15. Juli 2025

Landstraßen mit dem Rad queren ist riskant

Die Stuttgarter Zeitung hat einen differenzierten Artikel über Senior:innen auf Pedelecs veröffentlicht, die vor allem auf Landstraßen unverhältnismäßig oft Opfer von meist selbstverschuldeten Zusammenstößen mit Autos werden. 

Die Zeitung schreibt, oftmals seien es beim Überqueren von Landstraßen mit E-Rädern die Frauen, die ihren Männern folgen, obgleich ein Auto kommt, und das auch noch sehr schnell. Über die Gefahren beim Radeln zu mehreren habe ich bereits geschrieben. Der vorausfahrende Radler sieht für sich eine freie Straße und die Gelegenheit und fährt  beispielsweise aus dem Feldweg über eine Landstraße. Damit bringt er jedoch die Nachfolgenden in Gefahr. Denn die befinden sich im Vertrauensmodus hinter einem Anführer und Entscheider. Sie wollen dranbleiben, gucken nicht oder schaffen es nicht, sich mental blitzschnell vom Voranfahrenden zu lösen, eine eigene Entscheidung zu treffen, anzuhalten und den Verkehr abzuwarten. Das passiert auch Jugendlichen. Es passiert aber eben auch bei radelnden Paaren im Rentenalter. Da die meist Pedelecs fahren, entsteht der Eindruck, als seien die Pedelec-Fahrenden im Vergleich zu Normalradfahrenden besonders gefährdet. Würden sie Normalräder fahren, bestünden allerdings die gleichen Gefahren. Es stimmt aber auch, dass die Senior:innen vielfach gar nicht mehr Rad fahren würden, gäbe es diese Räder mit E-Unterstützung nicht. In den allermeisten Fällen verlaufen all diese Radfahrten übrigens unfallfrei, und mit Pedelcs radeln ist gesund, hält mobil und ermöglicht Teilhabe im Alter, ist also gut. Es darf also nicht darum gehen, Pedelecs zur Hauptgefahr und stilisieren und zu verdammen. Autofahren ist gefährlicher, wenn auch nicht für die Senior:innen selbst, so doch für andere. 

Die Polizei sucht im Zeitungsartikel allerdings aufs Pedelec bezogene Erklärungen:

13. Juli 2025

Das andere Fahrradland - Tübingen

Tübingen ist beim Fahrradklimatest des ADFC auf Platz 3 der fahrradfreundlichsten Städte Deutschlands gelandet. Die Radbrücken kommen gut an. Und die Radfahrenden fühlen sich mehrheitlich sicher. 

Blogleser Jörg hat Ende Mai eine Radfahrt nacht Tübingen unternommen und fühlte sich wie in einem anderen Land. 

Er schreibt: "Irgendwie ist es nicht zu glauben, dass dieselben Bundes- und Landesgesetze wie in Stuttgart gelten. Es gibt ganz viele Fahrradstraßen, durchgängige Radführungen, wenn auch zum Teil chaotisch, aber doch vorhanden. Am Ortsrand geht es weiter, asphaltierte Wege mit weißen Rändern außerorts. Auch neben Landstraßen wird für die Radfahrenden Geld ausgegeben und Boden versiegelt." Auch im Landkreis Böblingen fand er es noch ganz gut. Der Radweg Schönaich bis zum Radschnellweg neben der viel befahrenen Landstraße ist gut asphaltiert. Die Brücke auf Böblinger Seite des Radschnellwegs ist auch bald fertig. "Aber an der Stadtgrenze Stuttgart gelten andere Gesetze und schon ist der Mist da", stellte er fest. 

Er hat mir ein paar seiner Fotos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. 

11. Juli 2025

Wut auf Radfahrende zieht immer

Der Bayrische Rundfunk hat einen Beitrag veröffentlicht, in dem es um einen Radschnellweg geht und um die "Wut auf die Rennradler". 

Allerdings sind es nicht die Berufsradpendler:innen, die sich über Rennradler:innen ärgern, sondern - wie sollte es auch anders sein - die Menschen in Autos, (die aussteigen müssen und dann zu Fuß unterwegs sind), die ihre Wut rauslassen dürfen gegen "rasende Radler".  Es sollen sogar bereits Nägel auf den Radschnellweg geworfen worden sein. Und Autofahrende beschweren sich, dass sie vor lauter Radler:innen nicht mehr aus einer Garage fahren könnten. Den BR-Beitrag kann man hier nachlesen. Wieder einmal wird der Radverkehr problematisiert, eigentlich skandalisiert und der Wut preisgegeben, in einem Maß, in dem der Autoverkehr nie problematisiert wird, obgleich er die eigentliche tödliche Gefahr für alle darstellt, die nicht im Auto sitzen.  

Ich habe deshalb mal kurz die Perspektive gewechselt und im BR-Text das Fahrrad durch das Auto ersetzt, was auch deshalb naheliegt, weil die Medien gerne bei Radschnellwegen von "Fahrradautobahn" oder "Autobahn für Radfahrer" reden und schreiben: 

9. Juli 2025

Framing - so beschönigen wir den Autoverkehr

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat hat Mitte Mai an einen Polizisten der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster den den DVR-Förderpreis für seine Masterarbeit über das Framing in der Presseberichterstattung der Polizei verliehen. 

In seinem Bericht darüber verwendet der DRV selbst bereits nicht mehr das Wort "Unfall" oder "Verkehrsunfall", sondern "Verkehrskollision". Mehr als neunzig Prozent der Zusammenstöße seien auf menschliches Versagen zurückzuführen, heißt es. Fehlverhalten müsse klar benannt werden, damit (Auto-)Fahrende ihr Verhalten ändern. Der DVR fordert einen Kulturwandel in der Berichterstattung über das Geschehen im Straßenverkehr. Die Masterarbeit selbst ist mir nicht zugänglich. Sie stammt aus dem Jahr 2023. Ich habe immer wieder über das Thema geschrieben, sei es über die Mär vom starken und schwachen Verkehrsteilnehmer, über die tückische Doppeldeutigkeit des Bergriffs der "Verkehrsopfer" oder wie unsere Sprache die wahren Gewaltverhältnisse im Straßenverkehr verschleiert und die Verkehrswende verhindert. Zum Framing gehört auch, dass Radfahren in Artikeln regelmäßig als gefährlich (für einen selbst) dargestellt wird, Autofahren aber nie als gefährlich für andere, die nicht im Auto sitzen. Gleichzeitig wird der Radverkehr in den Medien oft als rowdyhaft, also rücksichtlos und gefährlich für Fußgänger:innen angeprangert, obgleich die tödlichen Gefahren vom Autoverkehr ausgehen. 

Es gibt aber auch ein softeres und beinahe unmerkliches Framing, mit dem wir in unserer Gesellschaft die Dominanz des Autoverkehrs über unser ganzes Leben als unabänderlich bestätigen. Etwa wenn der Autoverkehr als als Naturgewalt beschrieben und damit suggeriert wird, dass man ihm nachgeben, ihn fließen lassen muss. Darüber ließe sich eine Dissertation schreiben. Hier nur ein paar Beispiele für Soft-Framing: 

7. Juli 2025

Tempo 30 - pardoxer Widerstand gegen Vorteile

Tempo 30 flächendeckend in der Stadt, also auch auf Hauptverkehrsstraßen, bringt auch Vorteile für Autofahrende. Für alle anderen sowieso. 

Das hat ein Modellprojekt in niedersächsischen Kommunen ergeben. Den Modellversuch hätte man eigentlich gar nicht machen müssen, denn man weiß seit langem, dass der Autoverkehr in Städten sich weniger staut und besser fließt, wenn nicht schneller als 30 km/h gefahren wird. Das ist ohnehin die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Autos in einer Stadt, alle Ampelhalts und Hindernisse mit eingerechnet. Deshalb ist man mit dem Fahrrad in der Regel schneller am Ziel. Außerdem bessert sich die Luftqualität und die Anwohner:innen müssen weniger Lärm erdulden. Die Zusammenstöße von Autofahrenden mit Fußgänger:innen oder Radfahrenden wurden zwar auf den Versuchsstrecken nicht weniger, aber die Verletzungen waren nicht so schwer. 

Währenddessen Pforzheim: Da hatte man Tempo 30 eingeführt und hebt es nun tagsüber wieder auf. Auf Hauptverkehrsstraßen darf dann wieder 50 km/h gefahren werden. Die Begründung dafür ist, dass man "Staus vermeiden" wolle. Das ist sicherlich kein haltbarer Grund, sondern eher eine Ausrede, um den konservativen Autofahrenden das vertraute Gaspedal-Gefühl zurückzugeben. Rational ist es nicht. Denn je höher die Geschwindigkeit, desto größer die Gefahr von Staus, die aus den Verzögerungen des Abbremsens und wieder Anfahrens entstehen.

5. Juli 2025

Zürich kapituliert vor dem Autoverkehr

Quelle: Apple Karten
In Zürich gibt es seit einem Jahr eine Fahrradstraße, dort Veloroute genannt, die theoretisch frei vom Autoverkehr sein müsste. So hat es das Stimmvolk  beschlossen. 

Es ist aber nicht so. Zur Hauptverkehrszeit stauen sich die Autos auf der Fahrradstraße, Radfahrende kommen nicht mehr durch, stehen im Autostau oder weichen auf die Gehwege aus. Es handelt sich um die Bullingerstraße, die ein Meilenstein für den städtischen Radverkehr werden sollte. Aber davon sieht man heute nur grüne Streifen am Straßenrand, sonst nichts. Von Anfang an schaffte es die Stadt nicht, die Velostraße vom Autoverkehr zu befreien. Sie wollte wohl einfach nicht, obgleich 70 Prozent des Stimmvolks für ein 50 Kilometer langes und grundsätzlich vom Autoverkehr befreites Volovorzugsroutennetz in Zürich gestimmt hatte. 

Pro Velo Züric kritisierte das von Anfang an. Nach gut zwei Jahren hat sich immer noch nichts geändert, der Autoverkehr staut sich auf der Straße und blockiert den Radfahrenden die Durchfahrt. Die Stadt hat zwar ein Konzept erarbeitet, wie der Kraftfahrzeugverkehr aus der Bullingerstraße rauskommt, aber nicht umgesetzt, denn man befürchtet, dass der Autoverkehr sich dorthin verlagert, wo er den öffentlichen Nahverkehr behindern würde, also die Straßenbahn. 



3. Juli 2025

Die Fahrradbranche in und um Stuttgart herum

Es gibt einen Branchenatlas für Radlogistik, also für Unternehmen, die Lastenräder herstellen,  Kurierdienste oder Akkuwechselstationen anbieten oder städtische Monilität konzipieren. 

Auf dem seit einem Jahr eingerichteten "Atlas der Radlogistik" gibt es 450 Einträge und für Stuttgart acht. Die Liste im Atlas ist nicht vollständig und sie enthält auch Unternehmen, deren Internetseite nicht mehr zugänglich ist, oder die doch ihre Kundschaft eher in der Autoindustrie suchen. Die Interessen der Fahrradwirtschaft in Deutschland vertritt der Verband Zukunft Fahrrad und hat nach eigenen Angaben 100 Mitglieder. Ich habe mich mal in Stuttgart und Umgebung umgeschaut. Die hier aufgeführten Unternehmen kümmern sich um Hardware, also Lastenräder, Spezialfahrräder und Pedelecs, aber auch um die Software, also Fahrradelektronik, Antriebe und Bremskraftverstärker oder um die Organisation der Firmenlogistik und des Transports von Waren auf der letzten Meile. Hier meine Liste: