FW weiterleiten. Das Ampelamt von Stuttgart missachtet mit Fleiß die Gleichberechtigung der Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer an Ampeln, die in der RAST 06 beschrieben ist. Die Wartezeit an der Kreuzung ist nämlich die Summe aller Wartezeiten. Danach wird die Verkehrsqualität in Buchstaben von A bis E bewertet. Obwohl die Software zur Ampelauslegung auf Knopfdruck die Qualität ausdruckt wird nur die Qualität für Autofahrer gezeigt und beachtet.
Stuttgart will scheinbar weiterhin Autostadt sein. Verkehrswende hin oder her.